TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: die anstehenden personellen Wechsel an der Spitze der EZB und der Fed.
15.12.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»
Zwei Ereignisse haben in der vergangenen Woche an den Kapitalmärkten für Aufmerksamkeit gesorgt.
Zum einen die Entscheidung der US-Notenbank, die Zinsen zu senken – und der gewissenhafte Hinweis von Fed-Chef Jerome Powell, dass er weiteren Zinssenkungen im kommenden Jahr kritisch gegenübersteht. Vor allem wegen der erhöhten Gefahr einer weiter ansteigenden Inflation in den USA.
Und zum anderen die Aussage von EZB-Ratsmitglied Isabel Schnabel, die sich sinngemäß zu der Aussage hinreißen ließ, sie könne gut mit einer Erhöhung der Leitzinsen im Euroraum leben – und dem ebenfalls gewissenhaften Hinweis, dass sie „bereitstünde“, den Job als nächste Präsidentin der Europäischen Zentralbank anzutreten. Christine Lagardes Amtszeit endet offiziell im Oktober 2027. Die möglichen Kandidatinnen und Kandidaten schieben sich aber schon einmal in Position. Deshalb reagieren die Rentenmärkte auch auf solche Sätze wie die von Schnabel. In ihrem Fall stiegen die Renditen langlaufender Euro-Anleihen an. Denn Börsianer nehmen die Aussagen möglicher Notenbank-Chefkandidaten ernst – zumal Schnabel auch aus ihrem engeren Kollegenkreis Rückendeckung für ihre Einschätzung erhalten hat.
Im Fall von Jerome Powell verhält es sich etwas anders. Sowohl die Aktien- als auch die Rentenhändler sahen über die Bemerkung des noch amtierenden Fed-Chefs hinweg, die US-Notenbank werde weiterhin vor allem die Inflations-, Konjunktur- und Arbeitsmarkt-Daten im Blick behalten. Und da sehe es im Moment vor allem aufgrund der Inflation in den USA nicht besonders nach weiteren Zinssenkungen im nächsten Jahr aus.
Die Aktienhändler freuten sich über die aktuelle Zinssenkung der Fed und trieben – die skeptische Ansage Powells geflissentlich ignorierend – gleich in Vorfreude auf weitere Zinssenkungen die Aktienkurse auf neue Höchststände. So thront etwa der von US-Aktien dominierte MSCI World Index jetzt bei über 4.444 Punkten. Auch die Renditen langlaufender US-Bonds stiegen nach der Fed-Entscheidung weiter, obwohl sie angesichts einer möglichen Zinspause, wie von Powell in Aussicht gestellt, in den USA hätten stabil bleiben können.
Es ist eben so, dass Jerome Powell mittlerweile eine sogenannte „Lame Duck“ ist. Spätestens Mitte Mai kommenden Jahres läuft seine Amtszeit aus. Doch schon länger macht Donald Trump Druck auf ihn, endlich die Zinsen auf ein Prozent zu senken – oder vorzeitig zurückzutreten. Gerne auch sehr rechtzeitig vor den US-Midterms im November, wenn Kongress und Senat neu gewählt werden. Trump würde die Zinslast der Staatskasse gerne senken und gleichzeitig die Notenbank dazu bewegen, sich ihren Tresor mit US-Staatsanleihen zu füllen, damit sein teures „Big Beautyfull Bill“-Gesetz seinen ohnehin schuldenüberdehnten US-Haushalt nicht auffrisst.
Warum ignorieren die Kapitalmärkte die Aussagen von Jerome Powell? Nun, Trump ist es zwar noch nicht gelungen, Powell mit zum Teil wüsten Beschimpfungen früher aus dem Amt zu mobben. Doch er hat bereits alternative Schritte zur Entmündigung der Fed unternommen, indem er missliebige Mitglieder des Gouverneursrates ersetzen ließ. Die vorübergehende Ernennung von Stephen Miran im September war ein erster Schritt. Danach folgte der Versuch, Lisa Cook zu entlassen. Die Fed-Gouverneurin wehrte sich vor Gericht dagegen. Sollte der Supreme Court im kommenden Januar jedoch zu Gunsten von Donald Trump entscheiden, wird das Weiße Haus eine Mehrheit im Gouverneursrat haben. Dann hat der US-Präsident die Macht, alle Präsidenten der zwölf Regionalbanken des Federal Reserve Systems abzuberufen, die seine Ansichten zur US-Geldpolitik nicht teilen. Donald Trump übernähme in diesem Fall die volle Kontrolle über den Offenmarktausschuss (FOMC) und damit die Zinspolitik der Fed.
Mit anderen Worten: Eine drastische Zinssenkung in den USA wird kommen. So oder so. Mit der Unabhängigkeit der US-Notenbank ist es ohnehin spätestens im Mai vorbei, wenn Donald Trump seinen Wunschkandidaten auf den Fed-Chefposten setzen wird. Aller Voraussicht nach wird dies Kevin Hassett sein, seines Zeichens glühender Trumpist und Befürworter einer sehr lockeren Geldpolitik.
Wer begreifen will, wie Kapitalmärkte funktionieren, bekommt hier ein Lehrbeispiel vorgeführt: An der Börse werden nicht aktuelle Daten und Fakten gehandelt, sondern Hoffnungen und Ängste. Und wenn es um das Thema Zinsen geht, sind diese höchst nun einmal sensibel. Nur einmal zur Veranschaulichung: Was bedeutet ein Prozent Zinslastunterschied jährlich bei einer Summe von 38,3 Billionen US-Dollar, der aktuellen Staatsverschuldung der USA? Genau. Da lohnt sich das Nachrechnen.
Am Dienstag will die EU-Kommission in Brüssel Vorschläge für eine umweltfreundliche Industrie vorstellen. Die EU-Kommission will ein Paket zur Umsetzung des sogenannten Clean Industrial Deals präsentieren. Dafür will sie unter anderem eine Anpassung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) vorschlagen – mit geändertem Schwellenwert, späteren Fristen und vereinfachter Berichterstattung. Ein wichtiger Schritt zum Abbau unnötiger Bürokratie. Denn durch die Reform reduziert sich der Kreis der betroffenen Unternehmen deutlich: Insgesamt 90 Prozent der bisher betroffenen Unternehmen unterliegen ab 2026 nicht mehr der CBAM-Verordnung und den damit verbundenen Pflichten. Trotzdem werden 99 Prozent der Emissionen erfasst. Denn nur wenige Importeure sind für den Großteil der erfassten Emissionen verantwortlich, wie eine Studie kürzlich ermittelte.
Am Mittwoch wird in München der Ifo-Geschäftsklimaindex für den Monat Dezember veröffentlicht. Das Ifo-Geschäftsklima basiert auf monatlichen Meldungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Groß- und des Einzelhandels. Die circa 7.000 Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate.
Am Donnerstag wollen rund 10.000 Bauern gegen EU-Auflagen und das geplante Handelsabkommen Mercosur protestieren. Rund vierzig Landwirtschaftsverbände aus ganz Europa haben ihre Teilnahme den Angaben zufolge bereits bestätigt. Wer in dieser Woche nach Brüssel muss: Vorsicht. Es drohen nicht nur unangenehme Staus. In der Vergangenheit war es bei Bauernprotesten in Brüssel auch zu Gewalt und Ausschreitungen gekommen.
Am Freitag ist wieder großer Verfallstag an der Börse, von Händlern auch Hexensabbat genannt. Darf man das noch? Klingt irgendwie politisch unkorrekt. Egal. An diesem Tag verfallen gleichzeitig die drei Wetten auf künftige Kursentwicklungen von Aktien, Indizes und Futures. Die Umsätze sind dann meist sehr hoch, und die Kurse schlagen stärker aus als gewöhnlich. Also: Vorsicht bei verwunschenen Optionen und bösen Aktien. Besen rausholen, Depot auskehren, aufsatteln und ab ins Wochenende.
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