Capital Group: Erfahrungen aus 5 Jahrzehnten Anlagetätigkeit

Capital Group: Erfahrungen aus 5 Jahrzehnten Anlagetätigkeit
Anlagestrategie

Eine von Claudia Huntingtons erfolgreichsten Anlageentscheidungen hing von einer einzigen Frage ab.

10.09.2020 | 08:38 Uhr

„Der Termin für das erste Treffen war schwer zu bekommen, aber schließlich wurden mir 15 Minuten zugestanden“, erinnert sich Claudia Huntington. „Als ich den Raum betrat, konnte ich sehen, dass er angespannt war und auf die unvermeidlichen Fragen zum kommenden Quartal wartete.“

Aber das war nicht ihre Frage. „Ich sagte zu ihm: 'Sprechen wir nicht über die nächsten paar Quartale. Aber können Sie mir etwas zu Ihrer Vision erzählen, wohin Sie dieses Unternehmen in den nächsten fünf Jahren führen möchten?'“ Sofort entspannte sich die Körpersprache des CEO, und das Gespräch dauerte schließlich zwei Stunden. „Er sprach über die Risiken und Chancen, denen das Unternehmen ausgesetzt war, über seine langfristige Strategie und darüber, wie er diese Strategie umzusetzen gedachte“, so Claudia Huntington. Ihr gefiel, was sie hörte, und sie beschloss zu investieren.

Das erwies sich als eine gute Entscheidung, da das Unternehmen den Turnaround schaffte und die Aktie die Erwartungen der Wall Street übertraf.

Natürlich haben sich nicht alle ihre Investments so gut entwickelt wie Lotus. Claudia Huntington glaubt jedoch, dass ihr Schwerpunkt auf langfristigen Ergebnisse, eine Eigenschaft, die sie mit ihren Kollegen bei Capital Group gemeinsam hat, bei der Bewertung von Unternehmen und ihren Führungskräften einen klaren Vorteil bietet. „Die Quartalsergebnisse sind auch wichtig, aber eine längerfristige Sichtweise kann zu einem fruchtbaren Dialog mit der Unternehmensleitung führen,“ erklärt sie. „Unsere besten Anlageentscheidungen werden getroffen, wenn wir mit dem CEO auf einer Wellenlänge liegen. Wir gewinnen ein tieferes Verständnis für seine Fähigkeiten und die Wahrscheinlichkeit, dass er Risiken erfolgreich meistern und seine Strategie umsetzen kann.“

Claudia Huntington, deren Investment-Karriere im Jahr 1973 begann - in einer Zeit rapide steigender Inflation und volatiler Märkte - hat beschlossen, im Jahr 2020 in den Ruhestand zu gehen. Kürzlich hat die Portfoliomanagerin über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen gesprochen, die sie in fast einem halben Jahrhundert als professionelle Anlegerin gesammelt hat.

Was sind Ihre wichtigsten Erfahrungen?

Ich habe festgestellt, dass dieses Geschäft eher eine Kunst als eine Wissenschaft ist. Zu Beginn meines Arbeitslebens dachte ich, dass es in erster Linie um Mathematik und die Perfektionierung meines Modells ginge. Sicher, man brauchen die Mathematik, aber je mehr man investiert, desto mehr erkennt man, dass es darum geht, Urteile zu fällen - hinsichtlich Menschen und hinsichtlich der Zukunft. Es gibt keine Fakten zur Zukunft, also muss man versuchen, über den Tellerrand hinaus zu schauen.

Die vielleicht wichtigste Lektion, die ich gelernt habe, ist, dass die Geschäftsleitung eines Unternehmens entscheidend für seinen letztendlichen Erfolg oder Misserfolg ist. Wenn Sie ein großartiges Unternehmen haben, das von einem schlechten CEO geführt wird, sind die Chancen gering, dass dieses Unternehmen zu einer guten Investition wird. Wenn Sie andererseits ein mittelmäßiges Unternehmen in einer mittelmäßigen Branche mit einem hervorragenden CEO haben, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass sich das Unternehmen als gute Investition erweisen wird. Die Fähigkeit, CEOs und Managementteams einzuschätzen, ist also eine wichtige Kompetenz, die es zu entwickeln gilt.

Können Sie einige Beispiele für CEOs nennen, denen Sie begegnet sind, und die etwas bewegt haben?

Ein aktuelles Beispiel ist Satya Nadella, der Vorstandsvorsitzende von Microsoft. Er war nicht die offensichtliche Wahl für die Leitung des Unternehmens, als er 2014 die Nachfolge von Steve Ballmer antrat, aber er hat sich aus verschiedenen Gründen hervorgetan. Eine Frage, die Satya am Ende eines jeden Treffens stellt, unabhängig davon, mit wem er sich trifft, ist: „Was meinen Sie?“ Die Tatsache, dass er zur Teilnahme ermutigen und andere Meinungen hören will, ist ein derartiger nachweisbarer kultureller Vorteil.

Einer der effektivsten CEOs, die mir je begegnet sind, war Mark Donegan von Precision Castparts, einem Hersteller von Spezialmetallen für die Luft- und Raumfahrt und die Rüstungsindustrie. Donegan ist eine detailorientierte Führungspersönlichkeit mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Produktivität, der Kapital sehr gut einzusetzen weiß. Das Besondere an Donegan ist jedoch vor allem die Kultur, die er in seinem Unternehmen pflegt. Er hat bei seinen Mitarbeitern ein echtes Gefühl dafür geschaffen, gemeinsam das Richtige zu tun.

Ich bitte die Führungskräfte häufig, die Kultur ihres Unternehmens zu beschreiben. Einige haben sehr gute Antworten, andere sehen einen an, als käme man vom Mond. Die besten Unternehmen sind oft diejenigen mit einer sehr starken Kultur.

Einen starken CEO zu finden, ist keine Garantie für einen langfristigen Anlageerfolg. Vor Jahren habe ich in eine Firma namens Silicon Graphics investiert, hauptsächlich weil ich den CEO für erstklassig hielt und weil ich Vertrauen in seine Strategie für das Unternehmen hatte - einen Hersteller von spezialisierten Computersystemen für grafische Anwendungen. Wir haben die Chance früh erkannt, und das Unternehmen verzeichnete ein starkes Wachstum. Die Investition war erfolgreich - bis sich die Umstände änderten.

Der CEO begann sich schließlich für Politik zu interessieren und übertrug die Leitung des Unternehmens im Wesentlichen einem Untergebenen, der eine Reihe ungünstiger Entscheidungen traf. Ich hatte so viel Vertrauen und Zuversicht in den CEO gesetzt, dass ich nicht genauer hinsah, als Änderungen vorgenommen wurden. Das war eine wichtige Lektion für mich.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Diesen Beitrag teilen: