Gestern hat sich zum neunzigsten Mal der große Wall Street-Crash gejährt. Anleger stellen sich nun die berechtigte Frage: Wie hoch sind die Risiken für eine Wiederholung?
25.10.2019 | 15:00 Uhr von «Christian Bayer»
Die alte Börsenregel „Sell in May and go away“ endet mit „But remember and come
back in September“. Dabei kommen gerade im Oktober Crash-Ängste hoch und das
nicht von ungefähr. Ältere Börsenteilnehmer erinnern sich noch an den 19. Oktober
1987 als der Dow Jones Industrial-Index an einem Tag fast 23 Prozent abgegeben
hat. Noch schwerwiegendere Auswirkungen hatte der „Black Thursday“ am 24.
Oktober 1929. Da die Folgen in Europa erst am Freitag spürbar waren, ging das
Ereignis als „Schwarzer Freitag“ in die Börsengeschichte ein.
Was in den
kommenden Jahren folgte war die sogenannte „Große Depression“ mit hoher
Arbeitslosigkeit, Vernichtung von Vermögenswerten und Unternehmenspleiten. Bis
1932 verlor der Dow Jones Industrial-Index fast 90 Prozent. Die Ursachen: Konjunkturelle
Warnsignale wurden in der Aktien-Euphorie von Börsianern ignoriert.
Marktteilnehmer hatten in großer Zahl auf Kredit spekuliert und mussten ihre
Positionen nach dem Crash schließen, was zu weiter fallenden Kursen führte. Wichtige
Institutionen wie die Fed agierten in der Krisenbekämpfung unglücklich, wenn
sie überhaupt schon existierten.
Mit Blick in die Vergangenheit fragen sich Anleger, ob sich die Geschichte
wiederholt und ein neuer Crash droht. An Warnsignalen ist kein Mangel: In einem
heillos überteuerten Anleihenmarkt ohne Renditen suchen Investoren nach alternativen
Erträgen. Die Folge: Eine Überbewertung mancher Anlageklassen wie z. B. massive
Überteuerungen in bestimmten Regionen im Immobiliensektor. Falls sich die
schwächelnde Konjunktur zu einer Rezession ausweitet, ist absehbar, dass Aktienanleger
bei mittlerweile hohen Bewertungen wie in den USA kalte Füße bekommen und bei
schlechten Unternehmens-Zahlen verkaufen.
Durch die Null- und Negativ-Zinspolitik
der Notenbanken werden Firmen am Leben gehalten, die unter normalen Bedingungen
nicht mehr lebensfähig wären. Der politische Druck ist immens, die Zinsen
niedrig zu halten, da schwächere EU-Staaten sonst von der Zinslast erdrückt
würden. Auf der anderen Seite wird das Geschäftsmodell der Banken durch die Niedrigzinsen
zunehmend gefährdet. Vor diesem Hintergrund hat die EZB nur die Wahl zwischen
Pest und Cholera.
„Dank immer niedrigerer Zinsen werden immer mehr Schulden
gemacht. Staats- und Unternehmensanleihen steigen auf immer neue Rekordhöhen.
Insgesamt sind über 50 Prozent der europäischen Anleihen negativ verzinst. Alle
deutschen Anleihen bis zu 30 Jahre sind komplett negativ verzinst“, beschreiben
die Ökonomen und Fonds-Initiatoren Marc Friedrich und Matthias Weik die
Situation.
Möglicherweise bedenken Anleger zu wenig, dass der nächste Crash vom
Anleihenmarkt mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Bankensektor und
nicht vom Aktienmarkt ausgehen könnte. Im Unterschied zum Wall Street-Crash vor
90 Jahren sind die Notenbanken mittlerweile allerdings gut untereinander gut
vernetzt, um die Märkte mit Liquidität zu versorgen.
Der Asset Manager Flossbach von Storch stellt sich die Frage nach konkreten
Crash-Ursachen im Zusammenhangt mit dem zeitlich näherliegenden Crash vom
Oktober 1987. Die Vermögensverwalter verweisen auf den
Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller, der eine der Ursachen darin sieht,
dass der Aktienmarkt ein Eigenleben geführt hat, das nicht mehr mit den
wirtschaftlichen Fundamentaldaten in Zusammenhang stand. Auch der damals
beginnende Computerhandel wird von einigen Experten als möglicher Auslöser
genannt. Im Detail sind die Ursachen jedoch kaum zu fassen.
"Das mag
enttäuschen und vielleicht auch bedrohlich wirken, weil auch für andere Crashs
kaum eindeutige Ursachen zu finden sind", so die FvS-Experten. Trotzdem werden
weiter Indikatoren untersucht, die auf einen Crash hinweisen könnten. So
entwickelte beispielsweise die Federal Reserve Bank of Kansas City vor zehn
Jahren den Kansas City Financial Stress Index (KCFSI). Bei der Berechnung
werden z. B. Anleihen-Spreads, Risiko-Appetit der Anleger und die Schwankungen
am Aktienmarkt bewertet.
In einer rückwärtigen Betrachtung hätte der KCFSI sowohl die Dotcom-Blase als auch die Finanzkrise prognostizieren können. Aktuell gilt für Anleger: Zur Panik besteht kein Grund, allerdings sollten Investoren risikobewusst agieren. Konkret bedeutet das eine sinnvolle Diversifikation, keine riskanten Einzelwetten und ein Bewusstsein über die Werthaltigkeit der Investments.
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