Degroof Petercam AM: Euro-Aktien können kurzfristig outperformen

Aktienanlage

Alles, was einem geordneten Brexit nahekommt, würde ein wichtiges Argument nehmen, warum ausländische Investoren die europäische Region für nicht investierbar halten.

16.10.2019 | 09:37 Uhr

Ein Kommentar von Koen Bosquet, Fondsmanager des DPAM Invest B Equities Euroland

„Aus taktischer Sicht sind Euro-Aktien unbeliebt, insbesondere bei ausländischen Investoren. Die Region wird häufig als eine Wertfalle (‚Value Trap‘) angesehen. Die Bewertungen sehen zunächst attraktiv aus, aber in der Regel enttäuscht das Gewinnwachstum aufgrund von Faktoren, wie Regulierung, politische Instabilität und zurückgehaltene Investitionen.

Kurzfristig können Euro-Aktien dennoch outperformen. Dazu bräuchte es vor allem einen auf der Zielgerade doch noch geregelten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Alles, was einem geordneten Brexit nahekommt, würde ein wichtiges Argument nehmen, warum ausländische Investoren die europäische Region für nicht investierbar halten. Ein weiterer Faktor, der Euro-Aktien Rückenwind geben würde, wäre ein Handelsabkommen zwischen China und den USA. Auch wenn es nur in Teilen zustande käme, würde es wahrscheinlich den verarbeitenden Teil der Weltwirtschaft wiederbeleben, der derzeit jede Erholung behindert.

In diesem Fall würden wir eine globale Rallye von unterbewerteten Titeln erleben. Angesichts ihrer Zusammensetzung würden Euro-Indizes insgesamt eine Outperformance erzielen. Ein gutes Beispiel ist der Automobilsektor. Auf die eine oder andere Weise stehen viele europäische Unternehmen mit der Automobilindustrie in Verbindung. Und auch mit Schwellenländern. Auch hier würde ein Handelsabkommen - zusammen mit einer noch stärkeren Abschwächung des US-Dollars - europäische Aktien unterstützen. Ein weiteres Beispiel sind Banken, die in den Indizes in Europa noch immer ein Schwergewicht bilden. Sie wurden durch verschiedene Faktoren, wie negative Zinsen, starke Regulierung und neue digitale Wettbewerber stark beeinträchtigt. Aber angesichts der Bewertung und des Potenzials, hohe Dividenden zu zahlen, werden einige von ihnen (wie KBC oder ING) kurzfristig eine relativ bessere Performance erzielen.

Längerfristig ist der Case für Euro-Aktien deutlich schwieriger, da einige der strukturellen Gegenwinde erst umgekehrt werden müssten. Außerdem neigen europäische Unternehmen tendenziell stärker dazu, von Disruption betroffen zu sein, anstatt diese selbst auszulösen. Positive Impulse sind hingegen von wieder steigenden Staatsausgaben zu erwarten. Nach Jahren der Sparpolitik gibt es erste Anzeichen für zukünftig höhere öffentliche Ausgaben. Aber die derzeit auf dem Tisch liegenden Budgets sind zu zaghaft, um bedeutende Auswirkungen zu erzielen.

Sparen gilt als charakteristisch für die nordeuropäische Kultur, also wird es Zeit brauchen. Klar ist, dass die Finanzpolitik Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels unterstützen wird. Dies bietet Investitionsmöglichkeiten, da viele europäische Unternehmen sich schon früh mit grüner Technologie beschäftigt haben. Einige der traditionellen Versorger oder sonstigen Energieunternehmen könnten überraschende Gewinner sein.

Große Indizes sind nicht die einzige Möglichkeit, in europäische oder Euro-Aktien zu investieren. Es gibt viele Bereiche des Anlageuniversums, die genau das Gegenteil einer Wertfalle darstellen. Zukunftsorientierte Unternehmen mit globaler Reichweite sind auch in Europa zu finden. SAP (Deutschland) und ASML (Niederlande) sind hier hervorragende Beispiele. Und auch in schwierigen Branchen wie Telekommunikation oder Baustoffe sind wir in der Lage, Outperformer mit dominanter Marktstellung und einem starken Managementteam zu finden – wie zum Beispiel Cellnex (Spanien) oder Kingspan (Irland).

Trotz der vielen Unwägbarkeiten, die es derzeit gibt, ist es sinnvoll, dass sich Anleger taktisch positionieren. Die Annahme, dass der Brexit geordnet stattfindet, könnte in Bezug auf europäische Aktien zu einem signifikanten Performancebeitrag führen – und entsprechend umgekehrt bei einem ungeordneten Brexit.“

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