TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Der chinesische Immobilienkonzern Country Garden kämpft ums Überleben.
04.09.2023 | 07:30 Uhr
Man stelle sich vor, Schwedens Regierung würde morgen früh erklären, dass Schweden zahlungsunfähig wäre und seine Zinsdienste nicht mehr erfüllen wolle. Überhaupt stünde zu befürchten, dass Schwedens Staatsanleihen wertlos verfielen. Dann würden einige Gläubiger weltweit ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Sie müssten nämlich verliehenes Kapital im Wert von rund 178 Milliarden US-Dollar in den Wind schreiben. Ganz zu schweigen von den entgangenen Zinsen. Da würde eine unglaubliche Bombe am Kapitalmarkt platzen. Man mag gar nicht darüber nachdenken. Aber zum Glück ist Schwedens Staatshaushalt einigermaßen solide. Die Steuereinnahmen betrugen im vergangenen Jahr 128 Milliarden US-Dollar. Das sind rund 22 Prozent des schwedischen Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 586 Milliarden US-Dollar. Die relative Verschuldung beträgt rund 30 Prozent des BIP. Schweden gehört zu Europas Musterschülern. Wer Schweden Geld leiht, muss nur die Währungsrisiken berücksichtigen. Ansonsten ist das eine sichere Sache. Puh. Glück gehabt.
Ganz anders sieht es im Moment in Asien aus. Der strauchelnde chinesische Immobiliengigant Country Garden hat, ebenso wie Schweden, Schulden in Höhe von umgerechnet rund 178 Milliarden Euro angehäuft. Allerdings stehen diesen Schulden nur ein Konzernumsatz von 64 Milliarden US-Dollar und nach Steuern ein negatives Ergebnis gegenüber. Es sieht also – vorsichtig formuliert – nicht ganz so rosig in der Bilanz aus im Vergleich zum Wikingerland gegenüber, auf der anderen Seite der Erdkugel. Ganz und gar nicht. Der, nach Umsatzvolumen gemessen, größte Immobilienentwickler Chinas steht kurz vor dem Bankrott. In der vergangenen Woche erklärte die Konzernführung, man wolle Maßnahmen überlegen, wie man die Auslandsschulden, die bis Ende Juni nächsten Jahres fällig werden, bedienen könne. Das ist ein Hammer. Denn drei Viertel der Konzernschulden sind Auslandsschulden. Viele ausländische Gläubiger dürfen nun um ihr verliehenes Kapital bangen. Dazu zählen namhafte Kreditinstitute wie BlackRock, HSBC, Allianz, Fidelity, Ninety One, UBS, JPMorgan, Deutsche Bank und Banque Lombard Odier. Allein BlackRock hat Dollar-Bonds im Wert von rund 360 Millionen US-Dollar im Feuer stehen. Und dann sind da noch etliche Rentenfonds, die in Schwellenländer-Anleihen investieren. Finanzinstitute wie BlackRock haben über Rentenfonds und andere Vehikel auch Anleihen an Investoren weitergereicht.
Es ist nicht nur ein mittleres Kapitalmarktbeben, das sich da anbahnt. Schon der Zusammenbruch der chinesischen Evergrande Group war ein Fiasko mit weitreichenden Folgen. Zum Vergleich: Die Zahl der Wohnungsbauprojekte von Country Garden ist in China viermal so hoch wie einstmals bei der Evergrande Group. Sollte Country Garden den Stöpsel ziehen und untergehen, würde nicht nur der asiatische Rentenmarkt mit in den Strudel geraten, sondern so manches Portfolio außerhalb des asiatischen Raumes. Im übertragenen Sinne könnte man sagen: Schweden ist dann mal weg. Deshalb der Tipp: Wer einen Emerging Markets-Rentenfonds im Depot hat, sollte in dieser Woche mal einen kritischen Blick auf die Zusammensetzung des Fondsportfolios werden – und im Zweifelsfall entsprechend reagieren. Es könnte sich lohnen.
P.S.
Bevor Sie nachschauen, ob schwedische Staatsanleihen eine Alternative sein könnten: Diese werfen derzeit zwischen 2,8 und 3,8 Prozent Rendite ab. Die Krone hat in den zurückliegenden Jahren gegenüber dem Euro jedoch rund 20 Prozent an Wert verloren. Wenn das in dem Tempo so weiterginge, würden Sie schwedische Anleihen nicht glücklich machen. Für Sie als Euroanleger sind schwedische Staatsanleihen deshalb trotz solider Staatsfinanzen nur mit Vorsicht zu genießen. Aber es gibt ja auch noch die gute, alte Bundesanleihe. So gut verzinst wie schwedische Staatspapiere, aber ohne Währungsrisiko. Merke: Wenn die asiatischen Gerichte überwürzt sind, kann gewöhnliche Hausmannkost richtig lecker sein.
Am Dienstag eröffnet in München die Auto- und Verkehrsmesse IAA. Bundeskanzler Olaf Scholz wird vor Ort sein. Und natürlich auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Scholz wird von der Innovationskraft deutscher Automobilkonzerne schwärmen, Söder von der Innovationskraft Bayerns.
Am Mittwoch wird die Mortgage Bankers Association in den USA die Anzahl der Hypothekenanträge für den vergangenen Monat veröffentlichen. Die gute Nachricht lautet: Die Zahlen sind seit Monaten stabil. Der Gewerbeimmobilienmarkt leidet, doch die privaten Häuslebauer in den Vereinigten Staaten bleiben ihren Plänen treu. Trotz gestiegener Zinsen.
Am Donnerstag veröffentlicht China aktuelle Zahlen zur Entwicklung der chinesischen Handelsbilanz. Auch hier gibt es eine gute Nachricht für das Reich der Mitte. Chinas Handelsbilanz ist positiv. Die schlechte Nachricht lautet: Die Exporte schrumpfen derzeit doppelt so schnell wie die Importe. Von Wachstum ist schon gar keine Rede mehr. Es ist noch ein weiter Weg bis zu einer negativen Handelsbilanz. Aber es wirkt derzeit so, als ob der Weg dahin geebnet sei.
Am Freitag veröffentlicht das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW seine Projektion für Deutschlands Wachstumsaussichten in den nächsten fünf Jahren. Man darf gespannt sein. Mit etwas Glück wirft das IfW auch ein paar positive, mutmachende Powerpoint-Charts an die Wand.
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