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Warum Gold in Multi-Asset-Portfolios unverzichtbar wird

Anja Hochberg, Mitglied der Direktion, Leiterin Multi-Asset Solutions
Interview

Wie entwickeln sich Multi-Asset-Strategien im aktuellen Marktumfeld? Anja Hochberg, Leiterin Multi-Asset bei der Zürcher Kantonalbank, erklärt im Interview mit TiAM FundResearch, warum flexible Allokationen, Risikomodelle und ESG-Kriterien heute entscheidend für den Anlageerfolg sind. Sie beleuchtet aktuelle Trends bei Aktien, Anleihen und alternativen Investments – und gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Multi-Asset-Anlage.

27.05.2025 | 15:30 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Wie hat sich der Bereich Multi-Asset in den letzten Jahren entwickelt, und welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile eines Multi-Asset-Ansatzes im Vergleich zu traditionellen Anlagestrategien?

Anja Hochberg: Die Tendenz sowohl bei den verwalteten Vermögen als auch beim Marktanteil von Multi-Asset Lösungen ist stark steigend. Aus Kundensicht ist ein Mischportfolio eine einfache und effiziente Art, gemäß der eigenen Risikoneigung in ein breit diversifiziertes Portfolio zu investieren. Auch aus Produzentensicht lässt „aus dem Vollen schöpfen“, sprich Portfoliomanager können möglich viele Anlageklassen und -kategorien bespielen. Die daraus gewonnene Diversifizierung unterstützt die Portfoliooptimierung bereits auf strategischer Ebene. Zudem bleiben Asset Manager taktisch agil, können das Risiko reduzieren sowie Anlagechancen nutzen.

Wie definieren Sie bei eine optimale Asset-Allokation, und welche Faktoren beeinflussen diese Entscheidung am meisten?

Wir haben uns aufgrund der großen Unschärfe und Makroabhängigkeit vom traditionellen Konzept des Prognostizierens von erwarteten Renditen und Volatilitäten emanzipiert. Unsere strategische Allokation basiert auf einem Risikomodell. Ausgehend von Szenarien und einem Marktportfolio mit Home Bias entwickeln wir eine optimale Anlagestrategie. Diese kann dann mithilfe eines Risikomodells in «notwendige» Renditen übersetzt werden. Das erlaubt es, nicht nur eine beschränkte Anzahl von Portfolios, sondern für jedes Rendite-Risiko-Verhältnis die geeignete Allokation zu bestimmen.

Wie hat sich die taktische Asset-Allokation in den vergangenen zwölf Monaten verändert?

Die taktische Allokation, sprich die Abweichung von der strategischen Allokation zur Dämpfung von kurzfristigen Risiken und Nutzen von Chancen, ist das Aushängeschild eines jeden Asset-Allokators, selbst wenn der Renditebeitrag der strategischen Allokation deutlich ausgeprägter ist.

Wir haben in den vergangenen Monaten taktisch in allen Anlageklassen agil gehandelt. Neben etwas längerlebigen Positionen wie einem Übergewicht im Gold haben wir teils auch sehr kurzfristige Positionen (etwa Financials nach der US-Wahl) auf- und abgebaut. Im Rentenbereich haben wir tendenziell im Jahresverlauf eher Staatsanleihen präferiert, die auch von Zinssenkungen profitieren. Bei Aktien war entscheidend, rechtzeitig von einem US-Fokus (zum Beispiel über Aktien Welt = 70 Prozent USA) in ein breites aufgestelltes Portfolio zu wechseln und auch Themenanlagen beizumischen. Auf oberster Allokationsstufe (Obligationen/Aktien/Alternative Anlagen/Cash) agierten wir sowohl im Aktienübergewicht als auch -untergewicht. Auch bei den Obligationen und alternativen Anlagen (beispielsweise Gold, Rohstoffe, ILS, Immobilien) nutzten wir die ganze taktische Schwankungsbreite.

Welche Aktienmärkte/Branchen und Anleiheklassen bevorzugen Sie aktuell?

Eine neutrale Aktienpositionierung erscheint uns aktuell gerechtfertigt. Einerseits hat die Aktienmarktkorrektur die Markteuphorie gebremst. Anderseits hat sich der Wachstums-Inflationsmix verschlechtert. Das dürfte teilweise noch nicht in den Aktienpreisen eskontiert sein. Ich würde daher bei US-Aktien zur Vorsicht tendieren und stattdessen Titel aus Schwellenländern und Großbritannien in Betracht ziehen. Ebenfalls bietet sich der Themenbereich an, um die größere Marktbreite zu nutzen. Bei Obligationen erscheinen Staatsanleihen, auch aus Schwellenländern, und Wandelanleihen attraktiv.

Wie stehen Sie zu Gold?

Gold ist (außerhalb der strengen Nachhaltigkeitsstrategien) ein Stabilitätsanker im Portfolio, der die Portfolioqualität langfristig deutlich verbessert. Nachdem sich zuletzt Gewinnmitnahmen im Edelmetall aufdrängten, sollte nun wieder auf einen Einstiegszeitpunkt gewartet werden. Das aktuelle Risikoumfeld mit einem schwachen US-Dollar und insbesondere die neue fragmentierte Welt, die auch Zentralbanken in Schwellenländern verstärkt Gold kaufen lässt, rechtfertigt mittelfristig einen höheren Goldpreis.

Welche Rolle spielen nachhaltige und ethische Investmentansätze bei Multi-Asset-Strategien?

Ich bin davon überzeugt, dass der Einbezug von ESG-Kriterien die Anlageentscheidung verbessert. Asset Manager können dies umsetzen, indem sie ihren Kundinnen und Kunden sowohl Fonds nach SFDR Artikel 8 als auch SFDR Artikel 9 zur Verfügung stellen. Letztere beziehen nicht nur ESG-Kriterien mit ein, sondern setzen insbesondere auf Unternehmen, die selber dazu beitragen können, Nachhaltigkeits-Probleme zu lösen.

In welcher Weise sollten makroökonomische Trends und geopolitische Risiken bei der Entwicklung von Multi-Asset-Portfolios berücksichtigt werden?

Makroökonomische Trends und geopolitische Risiken sollten auf allen Portfolioebenen Eingang finden. Zum einen werden sie bei der Gestaltung der strategischen Allokation mit einbezogen, beispielsweise mit Gold, Staatsanleihen, oder dem Heim- oder Fremdwährungsanteil. Zum anderen reflektiert auch die aktuelle taktische Allokation ein gewisses Makrobild, beispielsweise über die Umsetzung in erwartete Unternehmenserträge oder einen bestimmten Zinspfad. Allerdings zeigt sich, dass die Bedeutung eines makroökonomischen Faktors bei der Gestaltung der taktischen Allokation abgenommen hat. Schließlich sollten makro- und geopolitische Einschätzungen auch bei der Selektionsentscheidung – wie zum Beispiel bei der Auswahl von Aktien – mit einbezogen werden.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Risikosteuerung in einem Multi-Asset-Portfolio?

Der Gesamterfolg eines Multi-Asset Portfolios hängt ganz wesentlich von einer guten Risikosteuerung ab. Ein Hauptszenario zu entwickeln, ist Kern der Analysetätigkeit. Ein Portfolio aber so aufzustellen, dass es auch Bestand unter anderen Umständen hat, sollte bei der Umsetzung als Verpflichtung gelten. Portfolios sind daher immer auch auf Risikoszenarien zu prüfen, um das Exposure zu kennen und gegebenenfalls anzupassen. Auch die sorgfältige Skalierung von aktiven Positionen (Abweichungen von der Benchmark) gehört dazu. Zudem kann ein Portfolio-Management-Tool einen Risiko-„Lookthrough“ bis auf Ebene eines einzelnen Finanzinstruments ermöglichen, was insbesondere in Krisensituationen hilfreich ist.

Die Korrelation vieler Assetklassen haben in der jüngeren Vergangenheit zugenommen. Wie reagieren Sie darauf?

Ganz klar mit einer noch granulareren und breiteren strategischen Asset-Allokation. Dabei geht es eben nicht mehr «nur» um ein traditionelles 60/40 Portfolio, das sich ausschließlich aus Aktien und Staatsanleihen zusammensetzt, sondern beispielsweise auch um hybride Instrumente im Anleihebereich oder Themeninvestments im Aktiensegment. Zudem kann der Bereich der alternativen Anlagen ausgebaut werden, um in den Portfolios beispielsweise Gold, Rohstoffe, Insurance-Linked Securities oder Private Markets zur Verfügung stellen zu können.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Multi-Asset-Marktes in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Der Multi-Asset-Markt wird meiner Meinung nach ein Kern-Anlagemarkt bleiben. Auf der einen Seite prägt er das Grundangebot von Banken, ist Bestandteil von Versicherungs- und Rentenlösungen. Anderseits wird aber auch die Anzahl der Selbstentscheider außerhalb der Bankberatung oder der klassischen Vermögensverwaltung steigen. Die Komplexität der aktuellen Finanzmärkte erfordert meines Erachtens auch für solche Kundinnen und Kunden eine Basis-Anlagelösung, die dann mit individuellen Themen und Anlagepräferenzen angereichert werden können.

Welche neuen Anlagetrends könnten Ihrer Meinung nach eine Rolle in zukünftigen Multi-Asset-Strategien spielen?

Neben den Anlagelösungen für Selbstentscheider könnten dies wieder verstärkt absolut-orientierte Multi-Asset Fonds sein oder Fonds, die sich speziell dem „Draw-Down“- Management widmen. Überzeugt bin ich persönlich auch von Fonds mit Realwerten, die sich dem wichtigen Thema Inflationsschutz verschreiben.

Zur Person: Anja Hochberg leitet seit Januar 2020 den Bereich Multi-Asset im Asset Management der Zürcher Kantonalbank. Zuvor war sie fast zwei Jahrzehnte in leitenden Funktionen bei der Credit Suisse tätig, unter anderem als Chief Investment Officer Europa & Schweiz sowie globale Leiterin Research, Produkte und Vertrieb. Die promovierte Ökonomin studierte Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaft in Berlin, am Collège d’Europe in Brügge und an der University of Wales, wo sie auch als Dozentin wirkte. Hochberg ist Mitglied im Advisory Board der „Fondsfrauen“ und engagiert sich als Gastdozentin sowie als gefragte Expertin für internationale Finanzmärkte in den Medien und auf Fachplattformen.


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