Capital Group: Wie Wasserrisiken Unternehmensgewinne gefährden können

40 Prozent weniger Süßwasser wird es nach Angaben der UN bis zum Jahr 2030 auf der Welt geben. Gleichzeitig nehme die Zahl und Intensität von Dürren zu. Das könne gesamte Geschäftsmodelle zerstören, warnt Emma Doner, ESG Senior Manager bei Capital Group.

08.06.2022 | 11:43 Uhr

„Der Klimawandel zwingt Anleger, zwei neue Risikoarten zu prüfen: Das Übergangsrisiko, also die Kosten des Übergangs zu kohlenstoffarmen Betriebsabläufen, und das physische Risiko, also etwa die Kosten zunehmender Dürren und knappen Frischwassers“, sagt Doner.

Wasserstress sei dabei eines der ausgeprägtesten physischen Risiken des Klimawandels, das Anleger berücksichtigen sollten: Dürren und Wasserknappheit seien außerordentliche Ereignisse, die nachweislich die Produktion schnell stoppen oder auch zu einem Abbruch von Projekten in der Spätphase führen könnten. „In wasserintensiven Branchen kann ein Verständnis dafür, wie Unternehmen ihre Wasserversorgung verwalten, ein entscheidender Faktor sein, um ihre längerfristige Performance vorauszusehen“, so die Expertin.

Halbleiterindustrie besonders betroffen

Die Halbleiterindustrie liefere dafür eine gute Fallstudie. Sie gehöre zu den wasserintensivsten Branchen. Mehrere Produktionsanlagen“, in denen Chips hergestellt werden, seien in der Vergangenheit bereits schweren, langfristigen Dürren ausgesetzt gewesen. „Als Reaktion darauf haben mehrere führende Unternehmen neue Ansätze für das Wassermanagement gefunden, die es ihnen ermöglichen, mehr als 90 Prozent des verwendeten Wassers zu recyceln und die langfristige Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit zu stärken“, weiß Doner.

Das mache sich auch in den Vereinigten Staaten bemerkbar. So hätten einige große Halbleiterunternehmen vergangenes Jahr neue Produktionsstätten in den USA angekündigt, von denen mehrere an einem expandierenden Fertigungszentrum in Arizona angesiedelt sein sollen. Gleichzeitig verschärfe sich jedoch die Trockenheit in Arizona. Im August 2021 etwa habe die US-Bundesregierung erstmals einen Wassermangel am Colorado River, einem der größten Flüsse im Südwesten Nordamerikas, erklärt. „Arizona wird rund 18 Prozent seiner Wasserversorgung verlieren, was in etwa 63 Millionen Kubikmeter entspricht“, prognostiziert Doner. Dieser Betrag entspreche dem jährlichen Gesamtwasserverbrauch der Landeshauptstadt Phoenix oder der jährlichen Wasserentnahme von Intel.

Für Unternehmen werde es daher immer wichtiger, Kompetenzen im Recycling und der effizienten Nutzung von Wasser zu entwickeln. Mit Erfolg: So könne beispielsweise der Branchenprimus Intel mittlerweile 80 bis 90 Prozent des in der Produktion genutzten Wassers recyclen.

Strukturelles Risiko

Trotzdem lasse sich dies aber noch nicht auf alle Branchen übertragen: „Versorger können ihre Wasserrecyclingprogramme beispielsweise nicht ausweiten, um ihr Risiko zu mindern“, so Doner. Diese Unternehmen würden Wasser für Wasserkraft und Kühlung von thermoelektrischer und Kernenergie nutzen.

Ohne Wasser sei keine Wasserkraft möglich und auch der Wasserverbrauch für die Kühlung von Wärme- und Kernkraftwerken sei im Vergleich zu anderen Industriezweigen enorm. „Um sich gegen das Dürrerisiko zu schützen, könnten diese Unternehmen gezwungen sein, ihre Produktionsstätten zu verlagern oder, falls dies nicht möglich ist, ganz auf Wasserkraft und Wärmeenergie zu verzichten“, sagt Doner.

Implikationen für Investoren

Für Investoren sei es daher wichtig, die Ressource Wasser bei ihren Investitionsentscheidungen mitzudenken. „Wie gut Unternehmen auf Wasserkrisen vorbereiten sind, ist ein Indikator dafür, ob sie auch in Zukunft weiterhin effektiv arbeiten und gute Ergebnisse erzielen können“, sagt Doner. Anleger sollten die kurzfristige Attraktivität bestimmter ressourcenintensiver Sektoren überdenken. Denn ohne eine ausreichende Menge an Frischwasser könnte das Wachstum zahlreicher Branchen mittel- bis langfristig nicht mehr attraktiv sein.

Dabei gelte: Zu den am stärksten von Wasserstressrisiken betroffenen Sektoren zählen Versorger, Energie, Chemie, Lebensmittel, Getränke, Hotels, Behälter & Verpackungen, Halbleiter und Baumaterialien. „Unternehmen in vielen dieser Sektoren können möglicherweise das Wasserstressrisiko mindern – und in einigen Fällen sogar eliminieren –, indem sie sicherere Produktionsstandorte auswählen, in Recycling investieren und lokale Frischwasseralternativen einrichten“, sagt Doner.

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