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Expertenanalyse: „Gold steht vor dem Ausbruch“

Gold bleibt begehrt
Analyse

Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.

29.09.2023 | 12:15 Uhr von «Peter Gewalt»

So kommentiert Dr. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts:
„Die gesunkenen Verbraucherpreise in Deutschland sind ein Schritt in Richtung Normalität, aber noch kein Sieg über die Inflation. Endlich wieder deutlich unter 5 %. Auch wenn diese Meldung für Erleichterung sorgt, bleiben die Belastungen für die Verbraucher bei der immer noch sehr hohen Teuerungsrate von 4,5 % doch außerordentlich hoch. Und der beliebte Fokus auf die Vorjahresveränderung des Preisniveaus sollte nicht verdecken, dass die Preise gegenüber dem Vormonat August weiter angestiegen sind.
So ist der Inflationsrückgang vor allem dadurch bedingt, dass das Preisniveau im September 2022 aufgrund der damaligen Energiepreissteigerungen und des Auslaufens des 9-Euro-Tickets stark angestiegen war. Aufgrund dieses Effekts fällt der Vorjahresvergleich nunmehr deutlich günstiger aus als noch im August.Rechnet man Energieprodukte und Nahrungsmittel aus dem Warenkorb heraus, sieht das Bild ebenfalls noch recht mau aus. Die sogenannte Kerninflation liegt bei 4,6 %, und sie wird auch in den kommenden Monaten wohl nur langsam zurückgehen.“


Zu dem gleichen Thema meint Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS:
„Wie erwartet hat sich der Anstieg der Lebenshaltungskosten in Deutschland deutlich verlangsamt. Sie stiegen im September nur noch um 4,5 Prozent nach 6,1 Prozent im August. Dies ist vor allem auf Basiseffekte (Auslaufen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts im September 2023) zurückzuführen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Energiepreise damit nur noch um 1,0 Prozent gestiegen, obwohl die Verbraucher im vergangenen Monat für Diesel und Superbenzin wieder tiefer in die Tasche greifen mussten. Auch in den kommenden Monaten werden Basiseffekte für einen Rückgang der Inflationsrate in Richtung 3 bis 3,5 Prozent bis zum Jahresende 2023 sorgen. Wirklich entspannt hat sich die Lage für die Verbraucher aber nicht, denn vor allem die Nahrungsmittelpreise legen immer noch kräftig zu. Im September kletterten sie um 7,5 Prozent, nach 9,0 Prozent im August. Und auch der Anstieg des Ölpreises macht Sorgen, denn auch im Oktober dürften die höheren Preise an der Tankstelle die Verbraucher belasten. Ein Lichtblick ist dagegen, dass die Gaspreise für Privathaushalte inzwischen sogar unter die staatliche Preisebremse gefallen sind. Alles in allem ist es eine gute Nachricht, dass die Inflationsrate erstmals seit Februar 2022 wieder unter 5 Prozent gefallen ist. Bis zum Inflationsziel von 2 Prozent ist es aber noch ein sehr weiter Weg, der in Deutschland wohl nicht vor 2025 erreicht wird."

Quelle: Trading Economics


Olivier de Berranger, CIO bei LFDE, kommentiert mit dem Blick auf die Fed:

„Ohne jegliche Ankündigung neuer Maßnahmen und ohne eine Schock-Formulierung à la Mario Draghi’s „whatever it takes“ zu verwenden, hat der Präsident der US-Notenbank (Fed) am 20. September mit seiner Rede für gehörige Aufregung an den Finanzmärkten gesorgt. US-Aktien verloren über zwei Tage mehr als 2 %, der Nasdaq mehr als 3 % und die Zinsen auf 10-jährige US-Anleihen überstiegen am 22. September die symbolische Schwelle von 4,5 %. Ein Rekord seit Oktober 2007. Was ist geschehen?
Der zentrale Auslöser dieses Tumults waren die wirtschaftlichen Prognosen der Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses. Die Mehrheit der Gouverneure geht bis zum Jahresende von einer weiteren Anhebung der Leitzinsen um 25 Basispunkte aus, womit der obere Wert ihrer Bandbreite bei 5,75 % läge. Gleichzeitig geht die Inflation deutlich zurück. Die Gouverneure rechnen mittlerweile bis Ende 2023 mit 3,7 % beim Referenzindikator der Fed (Core PCE). Dies lässt somit kurzfristige Realzinsen (im Sinne von um die Core PCE-Inflation bereinigten Leitzinsen) von fast 2 % vermuten, die es ebenfalls seit 2007 nicht mehr gegeben hat. Eine Situation, die traurige Erinnerungen weckt. Auch wenn man etwas weiter in die Zukunft blickt, sieht die Lage angesichts der 2023 noch zu erwartenden Zinsanhebung nicht besser aus. Im Gegenteil – es geht in dieselbe Richtung. Die Fed korrigiert ihre Prognosen für die Leitzinsen bis Ende 2024 und für 2025 um 50 Basispunkte nach oben auf 5,1 % bzw. 3,9 % und lässt die Inflationsprognosen praktisch unverändert bei 2,6 % bzw. 2,3 %. Die oben definierten kurzfristigen Realzinsen würden somit bis Ende 2024 auf 2,5 % steigen. All dies deutet auf eine äußerst restriktive Geldpolitik auf längere Sicht hin. Es steht also eine Wende bei den Realzinsen bevor, die günstig für die Inhaber von Anleihen, aber ungünstig für die risikoreichsten Anlagen ist, darunter Aktien, deren Attraktivität schwindet.


Tiffany Wildingund Allison Boxer, beide Ökonominen bei PIMCO, fragen sich, ob eine weiche Landung der US-Wirtschaft möglich sei, obwohl die Historie dagegen spreche:

[….)

„Die Fed bleibt auf die Bekämpfung der Inflation fokussiert: Die Notenbanker signalisierten ihre Absicht, die Zinsen länger als zuvor prognostiziert auf hohem Niveau zu belassen. Damit bekräftigten sie ihre Prognose für die zusätzlich erwartete Zinserhöhung 2023. Gleichzeitig prognostizierten sie für das Ende 2024 einen um 50 Basispunkte höheren Leitzinssatz im Vergleich zu ihrer Vorhersage vom Juni (die neuesten Prognosen gehen von zwei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte nach Erreichen des Höchstzinssatzes aus). Angesichts der Gegenwinde sind wir jedoch der Ansicht, dass die Währungshüter Probleme haben könnten, die zusätzliche Zinserhöhung in diesem Jahr durchzusetzen. Aus demselben Grund könnte es auch dazu kommen, dass die Zinsen im Jahr 2024 schneller sinken werden als von der Fed derzeit prognostiziert.
Obwohl Powell die positiven Entwicklungen sowohl auf der Angebotsseite (infolge der Lockerung pandemiebedingter Beschränkungen) als auch auf dem Arbeitsmarkt hervorhob, lassen die historischen Erfahrungen Zweifel an den Fed-Prognosen für 2024 aufkommen. In der Vergangenheit kündigten Phasen starker Zinserhöhungen, wie wir sie in den letzten Jahren beobachten konnten, selten den Beginn eines anhaltenden Konjunkturaufschwungs an. Eine Analyse von 140 Zinserhöhungsphasen in Industrieländern der letzten 70 Jahre zeigt, dass auf diese Phasen in 75 Prozent der Fälle eine Rezession folgte. Bei Phasen mit bereits hoher Inflation am Beginn steigt dieser Anteil sogar auf 90 Prozent.
Obwohl eine sanfte Landung für die US-Wirtschaft möglich ist, sehen wir immer noch erhöhte Rezessionsrisiken. Die Normalisierung der Lieferketten nach der Pandemie sollte die Inflation weiter dämpfen, doch angespannte Arbeitsmärkte und Löhne, die sich nur langsam ändern und schwer anpassbar sind, könnten ohne einen Produktivitätsschub weiterhin inflationären Druck ausüben. Andere kurzfristige Trends wie die Wiederaufnahme der Zahlung von Studentendarlehen, höhere Benzinpreise und anstehende Einkommenssteuerzahlungen in Kalifornien könnten die sonst robuste Kaufkraft der US-Verbraucher schwächen. Historisch gesehen hat eine längere Phase restriktiver Geldpolitik nur selten (wenn überhaupt) zu etwas anderem als zu steigender Arbeitslosigkeit und einem Konjunkturabschwung geführt. Auch wenn die Geschichte sich nicht immer wiederholt, reimt sie sich oft.


Shamik Dhar, Chefvolkswirt von BNY Mellon Investment Management, erläutert im Wirtschafts- und Anlageausblick für das vierte Quartal, warum die Gefahr einer Rezession in der Europäischen Union und Großbritannien nach wie vor hoch ist. Beide Volkswirtschaften sind mit einem schwachen Wachstum konfrontiert, dessen Auswirkungen durch die Resilienz der Reallöhne weiter verstärkt wird. Dadurch ist die Rhetorik der jeweiligen Zentralbanken falkenhafter als in den USA.
Das von Dhar geleitete Global Economic and Investment Analysis Team (GEIA) ist der Ansicht, dass die Zinssätze weiter steigen werden, als die Märkte derzeit erwarten. Als Ergebnis wird eine Rezession im Jahr 2024 oder, im Falle des Euroraums und des Vereinigten Königreichs, möglicherweise früher erwartet
Das GEIA-Team bezieht die weltweiten Unterschiede in den Zentralbankpolitiken und die global divergierenden Wirtschaftsentwicklungen mit in seine Prognosen ein. Das Team rechnet damit, dass Deutschland drei aufeinander folgende Quartale mit sinkender Produktion erleben wird. Gleichzeitig sieht das Team angesichts der Tatsache, dass die Eurozone nach der Pandemie nicht den gleichen Anstieg der nominalen Nachfrage erlebt hat wie die USA, eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Europäische Zentralbank "zu viel des Guten" tut, wenn sie die Zinsen weiter anhebt.
Großbritannien steht vor einer besonderen Kombination von den Herausforderungen – ein starker Rückgang des effektiven Arbeitsangebots wie in den USA und ein starker Anstieg der Energiepreise wie in der EU. Infolgedessen war der Stagflationsschock im Vereinigten Königreich stärker ausgeprägt. Das Team stellt auch fest, dass sich die Inflationspsychologie im Vereinigten Königreich am weitesten entwickelt hat, sodass die Bank of England vor der schwierigen Aufgabe steht, dem entgegenzuwirken.
In den wichtigsten Anlagekategorien kommt das GEIA-Team zu folgende Einschätzungen:

  • Aktien: Wir stellen fest, dass die Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung in den USA zunimmt. Dadurch sind die langfristigen Aussichten positiv, insbesondere für US-Aktien, die von Innovationen in der KI profitieren.
  • Festverzinsliche Wertpapiere: Durch höhere Renditen entstehen gute Kaufgelegenheiten. Unserer Meinung nach bietet eine Verlängerung der Laufzeiten ein vorteilhaftes Risiko-Ertrags-Verhältnis bis 2024. Angesichts der weiterhin engen Spreads bevorzugen wir Staatsanleihen und hochwertige festverzinsliche Wertpapiere.
  • Alternative Investments: Wir sehen günstige Gelegenheiten für alternative Investments und Real Assets. Historisch gesehen reagieren alternative Anlagen weniger empfindlich auf Wachstumsschwankungen und können daher bei einem Abschwung für zusätzliche Stabilität im Portfolio sorgen.

Quelle: Trading Economics


Ned Naylor-Leyland, Head of Strategy Gold und Silber bei Jupiter Asset Management, äußert sich zu den Aussichten der Edelmetalle:

„Für die weltweiten Zentralbanken ist Gold eine Form des risikofreien Geldes - eine Sichtweise, die die Finanzmärkte derzeit nicht teilen. Die Zentralbanken haben sich in den letzten drei Jahren geradezu in einem Goldrausch befunden. Nach Angaben des World Gold Council erreichten ihre Goldkäufe im Jahr 2022 den höchsten Stand aller Zeiten. Meiner Ansicht nach werden Faktoren wie das Gegenparteirisiko und die Frage nach dem sichersten Verwahrort für ihre Reserven immer wichtiger für die Zentralbanken – und einige von ihnen halten Gold mittlerweile für eine sicherere Wette als US-Dollar oder US-Staatsanleihen (Treasuries).
Saudi-Arabien, China und Japan haben ihre US-Staatsanleihebestände zuletzt reduziert, obwohl China und Japan immer noch die größten ausländischen Käufer von Treasuries sind. Nachdem die Biden-Regierung in Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine Vermögenswerte der russischen Zentralbank in den USA eingefroren hat, bemühen sich einige Gläubigerländer der USA jetzt um eine Verringerung ihrer Abhängigkeit vom US-Dollar und setzen stattdessen auf die einzig wirklich risikofreie Währung – Gold.
Die Finanzmärkte kleben geradezu an den Lippen der Notenbanker, wenn sich diese zur Geldpolitik äußern – ein einziges Wort in einer Fed-Erklärung kann die Märkte von einer Richtung in eine ganz andere schicken. Wie sich die Zentralbanken in Bezug auf ihre Reserven verhalten, wird dagegen vollkommen ignoriert.
Die Märkte sollten diesem Aspekt mehr Beachtung schenken, da der Goldpreis meiner Ansicht nach vor einem Ausbruch steht. Ein Teil des Problems ist, dass die Märkte nur den US-Dollar-Goldpreis im Blick haben. Dabei hat Gold vor kurzem neue Allzeithochs in australischen Dollar, britischen Pfund, Yen, Yuan und Rupien erreicht.
Durch die Geldpolitik der Zentralbanken, die zu einer deutlichen Abwertung der Währungen führte, konnte Gold in den Jahren 2009-2011 in allen Währungen nennenswert zulegen. Weitere Phasen einer starken Performance folgten 2020 und 2022 sowie im Mai 2023. Aktuell notiert Gold unter 2.100 USD/Feinunze, und bis der Goldpreis die Marke von 2.200 USD durchbricht, interessiert sich der Markt nicht für das Edelmetall.
Was könnte einen Ausbruch des USD-Goldpreises auslösen? Alles, was für eine künftige Abwertung des Dollars spricht. Die offensichtlichsten Faktoren wären das Erreichen des Zinshöchststands in den USA oder weitere Kreditereignisse – woran meiner Ansicht nach nichts vorbeiführen wird. Der Goldpreis bewegt sich in der Regel gegenläufig zu den realen Zinsen.
Ich glaube, dass jegliche Anzeichen einer geldpolitischen Lockerung zu einem Ausbruch des Goldpreises führen und die Aufmerksamkeit der Finanzmärkte wieder stärker auf das Edelmetall lenken werden. Die Medien und Momentum-Strategien werden folgen. Und wo Gold hingeht, wird auch Silber folgen.
Das wird Auswirkungen auf die Entdollarisierung haben, ein meiner Ansicht nach wichtiges künftiges Narrativ an den globalen Finanzmärkten. Ein immer größerer Anteil des weltweiten Handels wird in anderen Währungen als US-Dollar abgewickelt – Öl zum Beispiel wird zunehmend in Yuan gehandelt. Die Bereitschaft, Alternativen zum US-Dollar zu erwägen, nimmt eindeutig zu, besonders unter den BRICS-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika).
Die Dollar-Gold-Beziehung ist noch intakt, aber beide streiten seit 50 Jahren um den Status als risikofreies Investment.

Bei einem Ausbruch des Dollar-Goldpreises wäre es damit vorbei. Ich halte Gold für die wahrhaftigste risikofreie Währung, weil es nicht von einer Regierung gedruckt wird. Fragen Sie einfach einen Zentralbanker.“

Quelle: Trading Economics

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