Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. TiAM FundResearch fasst regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.
17.02.2023 | 12:30 Uhr von «Peter Gewalt»
Aktien, Anleihen, Gold - vor dem Hintergrund der Zinsentscheidungen der Notenbanken zuletzt diskutieren die Kapitalmarktexperten in dieser Woche die aktuellen Chancen der verschiedenen Anlageklassen.
So sieht Björn
Jesch, Chefanlagestratege DWS, im Marktausblick Februar 2023 deutlich verbesserte Aussichten für asiatische
Schwellenländer:
Die Börsen sind äußerst optimistisch in
das Jahr 2023 gestartet. Die Frage ist, ob dieser Optimismus dem Realitätscheck
im Laufe des Jahres standhalten kann. „Maßgeblich für die Beantwortung dieser
Frage wird sein, ob es den Zentralbanken – insbesondere der US-Notenbank –
gelingen wird, die Inflation zu zähmen, ohne dass die Wirtschaft in eine
ausgewachsene Rezession schlittert. Das letzte Wort ist hier noch nicht
gesprochen“, sagt Jesch. Zumal die
Märkte in den USA in diesem Jahr noch mit Zinssenkungen rechneten. Jesch: „Hier
dürfte das größte Enttäuschungspotenzial liegen. Wir erwarten für die USA im
Jahr 2023 keine Leitzinssenkung.“
Dank der wirtschaftlichen Wiederbelebung in China hätten sich die Wachstumsaussichten
für die asiatischen Schwellenländer deutlich verbessert. „Wir erwarten, dass
die Unternehmensgewinne dort in den kommenden zwei Jahren doppelt so schnell
wachsen wie im Rest der Welt“, sagt Jesch. Trotz des schon erheblichen
Aufschwungs in den letzten Monaten seien Aktien aus Schwellenländern immer noch
attraktiv.
Philipp
Schweneke, Co-Head europäische Aktien bei der DWS findet europäische Nebenwerte
aussichtsreich:
Die
ersten Wochen des Jahres warenverheißungsvoll – Kursgewinne auf breiter Front.
Die Chancen, dass sich dieser Aufschwung über das Jahr hinweg so ungebremst
fortsetzen wird, sind allerdings eher gering. Ein guter Start in ein Aktienjahr
sagt nichts über dessen weiteren Verlauf aus. Diese vorsichtige Einschätzung
hat maßgeblich mit den Gewinnperspektiven der Unternehmen zu tun. Die
Gewinnspannen haben im Jahr 2022 historische Höchststände erreicht. Viele
Unternehmen haben es geschafft, ihre Margen trotz der gestiegenen Inflation
auszuweiten, weil sie in der Lage waren, ihre Preise entsprechend hochzusetzen.
Dies dürfte sich 2023 nicht wiederholen lassen, die Dynamik bei den
Unternehmens-gewinnen dürfte schwinden. Diese Aussagen treffen primär für die
großen Aktienwerte zu. „Deutlich positiver ist die Situation bei Nebenwerten, insbesondere bei
europäischen“, sagt Philipp Schweneke, Co-Head europäische Aktien. Diese
dürften durch eine weniger defensive Sektorgewichtung, ein
überdurchschnittliches Gewinnwachstum und eine wahrscheinliche Erholung der
Bewertungen angetrieben werden. „Nebenwerte können in Zeiten erhöhter Inflation
die höheren Kosten tendenziell besser weitergeben und haben in der Regel einen
stärkeren Fokus auf den heimischen Markt. Somit können sie besser vom nominalen
Wachstum profitieren“, so Schweneke. Dazu komme, dass ihre
Verschuldungskennzahlen relativ zu Standardwerten besser ausfielen als in der
Vergangenheit und sie deshalb weniger unter den höheren Zinsen litten.
Geir Lode, Leiter des
Bereichs Global Equities bei Federated Hermes Limited bleibt optimistisch:
„Die Anleger können den
Bärenmarkt immer noch im Rückspiegel sehen, aber sie haben ihren Fokus bereits
auf die Zukunft gerichtet. Wir sind der Meinung, dass der Weg dorthin ohne
größere Hindernisse verlaufen wird. Ein ungewöhnlich starker Arbeitsmarkt wird
für eine milde Rezession und starke Aktienmärkte sorgen. In diesem Jahr gab es
eine Rotation von defensiven Gewinnertiteln hin zu Aktien mit höherem Risiko.
Unsere Modelle weisen darauf hin, dass nachhaltige Aktien mit mehrjährigen
Abschlägen gegenüber dem Gesamtmarkt gehandelt werden."
Louise Dudley,
Portfoliomanagerin - Globale Aktien bei Federated Hermes Limited meint:
„Die jüngsten
US-Inflationsdaten dieser Woche untermauern die positiven Aussichten für
US-Aktien im laufenden Jahr. Die positiven Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen
tragen zu der Erwartung bei, dass der US-Markt die Straffung der Geldpolitik
überstehen kann. Wir gehen davon aus, dass die Aktien von Unternehmen mit
geringerer Qualität im Zuge der Rally weiter zulegen werden. Industriewerte
werden profitieren, da die Kosten sinken. Im Technologiebereich verzeichnen
einige der Halbleitertitel eine Bodenbildung bei den Preisen und ziehen daher
diese Marktbereiche aufgrund besserer Erwartungen für das kommende Jahr nach
oben. Die Ergebnisse sind insgesamt schwach ausgefallen, aber angesichts der
makroökonomischen Bedenken war vieles davon bereits eingepreist."
François
Rimeu, Senior Strategist bei La Française AM, analysiert die aktuellen Risiken und
Chancen für die Finanzmärkte:
„Die Rohstoffpreise, insbesondere die
Energiepreise, sind in diesem Jahr von entscheidender Bedeutung. Die Öl- und
Gaspreise sind in den letzten sechs Monaten deutlich gesunken und haben dazu
beigetragen, dass die sehr hohe Inflation des letzten Jahres zurückgegangen
ist. Ein erneuter Anstieg der Energiepreise würde die Arbeit der Zentralbanker
erheblich erschweren und zu allgemein höheren Zinsen führen. Dies würde sich
negativ auf alle festverzinslichen Anlagen und wahrscheinlich auch auf die
Aktienmärkte auswirken.
Die Zentralbanken haben die Finanzierungsbedingungen im Jahr 2022 sehr
schnell gestrafft. Wir wissen, dass es zwischen den Maßnahmen der Zentralbanken
und den Auswirkungen auf die Wirtschaft eine Zeitverzögerung gibt – allerdings
ist die Zeitspanne dieser Verzögerung unterschiedlich lang. Betrachtet man die
letzten Erhebungen, die sowohl vom Fed Reserve Board als auch von der
Europäischen Zentralbank veröffentlicht wurden (Senior Loan Officer und Bank
Lending Survey), so scheint es, dass die Finanzierungsbedingungen bereits sehr
straff sind. Es könnte sein, dass die Zentralbanker demnächst die Geldpolitik
zu sehr straffen, was zu einer Rezession führen könnte. Eine „weiche Landung“
ist historisch gesehen sehr schwer zu erreichen.
Auf lange Sicht sehen wir in risikoarmen festverzinslichen Anlagen derzeit
gute Chancen. Investment-Grade-Papiere rentieren derzeit um die vier Prozent in Euro mit
einer sehr flachen Kurve. 10-jährige Inflation-Swaps liegen derzeit bei 2,40 Prozent,
was eine „reale“ Rendite von 1,6 Prozent bedeutet, die traditionell hoch ist. Da wir
nicht glauben, dass eine hohe Inflation langfristig anhalten wird, könnten
risikoarme festverzinsliche Anlagen unserer Meinung nach ein günstiges
Rendite-Risiko-Verhältnis aufweisen. Dies könnte insbesondere für
Finanzanleihen gelten, wenn man bedenkt, wie solide die Banken seit der Krise
von 2008 geworden sind (CET1-Quote sehr hoch usw.).
Was Klima-Kleber
mit dem robusten Arbeitsmarkt verbindet, erklärt Bernhard Grünäugl, Leiter
Investment Strategy und ESG bei der BayernInvest:
„Auch wenn wir in unserem Basisszenario
weiter davon ausgehen, dass sich rezessive Tendenzen sowohl in den USA als auch
Euroland in den kommenden Quartalen einstellen dürften, empfehlen wir derzeit
eine etwas defensivere Ausrichtung der Anlageportfolios. Aktien scheinen sowohl
im Falle einer schrumpfenden Ökonomie als auch im Falle besserer
konjunktureller Entwicklung anfällig für eine Korrektur. Durationsrisiken
sollten sich zwar mittelfristig auszahlen, kurzfristig bestehen aufgrund der
Makro-Unsicherheit aber erhebliche Schwankungsrisiken. Die Risikoaufschläge von
Euro-denominierten Unternehmensanleihen haben sich seit Jahresbe-ginn zwar
erheblich eingeengt, liegen unseres Erachtens aber noch auf Niveaus, die im
Falle einer milden Re-zession als noch attraktiv zu werten sind. Bei
Euro-IG-Unternehmensanleihen bieten die Klima-Ambitionen der EZB jedoch darüber
hinaus die Chance, von Unterschieden in den Risikoaufschlägen von Emittenten mit
guten und weniger guten Klimakennzahlen (auf Basis des sog. Implied Temperature
Rise-Modells von MSCI ESG) zu profitieren und gleichzeitig eine defensivere
Portfolioausrichtung auch bei Euro-Credits umzusetzen, da dieses Segment auch
im adversen Fall relativ mehr Zentralbank-Unterstützung erfahren dürfte. Wir
können hier also in gewisser Weise von Klima-Kleber gegen Performance-Risse für
das Portfolio sprechen. Und da die Performance-Risse bei anhaltender Stärke des
US-Arbeitsmarkts tendenziell größer werden dürften…. schließt sich der Kreis zum
Titel dieses Newsletters.
Hamed Mustafa, Leiter Institutional Sales Deutschland im Bereich
ETF und Index Investing bei BlackRock, kommentiert die aktuelle Faktor-Sicht von
BlackRock wie folgt:
„Momentum-Aktien,
also Titel im Aufwärtstrend, erzielten im Januar eine unterdurchschnittliche
Performance aufgrund ihres defensiven Profils und vor dem Hintergrund der
Risk-On Rally. Infolgedessen hat sich der Trendwert des Stil-Faktors Momentum
verschlechtert und die Bewertung bleibt angesichts der Abkehr vom teureren
IT-Sektor attraktiv.
Der
Stil-Faktor Quality, bei dem der Fokus auf Papieren qualitativ hochwertiger
Unternehmen mit besonders gesunden Bilanzen liegt, hat im Januar aufgrund eines
negativen Selektionseffekts bei zyklischen Konsumgütern und Industriewerten
underperformt. Quality-Aktien erscheinen weiterhin günstig mit sich
verbesserndem Preistrend.
Value-Aktien,
also Titel mit niedrigen Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnissen, zeigten
im Januar aufgrund der anhaltend hohen Inflation eine leicht
überdurchschnittliche Entwicklung. Aktuell scheinen Value-Aktien günstig mit
sich verbesserndem Preistrend.
Minimum-Volatility-Aktien,
Werte mit relativ geringen Schwankungsbreiten, haben im Januar aufgrund des
Risk-On Umfelds eine unterdurchschnittliche Performance erzielt. Trotz einer
Abschwächung des Preistrends bleiben die Werte stark und die Bewertung günstig.
Size-Aktien,
also Werte von Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung, haben im Januar
am besten performt. Die Konjunktursensitivität half kleineren Unternehmen sich
inmitten besserer Erwartungen an das Wirtschaftswachstum zu erholen. Der
Preistrend hat sich stark verbessert, und die Bewertung bleibt günstig.“
Was die wichtigsten Treiber für den
Goldpreis 2023 sind, analysiert Benjamin Louvet, Manager des OFI Financial Investment Energy Strategic
Metals Fonds bei OFI Asset Management:
„Die führenden Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank Federal
Reserve (Fed), scheinen zwar fest entschlossen, die Inflation weiter zu
bekämpfen. Dies ist jedoch ein Drahtseilakt. Abgesehen vom Problem der
Staatsverschuldung – die Schulden der USA beliefen sich Ende 2021 auf 120
Prozent des Bruttoinlandsprodukts – unterscheidet sich die derzeitige
Inflation erheblich von früheren Formen der Geldentwertung: Mindestens 40
Prozent der Inflation resultiert aus Angebotsengpässen.
Die Zinserhöhungen der Fed und der anderen Zentralbanken verteuern das Geld und
bremsen so die Nachfrage. Die sinkende Nachfrage entschärft zwar den
Angebotsengpass allerdings wohl nur vorübergehend. Tatsächlich müsste die
Nachfrage dazu viel stärker sinken, und dann würde die US-Wirtschaft in eine
Rezession abgleiten.
[…..]
Die Zentralbanken selbst haben in diesem Jahr die umfangreichsten Goldkäufe
seit 1967 getätigt. 2022 erwarben sie netto 1136 Tonnen Gold, was die
jährlichen Rekordkäufe des Jahres 2018 weit (ca. 650 Tonnen) übertrifft. In
einer Umfrage des World Gold Council (WGC) Mitte des vergangenen Jahres gaben
25 Prozent der 56 befragten Zentralbanken an, in den nächsten zwölf Monaten ihre
Allokation in Gold erhöhen zu wollen. Keine einzige Zentralbank plant, ihre
Gold-Allokation zu reduzieren.
Als primären Grund gaben die Zentralbanken an, dass die Realzinsen aus ihrer
Sicht noch lange niedrig bleiben dürften. Der zweite Grund: Gold berge kein
Kontrahentenrisiko – es existiert also keine Gegenpartei, die
ausfallen könnte.
Aufgrund der zu erwartenden stabilen Nachfrage gehen wir davon aus, dass der
Goldpreis im Jahr 2023 wieder auf über 2.000 US-Dollar pro Unze steigen wird,
möglicherweise sogar über den während der Pandemie erreichten Höchststand von
rund 2.070 US-Dollar.“
Nuveen-CIO Saira
Malik Nuveen wirft in seinem wöchentlichen Kommentar einen Blick auf die wachsende
Bedeutung der Nachhaltigkeit für Anleger:
- Die
Bedeutung des Klimawandels für Investitionen hat gerade in den letzten Jahren
exponentiell zugenommen. In den kommenden zehn Jahren erwartet Nuveen, dass die
Volatilität des Klimas einen kaskadenartigen Effekt auf die Weltwirtschaft und
die Märkte haben wird. Die daraus resultierende Energieknappheit und
Ernährungsunsicherheit könnte zu höheren Zinsen führen und sogar die Inflation
befeuern.
- Weltweit
ist Geld in Bewegung, um die Kluft zwischen den derzeitigen Emissions- und
Energiequellen und den Zielen von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft für die
Zukunft zu überbrücken. In den USA werden allein durch den Inflation Reduction
Act 370 Milliarden Dollar in "grüne" Infrastrukturen fließen - einschließlich
zig Milliarden Dollar an Steueranreizen im kommenden Jahrzehnt.
- Die
Gesetzgebung wird grüne Ausgaben fördern und könnte Investoren das Potenzial
für langfristige Chancen bieten. Das Zusammentreffen von Klimawandel,
steigenden Preisen und vorausschauenden Investitionen stellt somit eine starke
Investitionsthese dar.
- Branchen
und Unternehmen, die in umweltfreundliche Ausgaben investieren, sollten von
verbesserten Kapitalkosten profitieren und die mit kohlenstoffintensiven
Anlagen verbundenen finanziellen, rechtlichen und Reputationsrisiken vermeiden.
Daher erscheint es für Anleger sinnvoll, erneuerbare Energien bei ihren
Entscheidungen über die Vermögensallokation zu berücksichtigen.
- Künftig
dürften die steigenden Ausgaben für erneuerbare Energien einen tiefgreifenden
Einfluss auf die Infrastrukturinvestitionen haben. Im Jahr 2021 werden laut der
Internationalen Energieagentur 28 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien stammen. Erneuerbare Energien sind relativ günstig und dürften
bis 2025 zur größten Stromquelle werden und bis 2027 38 Prozent erreichen.
Infrastruktur kann nicht nur eine defensive Positionierung im aktuellen
Wirtschaftsumfeld bieten, sondern auch als langfristige Lösung zur Bewältigung
der Klimavolatilität dienen.
- Des
Weiteren bietet Naturkapital attraktive Möglichkeiten für Investitionen in Holz
und Landwirtschaft. Die Nachfrage nach Holz dürfte sich bis 2024 gegenüber 2020
verdoppeln. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde in den USA zu wenig
gebaut, während gleichzeitig der Wohnungsbestand überalterte; beides sind gute
Voraussetzungen für ein langfristiges Wachstum der Branche. Holzland bietet
nachhaltige Investitionen mit dem Potenzial für wettbewerbsfähige
risikobereinigte Renditen, eine Absicherung gegen Inflation und
Diversifizierungsvorteile
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