Metzler Asset Management: Währungspolitik China: Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück

Chinas Währung auf dem schwierigen Weg in die Freiheit

23.02.2016 | 09:13 Uhr

Die Nervosität steigt. „Chinas Währung den Krieg erklären? Ha, ha“, betitelte die chinesische Tageszeitung People's Daily Ende Januar einen Kommentar. Der Angriff des Investors George Soros gegen den Renminbi und den Hongkong-Dollar könne keinen Erfolg haben, betonte die regierungstreue Zeitung. Soros hatte zuvor davon gesprochen, derzeit gegen einige asiatische Währungen und rohstoffabhängige Volkswirtschaften zu wetten. Es sei daran erinnert, dass Soros vor einem Vierteljahrhundert berühmt wurde für seine Wette gegen die Bank of England – mit dem Ergebnis, dass das britische Pfund aus dem Europäischen Währungssystem gedrängt wurde und Soros einen milliardenschweren Gewinn einfuhr. Nun hält er eine harte Landung der chinesischen Volkswirtschaft für „unvermeidbar“. Eine Reihe von Hedgefonds setzt laut Medienberichten mit Leerverkäufen derzeit ebenfalls auf fallende Renminbi-Kurse.

Renminbi shorten, auf eine deutliche Abwertung der Währung wetten – das wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Zu strikt war die Devisenkontrolle, zu stark hatte die Partei ein Auge auf Finanzströme und Wechselkurs. Doch in unzähligen kleinen Schritten haben die Verantwortlichen in Regierung und Zentralbank in den vergangenen Jahren die Regeln gelockert. Sie haben – wenn auch unter Auflagen – Investitionen von Ausländern in den chinesischen Aktienmarkt sowie von Chinesen im Ausland möglich gemacht. Sie haben die Konvertierbarkeit des Renminbi für den Handel gelockert und nehmen weniger Einfluss auf die Zinsen als in der Vergangenheit. Und sie haben die Handelsspanne für den Wechselkurs erweitert.

Belohnt wurde die Volksrepublik für diese Liberalisierung im vergangenen November mit der Entscheidung des IWF, die chinesische Währung zusätzlich zu US-Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund aufzunehmen in den Korb, aus dem der IWF den Wert der Sonderziehungsrechte bestimmt. Diese Sonderziehungsrechte sind eine Art Kunstwährung, die unter anderem als Währungsreserve fungiert. Direkte, spürbare Auswirkungen hat dieser Schritt für China nicht. Wären die Sonderziehungsrechte eine weitläufig eingesetzte Zahlungseinheit, hätte vermutlich schon aus Gründen der Absicherung ein Run auf den Renminbi und in Renminbi bewertete Vermögensgegenstände eingesetzt und die chinesische Währung in die Höhe getrieben. Das Gegenteil aber ist der Fall: Chinas Währung hat ihre im vergangenen Sommer begonnene Abwertung gegenüber dem US-Dollar kontinuierlich fortgesetzt. 

Die Schwäche kommt nicht überraschend. Weltweit ist die Unsicherheit groß, wie es wirtschaftlich in China weitergeht. Taumeln irgendwo auf der Welt die Börsenindizes oder enttäuschen die Ergebnisse eines multinationalen Unternehmens, wird neben dem niedrigen Ölpreis seit Wochen regelmäßig auf die Schwäche Chinas als Ursache hingewiesen. Tatsächlich gilt: Die zweistelligen Wachstumsraten der Volksrepublik gehören endgültig der Vergangenheit an; die Führung rechnet mit 6,5 bis 7 % Wachstum im laufenden Jahr. Immer wieder werden unter Experten Zweifel laut, ob die geplante Neuausrichtung der Wirtschaft gelingen wird – weg von staatlichen Investitionen hin zu privatem Konsum als Wachstumstreiber. Die Verschuldung der Konzerne gibt Anlass zur Sorge. Neuerliche Turbulenzen am Aktienmarkt waren alles andere als vertrauensfördernd. Ein zum Jahresanfang eingeführtes Kurssicherungssystem musste prompt wieder zurückgezogen werden, nachdem es in der ersten Januarwoche den Handel nach 29 Minuten für den Rest des Tages beendete. Inzwischen hat der Shanghai-Composite-Index gegenüber seinem Höchststand Mitte Juni 2015 fast die Hälfte verloren. 

Die Sorge vor einer möglichen tiefen Krise in China drückt auf den Wert des Renminbi. Überdies zeigt der Prestigeerfolg – die Aufnahme in den IWF-Währungs-fonds – eine Nebenwirkung. Voraussetzung für die Aufnahme war die Bedingung des IWF, dass die chinesische Währung „frei verfügbar“ ist. Einige Anpassungen des Währungsregimes waren notwendig, um dieses Kriterium zu erfüllen. So orientiert sich die Zentralbank seit August bei der morgendlichen Festsetzung des Wertes am Schlusskurs des Vortags. Zuvor hatte sie den Eröffnungskurs sehr viel stärker beeinflusst; häufige Folge war eine deutliche Abweichung zum Wechselkurs des Vorabends. Dem freien Spiel des Marktes ist der Wechselkurs deswegen zwar noch nicht ausgesetzt – die Zentralbank hat in den vergangenen Monaten immer wieder interveniert. Doch sind die Interventionen schwieriger und kostspieliger geworden. Und bei einem Schritt zurück zum alten Regime droht eine Neubewertung der Situation durch den IWF. Im schlimmsten Fall könnte sie ihre Entscheidung zu den Sonderziehungsrechten revidieren.

Am Rande bemerkt: Mitte Dezember 2015 gab die chinesische Zentralbank bekannt, dass sie sich beim Außenwert der Währung nicht länger vorrangig am US-Dollar orientieren wolle. Stattdessen werde sie den Wechselkurs des Renminbi an einem Korb von Währungen ausrichten, gewichtet nach deren Bedeutung für den Außenhandel. Dabei handele es sich aber nicht um eine feste Größe. Vielmehr solle der Währungskorb als Referenz gelten, die kontinuierlich angepasst werde – hierauf wies Zentralbankchef Zhou Xiaochuan kürzlich in einem seiner seltenen Interviews hin, veröffentlicht im Finanzmagazin Caixin zum Ende der Feiertage des chinesischen Neujahrsfestes. Tatsächlich hat der Renminbi im Jahresverlauf 2015 gegenüber dem US-Dollar zwar 6 % verloren, sein Wert gegenüber einem gewichteten Währungskorb ist aber praktisch konstant geblieben. 

Das kontinuierliche Abschmelzen der Devisenreserven gibt Hinweise darauf, dass es in den vergangenen Monaten nennenswerte Stützungskäufe gab. Allein im Januar ist ihr Bestand um 99,5 Mrd. USD geschrumpft. Seit dem Höchststand bei rund 4.000 Mrd. USD im Juni 2014 haben sich die Reserven damit um 770 Mrd. USD reduziert. 

Die Ursachen dieses Rückgangs lassen sich mitnichten nur auf eine Stützung der Währung zurückführen. Die Abwicklung von Carry-Trades schlägt sich hier ebenso nieder wie die Rückzahlung von Schulden in US-Dollar oder das zunehmende Interesse chinesischer Konzerne an Übernahmen im Ausland. 2015 haben sich chinesische Konzerne Übernahmen im Ausland 90,6 Mrd. USD kosten lassen. Aber auch die Diversifikationsbemühungen chinesischer Anleger – häufig auch klassische Kapitalflucht – reduzieren den Dollar-Bestand. Nach Wochen der Berichterstattung über diese Problematik sah sich auch Zentralbankchef Zhou genötigt, Spekulationen zu einer überhandnehmenden Kapitalflucht eine Absage zu erteilen. Dass Devisenreserven zu- und abnehmen, sei normal. Solange die Fundamentaldaten in Ordnung seien, sehe er darin kein Problem, so Zhou im Interview mit dem Finanzmagazin Caixin.

Mit 3.230 Mrd. USD bleiben der Volksrepublik noch reichlich Reserven, auch wenn Mahner vorrechnen, dass dieser Kapitalstock angesichts der aktuellen Abflussgeschwindigkeit rasch aufgezehrt sein könne. Kapitalkontrollen sind in der aktuellen Situation zwar nicht unmöglich, aber immerhin deutlich schwieriger geworden – will China die internationale Anerkennung des Renminbi nicht aufs Spiel setzen. 

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