In Japan, Deutschland und anderen europäischen Ländern gehören negative Zinsen bereits seit Jahren zum Bild, wird sich diese Entwicklung in Amerika bald fortsetzen?
11.09.2019 | 10:41 Uhr
Von Pramod Atluri, Fixed Income Portfolio Manager, und Timothy Ng, Fixed Income Investment Analyst bei Capital Group.
Sorgen vor einem wirtschaftlichen Abschwung, die gedämpfte Inflation
und die Flucht hin zu Value-Titeln hätten die Renditen in den
Vereinigten Staaten (USA) in den vergangenen Wochen gedrückt. Die Flucht
in sichere Häfen habe beispielsweise dazu geführt, dass die Renditen
von 30-jährigen US-Staatsanleihen erstmals in ihrer Geschichte bei
weniger als zwei Prozent lagen.
Außerdem sei die Zinsstrukturkurve zum
ersten Mal seit der globalen Finanzkrise 2007 invers – die Renditen
zweijähriger Staatsanleihen lägen höher als die von zehnjährigen – und
das habe in der Vergangenheit häufig auf eine sich anbahnende Rezession
hingedeutet. Die Wahrscheinlichkeit negativer Zinsen sei in Anbetracht
dessen zwar höher als zuvor, dennoch bleibt Alturi positiv gestimmt.
„Zwar kann eine solche Entwicklung hin zu negativen Zinsen nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass es zeitnah in eine solche Richtung geht, sehe ich jedoch nicht – insbesondere in Anbetracht des prognostizierten moderaten Wachstums“, so der Experte. „Doch auch wenn die Zinsen in den Negativbereich fallen, bleiben sie angesichts der Nachfrage nach sicheren Anleihen mit positiver Rendite sowie der expansiven Geldpolitik der Fed, weiterhin niedrig.“
Auch wenn das Wachstum in den USA nach wie vor ordentlich und der Arbeitsmarkt stabil sei, befördere die weltweite konjunkturelle Abkühlung eine expansivere Geldpolitik der Fed. „Die Fed wird sich wahrscheinlich ähnlich wie in der vergangenen Finanzkrise verhalten – regelmäßige Zinssenkungen bis hin zu einem Leitzins von Null – falls dies notwendig werden sollte – sowie Forward Guidance, also den gezielten Einsatz von Ankündigungen kommender Schritte als fiskalpolitisches Instrument“, sagt Ng. „Außerdem sei Quantitative Easing denkbar.“
Während der Kern-Verbraucherpreisindex in den USA auf mehr als zwei
Prozent angestiegen sei, liege der Kernindex für persönliche
Konsumausgaben mit 1,6 Prozent unterhalb des Inflationsziels der Fed.
Die US-amerikanische Zentralbank habe also nach wie vor die Möglichkeit,
ihre Geldpolitik expansiver zu gestalten. Und auch die zukünftigen
Inflationserwartungen seien eher verhalten.
Die Märkte hätten bereits fünf weitere Zinssenkungen bis Ende 2020 eingepreist und auch das schwächere Wirtschaftswachstum in China – einer der größten Verbraucher von Industriegütern – nehme den Druck von der Inflation. Ebenso würden strukturelle Begebenheiten helfen, die aktuelle Inflation zu erklären – durch Automatisierung und die Nutzung günstiger Arbeitskräfte aus dem Ausland seien in vielen Industrien die Arbeitskosten gesenkt worden.
In den vergangenen 50 Jahren sei eine inverse Zinsstrukturkurve
Vorbote jeder Rezession in Amerika gewesen und auch heute deute sie auf
ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld hin. „Wird die Zinsstrukturkurve
invers, glauben viele Investoren, dass die langfristigen
Wachstumsperspektiven niedriger sind als die kurzfristigen“, sagt Ng.
Allerdings sei eine solche Entwicklung auch in der Vergangenheit kein
Indikator für einen sofortigen Abschwung gewesen. Häufig liege zwischen
Inversion und Rezession ein längerer Zeitraum – im Schnitt 16 Monate.
Außerdem sei die Zinsstrukturkurve nicht der einzige Indikator, der wirtschaftliche Entwicklungen prognostiziere. „Deuten mehrere Indizien auf eine Rezession hin, ist eine wirtschaftliche Abkühlung deutlich wahrscheinlicher als wenn dies nur ein Indikator tut. Diese Situation besteht aber bisher nicht“, sagt Ng. Zwar entwickelten sich einige wirtschaftliche Ungleichgewichte, extrem genug, um das US-Wirtschaftswachstum kurzfristig zu beeinträchtigen, seien sie aber noch nicht.
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