Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, stellt TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.
08.07.2022 | 14:00 Uhr von «Peter Gewalt»
Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu dem wirtschaftlichen Umfeld, dem Finanzmarkt und zu Anlagethemen. Um einen Überblick zu erhalten, stellt TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.
Der konjunkturelle Ausblick angesichts von Energie- und Inflationsproblemen sowie mögliche Anlagechancen nach dem Kurssturz - diese Themen standen diese Woche im Mittelpunkt der Analysen.
So analysiert Dr.
Moritz Krämer, Chefvolkswirt der LBBW, die wirtschaftlichen Aussichten des
Eurozone:
„Vor dem Hintergrund der negativen Entwicklungen der vergangenen Wochen
(Einbruch bei den Gaslieferungen und neue Höchststände bei der Inflation) haben
wir unsere Konjunkturprognosen im Hauptszenario erneut deutlich reduziert und
stehen jetzt nur noch kurz vor der Prognose einer Rezession in Deutschland,
Europa und den USA. Gleichzeitig haben wir die Eintrittswahrscheinlichkeit für
unser Negativszenario wieder auf 40 Prozent erhöht und entsprechend die
Wahrscheinlichkeit für unser Hauptszenario von 60 Prozent auf 50 Prozent
reduziert. Alles in allem bleibt die Belastung für die Konjunktur und für die
Kapitalmärkte sehr hoch. Gerade die nächsten Wochen sind in Bezug auf die
Gaslieferungen entscheidend. Bleibt es "nur" bei reduzierten
Gaslieferungen, oder werden diese dauerhaft und vollständig gestoppt?
Zur Asset Allocation: Wir halten vor dem Hintergrund einer extremen
Unsicherheiten an unserer taktisch vorsichtigen Haltung im Hinblick auf Risikoassets
fest. Die Position Assetklasse "Kasse" empfehlen wir aktuell,
vor dem Hintergrund hoher Unsicherheiten, "überzugewichten".
Axel D. Angermann erklärt als
Chef-Volkswirt der FERI Gruppe, weshalb die Inflation nicht so schnell
verschwindet:
„Nun also müssen die geldpolitisch Verantwortlichen wieder schwierige
Entscheidungen treffen, weil steigende Zinsen zur Inflationsbekämpfung absehbar
negative Folgen für die Gesamtwirtschaft haben. Im aktuellen Umfeld dürfte
diese Entscheidung auch deshalb nicht allzu schwer fallen, weil anhaltend
extrem hohe Inflationsraten langfristig auch der gesamtwirtschaftlichen
Stabilität schaden. Der inhärente Zielkonflikt wird allerdings auf absehbare
Zeit nicht verschwinden, wie jüngst sogar EZB-Chefin Lagarde einräumte.
Dass die Notenbanken einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel vollziehen und
künftig primär das Erreichen des Inflationsziels anstreben, ist allerdings
nicht zu erwarten: Die Fed hatte erst vor knapp zwei Jahren angekündigt, höhere
Inflationsraten zu tolerieren. Mit Blick auf die Finanzierung der hohen Staatsverschuldung
erscheint es mindestens denkbar, dass die Notenbanken nicht an dauerhaft hohen
Zinsen interessiert sind. Auch dies ist einer der Gründe, warum auch nach
Beendigung der derzeitigen Ausnahmesituation mit dauerhaft höheren
Inflationsraten gerechnet werden muss als in den zwanzig Jahren vor der
Corona-Pandemie.“
Dr. Daniel Hartmann Chefvolkswirt Bantleon sieht die Gefahr einer
Rezession in den USA steigen:
„Der nun schon seit über einem Jahr andauernde Abwärtstrend in
diesem wichtigen US-Konjunkturbarometer nimmt damit Fahrt auf und wird sich
gemäß unseren vorauslaufenden Frühindikatoren bis weit ins kommende Jahr hinein
fortsetzen (vgl. Abbildung 6). Zusammen mit den enttäuschenden Konjunkturdaten
in den Vorwochen nehmen wir die Zahlen der vergangenen Tage zum Anlass, unser
bisheriges Risikoszenario neu als Basisszenario zu unterstellen. Entsprechend
sehen wir es nun als wahrscheinlich an, dass die Rezession in den USA schon zum
Jahreswechsel und nicht erst in Q2/2023 beginnt. Im Einklang damit dürfte die
Fed den Zinserhöhungszyklus früher als bislang von uns angenommen beenden, das
heißt vor Ende 2022. Weil der Inflationsdruck jedoch zunächst hoch bleiben
sollte, haben wir unsere Prognose diesbezüglich nur leicht angepasst und
erwarten die letzte Zinsanhebung im November auf 3,25% bis 3,50%. Mit der ersten
Zinssenkung rechnen wir nun ein Quartal früher als bisher, nämlich im 2.
Quartal 2023.“
Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Management, hat die Attraktivität der Asset-Klassen im Blick:
„Angesichts der schweren Verluste
an den Anleihen- und Aktienmärkte sind die Bewertungen jüngst auf ein
niedrigeres Niveau zurückgekommen. Dennoch sind sie noch lange nicht günstig
genug, um die Anleger zu ermutigen, die Fundamentaldaten zu ignorieren. Die
Zentralbanken werden die großen Volkswirtschaften in diesem Jahr nicht in eine
Rezession stürzen, da sie versuchen, die Inflation unter Kontrolle zu halten,
wobei es Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat.
US-Staatsanleihen erscheinen uns besonders attraktiv. Die Fed hat ihren Straffungszyklus zu 60-65 % abgeschlossen. Die Kerninflation in den USA scheint ihren Höchststand erreicht zu haben, was durch den stärkeren US-Dollar begünstigt wird, während die Zinserwartungen des Marktes übertrieben erscheinen. Wir sind bei US-Treasuries übergewichtet. Aufgrund größerer Spreads und erheblicher Rückgänge erscheinen auch US-Hochzinsanleihen sowie europäische Investment-Grade-Anleihen allmählich attraktiv. Die Aussichten für europäische Staatsanleihen sehen im Vergleich dazu schwach aus, da die EZB die sich verschlechternde Inflationsdynamik aufholen muss.
Japanische Aktien dürften von einer besseren Wirtschaftsdynamik, einem geringeren Inflationsrisiko und im Vergleich optimistischeren Verbrauchern profitieren; aufgrund der starken Verluste in diesem Jahr ist der Yen extrem günstig. Trotz der jüngsten Rallye erscheinen chinesische Aktien angesichts des starken Rückenwinds durch die Wiedereröffnung und den unterstützenden politischen Maßnahmen attraktiv bewertet. Wir erhöhen die Gewichtung chinesischer und japanischer Aktien auf Übergewichten. Dagegen untergewichten wir Aktien der Eurozone aufgrund der schwachen Wirtschaftslage, insbesondere im Hinblick auf die Risiken der Energieversorgung.
Marc
Seidner, CIO für nicht-traditionelle Strategien bei PIMCO, meint zu den
Anlagemöglichkeiten an den Anleihemärkten:
„Anleihen
entwickeln sich in Rezessionsphasen in der Regel gut und wenn es der Fed gelingt,
die Inflation zu senken, könnte dies ein noch besseres Umfeld für
festverzinsliche Anlagen schaffen.
Einer
der besten Indikatoren für die künftige Rendite von Anleihen ist die
Anfangsrendite. Der sprunghafte Anstieg der Renditen seit Anfang 2022 - die
Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist von ca. 1,63 Prozent auf ca. 3,25
Prozent gestiegen - hat zu beispiellosen Kursverlusten bei bestehenden Anleihen
geführt. Aber er hat gleichzeitig eine bessere Ausgangsbasis für neue
Investitionen geschaffen, sowohl im Hinblick auf potenzielle Erträge als auch
auf Diversifizierungsmerkmale - zwei der Hauptgründe für den Besitz von
Anleihen.
Die
Renditen von Staatsanleihen sind teilweise als Reaktion auf die Erwartung von
Leitzinserhöhungen der Fed gestiegen. Als die Fed am 15. Juni ihren Leitzins um
75 Basispunkte anhob, korrigierten die Beamten ihre Median-Prognosen für diesen Zinssatz auf etwa 3,8 Prozent im nächsten Jahr nach oben.“
Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO
Amundi meint, dass es an der Zeit sei, sich auf qualitativ hochwertige
Bereiche und widerstandsfähige Geschäftsmodelle zu konzentrieren, die die
Margen halten können:
„Staatsanleihen - Der jüngste Ausverkauf macht diese Anlageklasse selektiv
attraktiver, da die verschärfenden Maßnahmen der Zentralbanken nun eingepreist
sind und diese ab einem bestimmten Punkt gezwungen sein könnten, weniger
Maßnahmen zu ergreifen, um eine Rezession oder eine weitere Fragmentierung zu
vermeiden. Die aktuellen Niveaus werden auch für Investoren wie Versicherer und
Pensionsfonds attraktiver, was den potenziellen weiteren Anstieg der Renditen
begrenzen könnte.
Wir sind optimistischer als zuvor
und nähern uns der Neutralität bei der Duration in den USA und in Kerneuropa,
bleiben aber insgesamt flexibel. Die Duration ist ein Maß für die
Zinssensitivität von Anleihen. Bei den Euro-Peripherieanleihen bleiben wir
neutral und beobachten die Fragmentierungsrisiken genau.“
Unternehmensanleihen - Wir halten es für sinnvoll, sich auf qualitativ hochwertigere Unternehmensanleihen zu verlegen und generell im gesamten Spektrum der Unternehmensanleihen (Investment Grade Rating – also gute Bonität – und Hochzins-Anleihen) selektiver vorzugehen, da aus unserer Sicht Bedenken hinsichtlich der Erträge bestehen. Unsere regionale Präferenz für US-Investment Grade-Anleihen bleibt jedoch angesichts der starken Konsum- und Arbeitsmärkte in den USA, die zu einem besseren Wirtschaftswachstum beitragen dürften, bestehen.“
Aktien - Wir bleiben insgesamt wachsam, und da in Europa weitere Gewinnrückgänge nicht vollständig eingepreist sind, sind wir aufgrund des Gegenwinds durch die hohe Inflation, die die Konsumnachfrage dämpfen könnte, vorsichtig. Den USA hingegen dürfte es relativ gesehen besser ergehen, und wir halten an unserer Präferenz für die USA fest. Was den Anlagestil betrifft, so halten wir die weniger zyklischen Bereiche der Aktien für interessant, d.h. Value-, Qualitäts- und dividendenorientierte Titel. Unternehmen mit starken Bilanzen und einer starken Preissetzungsmacht sowie der Fähigkeit, steigende Kosten an die Verbraucher weiterzugeben und die Gewinnspannen zu erhalten, dürften sich unserer Meinung nach gut entwickeln.“
Vor zu viel Optimismus warnt weiter François Rimeu, Marktstratege bei
La Française AM:
„Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass die
Wachstumsprognosen mittelfristig weiter sinken werden, was zu niedrigeren
Gewinnschätzungen für die Unternehmen führen dürfte. Diesen Unternehmen wird es
schwer fallen, teureren Finanzierungen, Margendruck und reduziertem Konsum
entgegenzuwirken, deren Preiselastizität zunehmen dürfte. Der Rückgang
risikoreicher Anlagen spiegelt jetzt die Verschärfung der Finanzbedingungen
wider, doch ist der Gewinnrückgang noch nicht eingepreist. Unserer Meinung nach scheint es trotz bereits deutlicher Rückgänge noch
zu früh, Anleihen oder Aktien positiv zu bewerten. Nachlassender
Inflationsdruck scheint uns die wichtigste Voraussetzung für eine
Stabilisierung der Finanzmärkte zu sein. Angesichts der Faktoren, die für diese
Inflation ausschlaggebend sind, ist es derzeit äußerst schwierig, eine
fundierte Meinung zu bilden.“
Auch Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, erwartet
noch viel Gegenwind für Investoren:
„Kurzfristig könnten sich ‚Risky
Assets‘ erholen, da viel Negatives eingepreist ist (beispielsweise eine
milde Rezession) und deshalb bei teilweise günstigen Bewertungen Raum für
positive Überraschungen besteht. Die langfristigen Zinsen dürften
konsolidieren. Mittelfristig verbleibt aber wegen dem Bilanzabbau der
US-Notenbank Fed ein von vielen Marktteilnehmern unterschätzter
Belastungsfaktor. Ein potenzielle Markterholung in den kommenden Wochen werten
wir deshalb nach wie vor als ‚Ruhe vor dem Sturm‘.
Die Fed hat ihre Geldpolitik
überraschend weiter verschärft und den geplanten Bilanzabbau bekräftigt.
Mittelfristig könnte sich dies als eine zu restriktive Geldpolitik erweisen und
einen so genannten ‚policy mistake‘ darstellen. Zwar wird die EZB ab Ende Juli
ebenfalls die Leitzinsen erhöhen, bleibt aber wesentlich weniger restriktiv als
die Fed. China und Japan lockern ihre Geldpolitik dagegen weiter und wirken
damit nicht nur konjunkturell, sondern auch geldpolitisch global ausgleichend.
Zudem hat die EZB ein ‚Anti-Fragmentierungs-Tool‘ angekündigt. Damit will sie
verhindern, dass die Zinsen in den Euro-Peripheriestaaten weiter ansteigen.
Bereits die Ankündigung dieses Plans hat zu einer Beruhigung bei den
langfristigen Zinsen in Italien und Spanien geführt. Dies belegt vorerst eine
hohe Wirksamkeit. Die über diese Methode in Staatsanleihen der
Peripheriestaaten investierten Gelder werden zudem ‚sterilisiert‘. Das heißt,
die EZB verkauft oder emittiert andere Wertpapiere, um die Geldmenge insgesamt
nicht zu erhöhen. Damit dürfte insgesamt ein für den Euro positiver
Einfluss entstehen.“
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