Capital Group: Europäische Aktien auf Aufholjagd

Der große Sturm ist ausgeblieben: Die politischen Unsicherheiten im Euroraum haben nach den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland nachgelassen. Diese Entwicklung verleiht europäischen Aktien derzeit Rückenwind.Warum es sich lohnt, europäische Aktien wieder stärker in den Fokus zu nehmen.

14.11.2017 | 14:57 Uhr

Der große Sturm ist ausgeblieben: Die politischen Unsicherheiten im Euroraum haben nach den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland nachgelassen. Diese Entwicklung verleiht europäischen Aktien derzeit Rückenwind. Robert Lind, Europa-Volkswirt bei Capital Group, ist der Meinung, dass es sich für Investoren lohnen könnte, europäische Aktien nun wieder stärker in den Fokus zu nehmenund sich vermehrt an Fundamentaldaten zu orientieren. Denn diese könnten europäische Aktien weiterhin stützen – sofern keines der von Lind identifizierten Risiken eintritt. 

Fundamentaldaten könnten Aufschwung der Euroraum-Aktien weiter stärken

Die Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten verläuft derzeit positiv: Der Aktienindex EuroStoxx 50 ist beispielsweise bis Mitte August dieses Jahres um sieben Prozent gestiegen und steht dem Wachstum des S&P 500 im selben Zeitraum nur um zwei Prozentpunkte nach. Zum Vergleich: Im Jahr 2016, als die politische Unsicherheit im Euroraum aufgrund populistischer Töne noch höher war, legte der EuroStoxx 50 um weniger als zwei Prozent zu, der S&P 500 hingegen um zehn Prozent. „Nach massiven Mindererträgen europäischer Aktien gegenüber den USA, könnten europäische Titel US-Papiere sogar hinter sich lassen“, so Lind. „Vorausgesetzt der Aufschwung setzt sich fort.“ Insbesondere die Fundamentaldaten könnten diesen weiter unterstützen. Ein wichtiger Faktor sei, dass sich das Gewinnwachstum der Unternehmen im Euroraum deutlich verbessert hat, was zeigt, dass sich die Konjunktur in Europa erholt hätte. Auch das Verbrauchervertrauen und das Geschäftsklima hätten sich gut entwickelt. Das wirke sich wiederum positiv auf den privaten Verbrauch und die Investitionen aus. „Das annualisierte Wachstum hat im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits mehr als zwei Prozent zugelegt und Frühindikatoren lassen darauf schließen, dass sich die Entwicklung fortsetzen wird“, analysiert Lind. 

Weltwirtschaft, Geld- und Fiskalpolitik sowie politische Schocks sind die größten Risiken

Ein weiteres Anzeichen, das für eine Fortsetzung des Aufschwungs spricht, ist Lind zufolge der Einkaufsmanagerindex. Die fünf größten Volkswirtschaften im Euroraum hätten momentan einen Einkaufsmanagerindex von über 50 Punkten. Dies stehe für Wachstum. Auch für Aktien spiele der Einkaufsmanagerindex eine bedeutende Rolle: „Meist liegt der US-Markt vor dem Euroraum-Markt, wenn der amerikanische ISM-Einkaufsmanagerindex über dem Euroraum-Einkaufsmanagerindex liegt“, so Lind. Im vergangenen Jahr ging der Mehrertrag des US-Marktes allerdings nicht mit einem starken Purchasing Managers Index, kurz PMI, einher. „Dies zeigt, dass die Investoren bei Euroraum-Aktien eine erhebliche politische Risikoprämie verlangten. Mit den jüngsten Kursgewinnen im Euroraum wurde den abnehmenden Risiken bislang aber nur teilweise Rechnung getragen. Es gibt also noch Potenzial nach oben“, sagt Lind. Dennoch bestehen auch weiterhin drei Szenarien, die Einfluss auf die Wertentwicklung nehmen könnten. Hier nennt Lind zunächst die politische Situation in Italien: „Die politische und wirtschaftliche Lage in Italien bleibt schwierig. Insbesondere im Hinblick auf die Wahl 2018 könnten neue Probleme in der Partei um Matteo Renzi und mehr Zuspruch für die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo die Lage verschlechtern“, so Lind. Ebenso könnte ein Abklingen der Weltkonjunktur, dass durch ein schwächeres Wachstum in den USA oder China bedingt wird, einen negativen Einfluss auf europäische Aktien haben. Grund dafür ist, dass ein schwächeres Wachstum zugleich die Unternehmensgewinne im Euroraum dämpfen würde. Auch die Geldpolitik hat Einfluss auf die Entwicklung europäischer Aktien. „Wir können geld- und fiskalpolitische Fehler im Euroraum nicht ausschließen“, so Lind. „Sollten die Geld- oder Fiskalpolitik zu früh gestrafft werden, könnte sich dies negativ auf die Titel im Euroraum auswirken.“

Weitere aktuelle Einschätzungen von Capital Group zu Globalisierung finden Sie im angehängten Paper „Europa holt auf“.

Diesen Beitrag teilen: