TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Warum das Prinzip „Jetzt sparen und später teuer draufzahlen“ bei Politikern so beliebt ist.
04.12.2023 | 12:03 Uhr
Es ist genau zwei Wochen her, da titelten wir an dieser Stelle: „Das Ende der Aktienrente – Tod durch die Hintertür“. Die Überschrift ist mittlerweile überholt. Die Aktienrente wurde Anfang vergangener Woche hochkant aus dem Bundeshaushalt hinausgeschmissen. Und zwar mit einem heftigen Tritt durch die Vordertür. Zwar heißt es informell, das Projekt sei nur aufgeschoben. Doch das ist nur eine wohlwollende Interpretation derjenigen, die immer noch daran glauben wollen, dass Politiker über die nächsten Wahlen hinausdenken. Wortwörtlich heißt es in der Pressemitteilung der Bundesregierung zum Nachtragshaushalt 2023 unter der Rubrik Sonstiges:
„Schuldenregelneutrale Minderausgaben durch Wegfall des Darlehens an das Generationenkapital im Jahr 2023 (10 Mrd. Euro). Diese Änderung ist keine Folge des Urteils des BVerfG, sondern beruht darauf, dass es noch keine gesetzliche Grundlage für das Generationenkapital gibt.“
Mit anderen Worten: Der Plan war noch nicht in ein Gesetz gegossen. Es gibt noch keine Verpflichtung und keinen Etat. Also weg damit. Arbeitsminister Hubertus Heil hat damit sein Ziel erreicht und einen weiteren Parteisieg auf Kosten der Beitragszahler errungen – also ausgerechnet auch der Wählergruppe, die traditionell eher SPD wählt. Die Armen werden es aber erst nach der nächsten Wahl merken, was ihnen der Arbeitsminister eingebrockt hat: Laut Kabinettsentwurf vom Juli dieses Jahres wird die Bundesregierung nämlich den zusätzlichen Bundeszuschuss an die Rentenversicherung ab 2024 bis 2027 um 600 Millionen Euro im Jahr kürzen. Unter gleichbleibenden Bedingungen bleibt der Beitragssatz damit zwar wie bisher bis 2026 konstant bei 18,6 Prozent, steigt danach aber schneller an. Also erst im Jahr nach der nächsten Bundestagswahl. Die nächste Bundesregierung - wer auch immer das sein wird - wird deshalb nicht umhinkommen, entweder den Beitragszahlern diese bittere Pille zu verabreichen oder eine Absenkung des Rentenniveaus zu verkünden. Oder die Zuschüsse aus Steuermitteln wieder zu erhöhen. Es ist ein Dilemma. Die Einführung der Aktienrente hätte es nicht komplett aufgelöst. Aber sie wäre wenigstens ein Anfang von etwas gewesen, das noch hätte wachsen und langfristig aus dem Teufelskreis hätte führen können.
Chance vertan. Und warum? Weil die Aktienrente vor allem ein Anliegen der FDP war. Die SPD fremdelte von Beginn an damit. Das sogenannte Generationenkapital diente ihr als Verhandlungsmasse nur dazu, eigene Projekte in der Koalition durchzubringen. Dazu zählt etwa das Bürgergeld, das die Staatskasse auf viele Jahre hin weiter belasten wird. Im Unterschied zur Aktienrente ist es bereits als Gesetz verankert. Es ist budgetiert. Es bestehen Ansprüche von Bezugsberechtigten auf zugesicherte Leistungen, die nicht mehr zurückgedreht werden können. Hubertus Heil hat sein Füllhorn an Wohltätigkeiten im Trockenen.
Konkret in Zahlen: Im kommenden Jahr wird das Bürgergeld um 12 Prozent erhöht und den Staat – also uns alle – rund 38,7 Milliarden Euro kosten. Die verschiedenen Zuschüsse zur staatlichen Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung summieren sich auf rund 126, 9 Milliarden Euro. Unter dem Strich machen die Sozialausgaben 38,5 Prozent des deutschen Staatshaushaltes aus. Stand heute. Es würden bald über 4o Prozent sein, wenn die Steuerzuschüsse zur staatlichen Rente in dem Tempo weiterwüchsen wie in den vergangenen Jahren. Um die Rentenkasse in Zukunft etwas zu entlasten und zu verhindern, dass in dreißig Jahren der Bundeshaushalt fast nur noch aus Pensionszahlungen, Rentenzuschuss und Schuldendienst besteht, hätte die Aktienrente einen Beitrag leisten können. Die Idee ist jetzt vom Tisch. Gibt es einen Alternativplan, um die Rente so sicher zu machen, wie es einst Arbeitsminister Blüm versprochen hatte? Nein. Ganz und gar nicht. Es wird weitergewurschtelt und das Demografie-Problem geleugnet wie auch schon in den vergangenen Jahrzehnten.
Die Conclusio bleibt: Wer fürs Alter vorsorgen will, sollte sich nicht auf den Staat verlassen, sondern selbst die Initiative ergreifen. Der Kapitalmarkt bietet ausreichend viele Möglichkeiten, um langfristig Kapital fürs Alter aufzubauen. Schade, dass viele Politiker unter dem Begriff „langfristig“ nur die verbleibende Zeit bis zur nächsten Wahl verstehen.
Am Dienstag überprüft die Deutsche Börse turnusgemäß die Zusammensetzung ihrer DAX-Indizes. Es ist die letzte Überprüfung vor Inkrafttreten der neuen Kappungsgrenze, die von zehn auf 15 Prozent angehoben wurde und ab März kommenden Jahres greift. Die Kappungsgrenze verhindert, dass ein Unternehmen ein zu hohes Gewicht im Börsenindex bekommt. Denn die Indizes sollen die Breite und Vielfalt der deutschen Wirtschaft abbilden. Steigt das Gewicht eines Börsenwertes über die Kappungsgrenze, wird die Gewichtung des betreffenden Unternehmens zur Indexüberprüfung alle drei Monate wieder auf den Cap gesenkt und die Differenz auf die anderen Indexmitglieder verteilt. Für betroffene Unternehmen hat das gravierende Folgen. Denn Fonds, die den Index abbilden, müssen die betroffenen Aktien veräußern. Diesem technisch bedingten Verkaufsdruck war Linde in den vergangenen Jahren regelmäßig ausgesetzt. Das wollte das Unternehmen nicht mehr akzeptieren und zog seine Aktien Anfang des Jahres aus dem Frankfurter Handel zurück. Linde ist deshalb nicht mehr im DAX notiert. Wäre die Kappungsgrenze bei zehn Prozent geblieben, hätte auch SAP auf der Kippe gestanden. Das wollte man in Frankfurt unbedingt verhindern. Deshalb beschloss man die Änderung, die ab dem kommenden Jahr gilt.
Am Mittwoch kommt der Nikolaus. Wer an ihn glaubt, darf seinen Stiefel vor die Tür stellen und sich etwas wünschen. Aber bitte nicht gierig werden. Gut ausgebildete Fachkräfte, Steuersenkungen und Weltfrieden sind gerade nicht im Angebot.
Am Donnerstag veröffentlicht die Allgemeine Zollverwaltung Chinas die offiziellen Zahlen zur chinesischen Handelsbilanz für die vergangenen zwölf Monate. Der Trend zeigt abwärts. China ist sich zunehmend selbst genug. Es werden immer weniger Waren exportiert. Gleichzeitig sinken auch die Importe – allerdings nicht so schnell wie die Ausfuhren. Was bedeutet das? China war noch vor zehn Jahren der Wachstumsmotor der Welt. Heute scheint es so, als ob sich das Reich der Mitte langsam vom Rest der Welt entkoppeln wollte. Ideologisch sowieso. Nun zunehmend auch wirtschaftlich. Nicht nur deshalb rückt der Wunschtraum vom Wandel durch Handel immer weiter in die Ferne.
Am Freitag feiern die Katholiken Mariä Empfängnis. Die Banken in vielen streng katholischen Staaten bleiben geschlossen. Zum Beispiel in Argentinien. Wer dort am Freitag in die Kirche geht, betet vielleicht auch dafür, dass der neu gewählte Präsident Javier Milei, der am 10. Dezember sein Amt antritt, alles besser machen wird als seine glücklosen Vorgänger. Man kann den Argentiniern nur die Daumen drücken und auf ein Wunder hoffen. Dass so etwas möglich sein soll, hat die Jungfrau Maria vor etwas mehr als 2.000 Jahren laut Bibel ja bewiesen.
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