Capital Group: Emerging Markets – attraktive Einstiegsgelegenheiten für Anleger

Emerging Markets

Nachdem Schwellenländeranleihen zuletzt an Wert verloren haben, fragen sich viele Anleger, ob sie den Beginn einer Krise oder eine überfällige Marktkorrektur erleben. Für Investoren bieten sich indes interessante Einstiegsgelegenheiten – insbesondere bei Lokalwährungsanleihen.

29.10.2018 | 10:03 Uhr

Wer im vergangenen Jahr in Schwellenländeranleihen investiert war, konnte sich über eine attraktive Performance freuen. Denn 2017 sind die Märkte zweistellig gestiegen. In diesem Jahr hingegen sind die Märkte unter Druck geraten. Trotz attraktiver Bewertungen hat sich die Marktstimmung verschlechtert – höhere US-Anleihenrenditen, der stärkere US-Dollar und länderspezifische Risiken haben bei Emerging-Markets-Anleihen zu einer höheren Volatilität geführt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die negative Stimmung, die einige Schwellenländer ergriffen hat, auch auf andere Emerging Markets überspringt – so, wie es zum Beispiel beim Taper Tantrum, der heftigen Reaktion der Anleihenmärkte im Mai 2013, der Fall war.

Fundamentaldaten vieler Schwellenländer bleiben gut

Doch dieses Risiko dürfte nun gering sein. Denn die heutige Situation unterscheidet sich wesentlich von der in den Jahren 2013 bis 2016. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die für Optimismus sorgen. Der wichtigste Aspekt: Die Fundamentaldaten vieler Schwellenländer bleiben gut. Zudem dürfte die Anfälligkeit für politische Risiken oder steigende Zinsen geringer sein als vermutet – denn eine bessere Schuldenstruktur kann höheren Renditen einiges entgegensetzen. Insgesamt sind die Schuldenstandsquoten vieler Schwellenländer nicht alarmierend. Bisweilen ist die Schuldenlast deutlich geringer als in manchem großen Industrieland. Hinzu kommt, dass sich die Notenbankpolitik in vielen Schwellenländern eng am Wachstum und der Inflation im Land orientiert. Zudem sind die Leistungsbilanzdefizite der Schwellenländer meist zurückgegangen, und die Fremdwährungsreserven sind überwiegend gestiegen. Darüber hinaus gibt es externe Faktoren, die den Märkten in den Schwellenländern Unterstützung verleihen. So dürfte sich das synchrone Weltwirtschaftswachstum positiv auswirken, auch wenn es nicht mehr ganz so hoch ausfällt wie im vergangenen Jahr. Und die Rohstoffpreise sind stabil und scheinen nicht übertrieben.

Alles in allem spiegeln die Bewertungen die Risiken der einzelnen Länder heute genauer wider, insbesondere über die Wechselkurse. Bei genauer Analyse finden Investoren derzeit viele günstig bewertete Titel. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es nur sehr wenige dezidierte Emerging-Market-Investoren gibt, dafür aber viele Gelegenheitsanleger, die auch Touristen genannt werden. Touristen sind Investoren, die üblicherweise nicht an den Emerging Markets investieren, sich aber jetzt von den höheren Renditen angezogen fühlen. Da es zudem mehr passive Fonds gibt als früher, kann ein Ausverkauf insbesondere an den liquideren Märkten oft zu einem Überschießen führen. Für aktive Manager können dies Kaufgelegenheiten sein. Das gilt vor allem dann, wenn sie Research-stark sind und einschätzen können, ob die aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnisse, Spreads und Wechselkurse an den einzelnen Märkten die Risiken hinreichend ausgleichen.

Unruhiges Umfeld aufgrund externer Faktoren

Zum anderen haben einige Entwicklungen zu einer höheren Volatilität geführt. Dazu gehören zum Beispiel die Handelsstreitigkeiten. Immer mehr Länder regieren mit Revanchezöllen auf die US-Handelspolitik. Neben der EU und Kanada sind das auch wichtige EM-Länder wie Russland, Mexiko, die Türkei und China. Das Reich der Mitte bereitet wegen der Größe seiner Volkswirtschaft und der Abhängigkeit vieler anderer Schwellenländer von der chinesischen Nachfrage die größten Sorgen. Abgesehen von Technologie-Sektoren wie Elektronik und IT-Technik, die die USA ins Visier genommen haben, dürften sich die direkten Folgen zwar in Grenzen halten. Insgesamt hängen Schwellenländer aber stark vom Welthandel ab. Weniger Exporte und eine Verschlechterung der Marktstimmung würden den Emerging Markets deshalb schaden. Auch der stärkere US-Dollar hat Emerging-Markets-Anleihen volatiler gemacht. Hintergrund ist, dass die Schwellenländer-Währungen bisher meist an den US-Dollar gebunden waren, sodass sie bei einer Dollaraufwertung ebenfalls aufwerten mussten. Das schwächte oft die Exportwettbewerbsfähigkeit.

Auch die Staatsschulden der aufstrebenden Volkswirtschaften werden häufig in Dollar bemessen. Wenn ihre Währungen nicht parallel zum US-Dollar aufwerteten, stiegen – in lokaler Währung gerechnet – Verschuldung und Schuldendienst. Zwar sind die Wechselkurse der meisten Emerging-Market-Währungen mittlerweile flexibel, sodass viele Schwellenländer ihre Leistungsbilanzdefizite verringert haben und inzwischen mehr Anleihen in lokaler Währung begeben. Unternehmensanleihen sind aber nach wie vor überwiegend in US-Dollar denominiert. Und es gibt immer noch Länder, die vergleichsweise stark unter einem stärkeren US-Dollar und höheren Zinsen leiden – nämlich, weil sie einen großen Bedarf an Dollarfinanzierung haben, etwa die Türkei. Hinzu kommt eine Reihe länderspezifischer Probleme, etwa in der Türkei, Brasilien und Argentinien.  

Eine unterschätzte Anlagemöglichkeit bei Aktien und Anleihen

Trotzdem scheint bei Schwellenländern vorsichtiger Optimismus derzeit angemessen, insbesondere bei Lokalwährungsanleihen. Bei der Laufzeitenallokation ist ein Gleichgewicht aus höher verzinslichen Lokalwährungsanleihen mit Laufzeiten unter fünf Jahren und länger laufenden Investmentgrade-Titeln empfehlenswert. Dabei sollten Anleger besonders Staatsanleihen aus Ländern mit guten Wachstumsperspektiven und politischer Stabilität beziehungsweise mit nachlassenden politischen Risiken ins Auge fassen. Das gilt etwa für Indien, Südafrika, Mexiko und viele afrikanische Staaten.

Seit Jahresbeginn sind zum einen Emerging-Market-Aktien um etwa zehn Prozent gefallen. Dadurch sind sie gegenüber Industrieländeraktien in vielerlei Hinsicht attraktiver, auch gemessen am erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Sicht von zwölf Monaten. Trotz der attraktiven Wachstumsperspektiven sind Emerging-Market-Aktien günstiger bewertet als Industrieländeraktien. Das macht Schwellenländer zu einer unterschätzten Anlagemöglichkeit. Die derzeitigen Bewertungen und das hohe Gewinnwachstum sprechen für Chancen mit ausgewählten Grundstoff- und Gesundheitswerten. Zum anderen sind Emerging-Market-Anleihen nach den jüngsten Marktbewegungen jetzt attraktiver bewertet. Der Kursrückgang ist eher als eine Bewertungsanpassung einzuschätzen, ausgelöst durch Entwicklungen in einzelnen Ländern, und spricht nicht für eine allgemeine Krise. Es lohnt sich hier, zwischen verschiedenen Anleihen zu differenzieren. Lokalwährungsanleihen sind besonders attraktiv bewertet. Angesichts des höheren Inflationsdrucks dürfte die Geldpolitik aber nicht mehr allzu stark gelockert werden, sodass vor allem der Zinsvorsprung und nicht so sehr Kursgewinne für Erträge sorgen dürfte. Auch inflationsindexierte Anleihen scheinen angesichts der höheren erwarteten Inflation attraktiv.

Die nominalen Wechselkurse der Emerging-Market-Währungen passen zu den Inflationsdifferenzen. Hinzu kommt, dass die Finanzierungslücken der Leistungsbilanzen zuletzt zurückgegangen sind, was dazu beiträgt, die Emerging-Market-Währungen langfristig weiter aufzuwerten, sobald die derzeitige Volatilität zu Ende geht. Der brasilianische Real und der mexikanische Peso scheinen fundamental gesehen besonders unterbewertet. Wer in diese Währungen investiert, kann also auf höheren Renditen hoffen.

Unterm Strich bieten sich in den Emerging Markets derzeit interessante Einstiegsgelegenheiten. Anleger sollten Handelskonflikte, den US-Dollar und lokale Entwicklungen im Auge behalten, sich aber nicht von solchen Faktoren abschrecken lassen. Wenn man mit gründlicher Analyse vorgeht, bietet eine Investition in Schwellenländer weiterhin Chancen auf eine attraktive Rendite.

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