Christian Bäcker, Head of European Real Estate Portfolio Management bei der DWS, spricht im Exklusiv-Interview mit TiAM FundResearch über die aktuelle Lage am Immobilienmarkt, den Umgang mit Bewertungen, die Herausforderungen durch Zinsanstiege – und warum Offene Immobilienfonds trotz aller Turbulenzen eine langfristig attraktive Anlageform bleiben.
30.04.2025 | 10:22 Uhr von «Jörn Kränicke»
TiAM FundResearch: Herr Bäcker, jüngst musste ein Konkurrenzfonds deutlich abwerten. Droht dieses Szenario nun auch anderen Fonds, oder handelte es sich um einen Einzelfall?
Christian Bäcker: Wir hatten nun eine unglaublich lange Zeit mit niedrigen Zinsen und es gibt auch bei Immobilien Zyklen in denen wir uns bewegen. Unsere Produkte sind darauf ausgerichtet, mit diesen Zyklen umzugehen. Immobilienbewertungen – auch die der Offenen Immobilienfonds – reagieren dabei stets mit einer gewissen Verzögerung. Deshalb konnten wir in der Niedrigzinsphase häufig Objekte mit Aufschlägen gegenüber den letzten Gutachterwerten veräußern– mitunter Aufschläge von über zehn bis 20 Prozent. Aktuell befinden wir uns in einem Umfeld mit deutlich höheren Zinsen, was naturgemäß zu niedrigeren Preisen führt. Wir haben die vergangenen eineinhalb Jahre intensiv genutzt, um das Portfolio strategisch zu steuern und uns nicht zu überhasteten Verkäufen zwingen zu lassen. Unsere Fonds haben entsprechend der Entwicklung der Immobilienpreise an den Märkten in den vergangenen zwei Jahren Abwertungen hinnehmen müssen. Damit wurden jedoch auch gleichzeitig größere einmalige Abwertungsereignisse vermieden. Im Ergebnis sind die Portfolios jetzt deutlich günstiger bewertet als vor der Zinswende.
TiAM FundResearch: Bleiben Offene Immobilienfonds aus Ihrer Sicht dennoch eine sichere Anlage?
Bäcker: Es existiert häufig noch der Mythos, dass Offene Immobilienfonds eine Anlageklasse seien, die in jeder Marktphase positive Renditen liefert. Das ist so nicht realistisch. Offene Immobilienfonds sind auch keine Geldmarktersatzprodukte – selbst wenn sie in den vergangenen Jahren von vielen Anlegern vielleicht so wahrgenommen wurden. Die vergangenen Jahre waren für Immobilieninvestoren sehr herausfordernd: Wir hatten einen der stärksten und schnellsten Zinsanstiege seit den 1970er-Jahren. Gleichzeitig kämpft der Büromarkt, die wichtigste Nutzungsart Offener Immobilienfonds, seit der Pandemie mit strukturellen Veränderungen – insbesondere mit dem Trend zur Reduktion von Büroflächen. Vor diesem Hintergrund haben sich Offene Immobilienfonds sehr solide entwickelt. Im Vergleich zu Bundesanleihen, die 2022 teils zweistellige Verluste verzeichneten, bleiben Offene Immobilienfonds eine vergleichsweise stabile Anlageform.
TiAM FundResearch: Offene Immobilienfonds haben zuletzt unter Mittelabflüssen gelitten. Was müsste passieren, damit Anleger wieder Vertrauen fassen?
Bäcker: Ein Produkt muss durch seine Substanz überzeugen – nicht nur, weil andere Anlageklassen schwächeln. Es braucht eine belastbare, langfristige Performance-Basis. Die Produkte müssen zeigen, dass sie auch in schwierigen Marktphasen stabil bleiben und attraktive Renditen erzielen können. Genauso entscheidend ist ein zukunftsgerichtetes Narrativ: Wir müssen den Anlegern erklären, dass wir ein Produkt haben, das nutzerseitig langfristig nachgefragt ist und für das ein Unterangebot besteht, das auf absehbare Zeit nicht behoben werden kann – Wohnraum und moderne Büroimmobilien in Toplagen. Das ist die Basis für eine langfristige attraktive Performance. Ein überzeugendes, robustes Gesamtkonzept wird auch das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen.
TiAM FundResearch: Wie hat sich der Immobilienmarkt in den letzten Jahren entwickelt – und was bedeutet das für Ihr Portfolio?
Bäcker: Es gibt sicherlich zwei große Trends: Wohnimmobilien haben erheblich an Bedeutung gewonnen und Büroimmobilien leiden durch die Polarisierung der Objekte und dem generell negativen Marktsentiment. Unsere Produkte bilden das meiner Meinung nach gut ab. Wenn ich mir weiterhin unsere Portfolios anschaue, muss ich sagen, dass die Immobilien, die in der sogenannten Hochphase gekauft wurden, nicht unbedingt größere Problem haben. Die modernen, hochmodernen Büro- und Wohnimmobilien, die wir gekauft haben, sind brandneu und daher sehr gefragt. Das ist ein wichtiger Punkt – wenn ich vor 20 Jahren Immobilien gekauft habe, sind diese natürlich älter und haben vielleicht jetzt ein größeres Problem. Aber es geht auch immer um die Gesamtmarktbewegung, die das gesamte Portfolio betrifft. Das bedeutet, dass selbst die Immobilienfonds mit dem besten Immobilienbestand sich nicht dem Markttrend entziehen können, der sich aus dem erheblichen Anstieg der Zinsen ergeben hat.
TiAM FundResearch: Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei der Immobilienbewertung?
Bäcker: Eine faire Bewertung ist essenziell – sowohl für ein- als auch für aussteigende Anleger. Daher kann und darf es auch keine sogenannten „Bewertungsreserven“ geben. Gleichzeitig sind Bewertungsprozesse grundsätzlich jedoch träge und bilden die Marktrealität oft mit Verzögerung ab. Während Börsen oder andere liquide Märkte Preisanpassungen in Echtzeit widerspiegeln, ist der Immobilienmarkt stark intransparent – insbesondere bei großvolumigen Objekten. Es gibt derzeit eine signifikante Diskrepanz zwischen Käufer- und Verkäufererwartungen, was die Transaktionsaktivität stark bremst. Das macht es mitunter schwer zu sagen, wie marktnah eine Bewertung ist. Wenn ein Objekt mit zehn Millionen Euro bewertet wird, weiß man erst beim Verkauf, welcher Preis tatsächlich erzielt werden kann – und Bandbreiten von plus oder minus zehn Prozent sind durchaus nicht unüblich.
TiAM FundResearch: Wie beurteilen Sie das allgemeine Marktumfeld für Immobilien?
Bäcker: Die Inflation wirkt sich spürbar auf die Baukosten aus – das gilt international. Besonders in den Segmenten Wohnen und Logistik ist die Nachfrage hoch, gleichzeitig wird deutlich weniger neu gebaut. Wenn die Mieten die gestiegenen Baukosten nicht mehr abdecken können, geraten viele Projekte ins Stocken. Der Mangel an Neubauten verschärft sich dadurch weiter. Die Folge: Mieten in zentralen Lagen bleiben hoch. Wir sehen das auch in unseren Fonds – hier liegen die Bruttorenditen aktuell rund 20 bis 30 Prozent über dem Niveau von Ende 2022.
TiAM FundResearch: Wie schätzen Sie die Entwicklung im Büroimmobilienmarkt ein?
Bäcker: Wir beobachten eine zunehmende Polarisierung im Büromarkt. Hochmoderne Gebäude in Toplagen verzeichnen nach wie vor eine stabile Nachfrage. Ältere Objekte oder solche in schwächeren Lagen stehen hingegen deutlich unter Druck. Viele Unternehmen haben ihre Flächen verkleinert, aber das Mietbudget ist oft gleichgeblieben – das erlaubt ihnen, sich hochwertige Innenstadtlagen zu leisten. Die Schere im Büromarkt geht also weiter auseinander.
TiAM FundResearch: E-Commerce setzt dem stationären Einzelhandel zu. Wie sehen Sie die Perspektiven in diesem Segment?
Bäcker: In unseren Märkten – insbesondere in Südeuropa – beobachten wir, dass etablierte Einkaufszentren trotz der E-Commerce-Dynamik weiterhin gut funktionieren. Erfolgreiche Center mit langjähriger Historie bleiben attraktiv, sofern sie in stabilen Regionen liegen. Auch unsere Investitionen in Factory Outlet Center haben sich als sehr robust erwiesen. Natürlich sehen wir auch hier eine Polarisierung – weniger gut gelegene Einzelhandelsobjekte tun sich schwer. Aber insgesamt bleibt der Einzelhandel in etablierten Lagen eine rentable Nutzungsart.
TiAM FundResearch: In welchen Regionen sehen Sie aktuell besonders viel Potenzial für Investments?
Bäcker: Europa bleibt für uns der zentrale Investitionsfokus – aufgrund der rechtlichen Stabilität und des verlässlichen regulatorischen Rahmens. Besonders aktiv sind wir in Deutschland, London, Irland und Spanien. In Spanien sehen wir im Wohnungssegment eine sehr positive Dynamik. Auch Logistik – insbesondere im Last-Mile-Bereich – bleibt attraktiv, wenngleich die Preise gestiegen sind. Außerhalb Europas beobachten wir interessante Chancen in Australien und Japan, wobei auch hier zinsseitige Herausforderungen bestehen. In den USA fokussieren wir uns derzeit auf die Sunbelt-Staaten, in denen Bevölkerungswachstum und wirtschaftliches Potenzial besonders stark sind.
TiAM FundResearch: Machen die gestiegenen Zinsen Immobilieninvestments unattraktiver?
Bäcker: Kurzfristig sind die Auswirkungen klar spürbar: Höhere Zinsen belasten die Wirtschaftlichkeit vieler Projekte. Doch mittelfristig werden steigende Mieten diese Effekte in vielen Fällen ausgleichen können. Gerade in attraktiven Lagen sehen wir bereits Mietsteigerungspotenziale. Die Baukosten steigen weiter – das erhöht den Druck auf die Mietseite. Für Investoren bleibt das Umfeld anspruchsvoll, aber nicht perspektivlos.
TiAM FundResearch: Wie schätzen Sie die langfristige Stabilität des Immobilienmarktes ein?
Bäcker: Ich bin langfristig sehr optimistisch. Immobilien sind eine der wenigen Anlageklassen, die kontinuierlich stabile Einnahmen ermöglichen – vor allem in wachsenden Metropolregionen. Ob München, das Rhein-Main-Gebiet oder Tokio – in all diesen Regionen sehen wir nachhaltige Nachfrage nach Wohnraum. Natürlich gibt es zyklische Schwankungen. Aber langfristig auf Sicht von zehn bis 20 Jahren bleibt die Asset-Klasse ausgesprochen attraktiv – insbesondere wegen ihrer Planbarkeit.
TiAM FundResearch: Was erwarten Sie für die kommenden Jahre am Immobilienmarkt?
Bäcker: Wir gehen von einem volatilen, aber chancenreichen Umfeld aus. Wichtig ist, selektiv zu investieren und nicht kurzfristigen Markttrends zu folgen. Unser Ziel ist es, mit Offenen Immobilienfonds eine Rendite zu erzielen, die etwa 150 Basispunkte über der zehnjährigen Bundesanleihe liegt. Auch unter steuerlichen Gesichtspunkten sind Offene Immobilienfonds daher eine attraktive Perspektive.
Zur Person:
Christian Bäcker ist seit 2005 für die Immobilienplattform der DWS tätig und managt seit 2016 einen global investierenden Offenen Immobilien-Publikumsfonds. Als Head of Portfolio Management Real Estate hat er die Gesamtverantwortung für alle in Deutschland verwalteten Offenen Immobilien-Publikumsfonds, das Management der Geschlossenen Immobilienfonds der DWS sowie den Bereich Liquid Asset & Financing.
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