Capital Group: Die US-Wirtschaft boomt - Wie stark können die Zinsen noch steigen?

Capital Group: Die US-Wirtschaft boomt - Wie stark können die Zinsen noch steigen?
Interview

Viel spricht zurzeit für eine starke US-Konjunktur und ein hohes einstelliges Wachstum der US-Wirtschaft in diesem Jahr. Die Inflation dürfte 2021 steigen, größtenteils aber wohl nur vorübergehend.

30.04.2021 | 10:13 Uhr

Die Aussicht auf eine starke US-Konjunktur in diesem Jahr schürte Inflationssorgen und löste einen Ausverkauf von US-Staatsanleihen aus. Wir sprachen mit Anleihenportfoliomanager Pramod Atluri und US-Volkswirt Darrell Spence über die Aussichten für Wirtschaft und Zinsen. Außerdem wollten wir wissen, ob die Fed die Zinsen jetzt früher anheben könnte als bislang erwartet.

Darrell, beginnen wir mit Ihnen. Was halten Sie von den derzeitigen Erwartungen, und wie stark kann die US-Wirtschaft dieses Jahr wachsen?

Darrell Spence: Entscheidend sind die Konjunkturpakete. Das 1,9 Billionen US- Dollar schwere Corona-Hilfspaket dürfte das Wachstum deutlich stärken, zumal über 400 Milliarden US-Dollar direkt an die Verbraucher fließen. Wenn auf ein- mal so viel mehr Geld in den Kassen ist, kann das Wachstum schon kräftig zulegen. Hinzu kommen ungenutzte Mittel aus früheren Hilfspaketen und ein Impfplan, demzufolge – wenn sich nichts ändert – in der zweiten Augusthälfte alle über 16-jährigen Amerikaner geimpft sind. Nach und nach wird es weitere Öffnungsschritte geben. Außerdem hat die Fed erklärt, dass sie die höhere Teuerung für vorübergehend hält und bei ihrer expansiven Geldpolitik bleibt.

All dies kann meiner Meinung nach dazu führen, dass die Wirtschaft dieses Jahr ein oder zwei Quartale lang annualisiert um etwa 10% wächst. Angebotsengpässe und verbleibende Schwächen am Arbeitsmarkt könnten sie zwar bremsen, aber sehr viel spricht zumindest für ein hohes einstelliges Wachstum.

Tatsächlich gibt es viele Anzeichen für eine starke Dynamik. Denken Sie nur an die zuletzt sehr hohe Nachfrage nach Sportbooten. Einige amerikanische Familien haben die Staatshilfen gespart, sodass die Sparquote auf fast 15% gestiegen ist. Andere sehen in ihnen eher einen Bonus. Sportboote mögen Luxus sein, aber die Nachfrage nach anderen Konsumgütern wächst auch.

Keine Ebbe mehr: Höhere Ausgaben für Sportboote in den USA1

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Aufgrund des Konjunkturausblicks fürchtet man eine höhere Inflation. Teilen Sie diese Sorge?

Darrell Spence: Ich teile die Konsensmeinung, dass die Inflation dieses Jahr steigt. Ein Großteil davon dürfte aber vorübergehend sein. Letztes Jahr war die Inflation extrem niedrig, und jetzt werden große Konjunkturprogramme aufgelegt. Hinzu kommen vielleicht Angebotsengpässe. All dies kann für steigende Preise sorgen. Es würde mich nicht wundern, wenn der Verbraucherpreisindex um vielleicht 2,5% zulegt.

Doch zum Jahresende könnte es damit bereits vorbei sein. Dann wird sich die Inflation wohl bei ihrem Langfristtrend einpendeln. Ich rechne nicht mit einem starken langfristigen Anstieg. Dennoch könnte die Teuerung auf Dauer etwas höher sein als bisher, vor allem, wenn das große Infrastrukturprogramm weiter für eine expansive Fiskalpolitik sorgt.

Natürlich kommt dies für den Markt nicht überraschend. Die Break-even-Inflation von TIPS (Treasury Inflation-Protected Securities), ein Maß für die Infla- tionserwartungen, ist bereits gestiegen. Doch damit die Erwartungen wirklich nachhaltig zulegen, müsste die Teuerung jetzt wirklich stark steigen. Die Markterwartungen von zurzeit 2,6% scheinen die Fed nicht wirklich zu irritieren.

5-Jahres-Break-even-Inflation so hoch wie seit 2008 nicht mehr2

Abb-30-4-2


Pramod, was erwarten Sie vor diesem Hintergrund für eine Zinsentwicklung in diesem Jahr?

Pramod Atluri: Mit einer Zehnjahresrendite von fast 1,75% sind die langfristigen Staatsanleihenrenditen jetzt wieder so hoch wie vor Corona. Damals lagen Wirtschaftswachstum und Inflation in den USA jeweils bei etwa 2%. Der Konjunkturzyklus ging zu Ende. Viele Branchen zeigten gewisse Ermüdungser- scheinungen. Heute ist die Lage völlig anders. Steigende Zinsen finde ich plausibel, auch wenn ein Großteil des Anstiegs schon hinter uns liegt.

Die Langfristrenditen könnten durchaus um etwa 50 Basispunkte steigen. Für einen schnellen, noch stärkeren Anstieg sehe ich aber keine Gründe. Warum? Da ist erstens die Fed. Indem sie den Tagesgeldsatz nahe null hält und verspricht, daran auf Jahre nichts zu ändern, verhindert sie generell höhere Renditen, vor allem aber einen Anstieg im Bereich bis zu sieben Jahren. Zweit- ens kauft die Fed jedes Jahr für weit über 1 Billion US-Dollar Wertpapiere, was die Nullzinspolitik noch verstärkt.

Und drittens spielen auch die Zinsen in anderen Ländern eine Rolle. In den USA rechnet man mit mehr Wachstum und einer höheren Inflation, während andere Länder noch immer mit den Folgen von Corona kämpfen. Weil die Zinsen in vielen Ländern noch immer niedrig oder gar negativ sind, dürften die USA für internationale Investoren attraktiv bleiben. Das sollte die US-Renditen dämpfen.

Das vollständige Interview finden Sie hier als PDF.

1. Quellen: Bureau of Economic Analysis, Refinitiv Datastream. Stand 28. Februar 2021. Rezessionen gemäß Definition des National Bureau of Economic Research sind grau schattiert.

2. Quelle: Bloomberg. Stand 26. März 2021.

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