AB Aktienausblick: Vertrauen wiedergewinnen trotz großer Umwälzungen

AB Aktienausblick: Vertrauen wiedergewinnen trotz großer Umwälzungen
Aktien

40 Jahre lang haben stetig sinkende Inflationsraten und Zinsen die Aktienerträge beflügelt. Das änderte sich im vergangenen Jahr schlagartig.

13.01.2023 | 12:10 Uhr

Die Anleger müssen sich nun auf ein neues Wirtschafts- und Marktumfeld einstellen, das eine neue Denkweise erfordert, um langfristige Ziele zu erreichen.

Als die Inflation im Jahr 2022 schlagartig zurückkehrte, waren Anleger verständlicherweise beunruhigt. Aggressive Zinserhöhungen der großen Zentralbanken markierten das Ende einer Ära von Nullzinsen. Jetzt wird Geld wieder teuer, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Geschäftsdynamik, die Profitabilität der Unternehmen und die Erträge der Anlageklassen.

Im Jahr 2023 müssen die Anleger beginnen, die ersten Schritte in diese neue Realität zu wagen. Dazu muss man die jüngsten Marktturbulenzen von dem Systemwechsel trennen, der Investitionen in den kommenden Jahren neu definieren könnte. Indem wir uns diesen neuen Bedingungen stellen, können wir beginnen, die strategische Rolle zu bekräftigen, die Aktien als Schlüsselquelle für reale Erträge in der Zukunft spielen sollten.

Kaum Ausweichmöglichkeiten im Jahr 2022

Die Marktbedingungen im Jahr 2022 waren traumatisch: In vielen Regionen fielen die Aktien im Laufe des Jahres um mehr als 20 %. Obwohl sich die Aktien im vierten Quartal wieder etwas erholten, blieb die Unsicherheit bis zum Jahresende bestehen. Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der Aufschwung im vierten Quartal wirklich eine Wende zum Besseren war oder ob es sich um eine Erholungsphase in der Baisse handelte, die abebben könnte, wenn die Volkswirtschaften in eine Rezession abrutschen oder die Gewinne im Gesamtjahr enttäuschen.

Der MSCI World Index fiel im Jahresverlauf in lokaler Währung um 16,0 %, obwohl er im vierten Quartal um 7,5 % zugelegt hatte. US-Aktien wurden besonders hart getroffen, da sie von einem Einbruch der Technologiewerte mitgerissen wurden. Die Schwellenländer wurden durch die Schwäche Chinas in Mitleidenschaft gezogen. Japan blieb von der Inflationsgeißel verschont und beendete das Jahr mit einem nur leichten Minus.

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Alle Sektoren gaben nach, mit Ausnahme des Energiesektors, der von höheren Öl- und Gaspreisen aufgrund des Ausfalls der russischen Lieferungen profitierte. Technologie-, Kommunikations- und zyklische Konsumwerte entwickelten sich unterdurchschnittlich. Substanzwerte und Aktien mit geringer Volatilität schnitten deutlich besser ab als Wachstumsaktien.

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Hohe Inflation, steigende Zinsen und Wachstumssorgen beherrschten 2022 das Geschehen. Die Angst der Anleger wurde auch durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine geschürt, der die globale Stabilität, Europas Energieversorgungssicherheit und die Lieferketten weiterhin bedroht.

Die einzelnen Regionen machten unterschiedliche Erfahrungen. In den USA führte die Federal Reserve den Kampf gegen die Inflation mit mehreren aggressiven Zinserhöhungen an. In Europa wurden die geldpolitischen Anstrengungen zur Inflationsbekämpfung durch die Energiekrise erschwert. In Japan blieben die Inflation ebenso wie die Zinsen niedrig. Chinas Null-Covid-Politik dämpfte die Wirtschaftstätigkeit, bis die Regierung zum Jahresende angesichts der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung begann, die Wirtschaft wieder zu öffnen (was jedoch wiederum zu Problemen führte).

Ein Blick über die jüngsten Turbulenzen hinaus

Wir glauben, dass die extreme Volatilität des letzten Jahres die außerordentliche Unsicherheit über das Ausmaß der Inflation, die Höhe der Zinserhöhungen und die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Unternehmen widerspiegelt. Es ist schwer, sich auf ein fernes Ziel zu konzentrieren, wenn ein wütender Sturm die Sicht verdeckt.

Da die Geldpolitik Zeit braucht, um auf die Wirtschaft durchzuschlagen, sind die kurzfristigen Aussichten noch trübe. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Inflation abschwächt, von sinkenden Frachtkosten bis hin zu rückläufigen Rohstoffpreisen. In den USA hat sich das Wachstum der Einzelhandelsumsätze verlangsamt und der Immobilienmarkt ist abgekühlt. Während der Lohndruck weiterhin hoch ist, glauben wir, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten haben könnte, was die Zentralbanken dazu zwingen könnte, das Tempo der Zinserhöhungen zu verlangsamen, um einen stärkeren Abschwung oder eine Rezession zu vermeiden.

Eine Stabilisierung der Inflation kann den Anlegern helfen, sich wieder auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren. Das wird 2023 von entscheidender Bedeutung sein, wenn sich die Gewinne wieder erholen. Verbraucher und Unternehmen sind immer noch dabei, sich an die sich verändernden Bedingungen anzupassen.

In den letzten Jahrzehnten haben die Unternehmen von einer unterstützenden Geld- und Fiskalpolitik profitiert, die den Konjunkturzyklus verändert hat. Die Anleger haben sich an längere Phasen des Wirtschaftswachstums gewöhnt, die von viel kürzeren Rezessionen unterbrochen werden (Abbildung). Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob sich der Konjunkturzyklus wieder verkürzen wird. Klar ist jedoch, dass höhere Zinsen und der Wegfall der geldpolitischen Unterstützung das Wirtschaftswachstum und die Profitabilität herausfordern werden.

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Trendwende: Die Rückkehr der Inflation

Diese Entwicklungen könnten sich als historisch erweisen. Wir glauben, dass die Markterschütterungen des letzten Jahres wahrscheinlich die Geburtswehen eines neuen Systems widerspiegeln, das durch anhaltend höhere Inflation und Zinsen und potenziell niedrigere Markterträge gekennzeichnet ist. Die Anleger werden überdenken müssen, wie sie ihre Portfolios und Allokationen positionieren, um inflationsbereinigte Erträge zu erwirtschaften.

Doch wie kam es zu dieser Entwicklung?

Seit den 1980er-Jahren waren die Weltwirtschaft und die Märkte durch sinkende Inflationsraten und reale Zinsen gekennzeichnet. Diese Bedingungen wurden durch die demografische Entwicklung, die beschleunigte Globalisierung, den technologischen Fortschritt und die Übernahme von aktionärsfreundlichen Grundsätzen in den entwickelten Märkten bestimmt.

Die zunehmende Integration Chinas in die Weltwirtschaft förderte die Globalisierung der Lieferketten. Unternehmen in aller Welt nutzten Chinas billige Arbeitskräfte und seine Fähigkeiten in der Produktion, was die Herstellung von Gütern in vielen Branchen billiger machte. Die günstige demografische Entwicklung trug dazu bei, dass die Zahl der Arbeitskräfte weltweit auf ein Rekordniveau anstieg. Die technologische Revolution steigerte die Produktivität und führte zu einer sprunghaften Erhöhung der Profitabilität der Unternehmen. Gleichzeitig unterstützten westliche Regierungen und politische Entscheidungsträger zunehmend die Interessen der Aktionäre. Inflation und Zinsen gingen allmählich zurück.

Wenn Katastrophen eintraten, verstärkten die politischen Reaktionen oft diese Trends. So führte beispielsweise das schwache Wachstum in den USA, Europa und Japan nach der globalen Finanzkrise 2008 zu einer quantitativen Lockerung (QE) und extrem niedrigen Zinsen. Dennoch gab es keine Inflation, was den wachsenden Glauben nährte, dass sie für immer besiegt sei.

Pandemiemaßnahmen waren ein Wendepunkt

Diese Überzeugung bestimmte die Politik während der Coronavirus-Pandemie, als die Zentralbanken die Zinsen auf ein sehr niedriges Niveau senkten und die quantitative Lockerung beschleunigten. Die Regierungen schnürten gigantische Steuerpakete, um die Volkswirtschaften über Wasser zu halten.

Diese Zeiten sind vorbei. Wenn die Wirtschaftsgeschichte der Pandemie geschrieben wird, wird sie als Katalysator für Veränderungen angesehen werden, die schon seit Jahren unter der Oberfläche brodelten. Populistische Politik bedrohte bereits die Globalisierung, und die chinesische Erwerbsbevölkerung wurde immer älter. Nun haben massive Kapitalspritzen in die Finanzmärkte und beispiellose Unterbrechungen der Lieferketten den Inflationsdruck auf den Siedepunkt gebracht.

Profitabilität gerät unter Druck

Die sich verändernden inflationären Kräfte wirken sich in vielerlei Hinsicht auf die Profitabilität aus. Globale Lieferketten ermöglichten es den Unternehmen, ihre Lagerbestände zu verringern. Billige Arbeitskräfte trugen zur Kostendämpfung bei, und die Steuern waren niedrig. Auf diese Weise konnten die Unternehmen ihre Gewinnspannen und Erträge steigern – oft ohne solide Geschäftsgrundlagen.

Die Unternehmen werden lernen müssen, ohne diese Unterstützung auszukommen. Es ist zu erwarten, dass die Unternehmenssteuern steigen werden, weil die Deglobalisierung die Unternehmen daran hindert, an den steuerlich günstigsten Standorten zu operieren, und weil sich Initiativen für soziale Fairness durchsetzen. Die Deglobalisierung wird höhere Lagerbestände erfordern, was unseren Recherchen zufolge tendenziell zu niedrigeren Gewinnmargen führt. Die wachsende Macht der Arbeitskräfte lässt vermuten, dass die hohen Lohnkosten nicht so bald sinken werden. Gleichzeitig trägt die Energiewende zu einer Inflation bei, die ebenfalls die Profitabilität schmälern wird. Der Anteil der US-Unternehmensgewinne am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Juni 2022 bei rekordverdächtigen 12,2 %. Das scheint inzwischen nicht mehr haltbar zu sein.

Allerdings gibt es auch starke Gegenkräfte, vor allem in den Bereichen Technologie und Innovation. Robotik, das Internet der Dinge und technologiegestützte Infrastrukturen werden Effizienzsteigerungen ermöglichen und zur Kostenkontrolle beitragen. Innovative Unternehmen, die sich diese Technologien vor ihren Konkurrenten zunutze machen, werden Wettbewerbsvorteile genießen.

Die Märkte haben sich stark verändert

Die Historie ist möglicherweise kein guter Anhaltspunkt für die künftige Entwicklung. Die Märkte von heute sehen ganz anders aus als jene in den inflationären 1970er- und 1980er-Jahren. So hat sich beispielsweise die Gewichtung von Technologiewerten im MSCI World seit 1980 mehr als verdreifacht und macht heute 24 % des Index aus (Abbildung). Viele der heutigen Technologie- und Mediengiganten gab es noch nicht, als wir das letzte Mal mit Inflation konfrontiert waren, sodass wir nicht wissen, wie sich ihre Geschäfte entwickeln werden. Die Dominanz der Energieunternehmen in den Aktienindizes hat abgenommen. So wie die Macht der führenden Unternehmen von gestern geschwunden ist, glauben wir, dass die Gewinner von morgen aus gänzlich anderen Bereichen kommen werden.

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Passive Portfolios könnten in diesem Umfeld beeinträchtigt sein, was unserer Meinung nach zu einer differenzierteren Wertentwicklung innerhalb der Anlageklassen führen wird. Wir glauben, dass diese Bedingungen hervorragend für erfahrene aktive Investmentmanager geeignet sind, die wissen, wie man Unternehmen mit den richtigen Geschäftsmodellen findet, um unter neuen wirtschaftlichen Bedingungen zu gedeihen.

Neben dem wirtschaftlichen Umfeld gibt es eine Vielzahl exogener Risiken. Von der Geopolitik bis hin zu Kryptowährungen und Liquiditätsproblemen gibt es eine Vielzahl von Stolpersteinen, die selbst den besten Anlageplan über den Haufen werfen könnten.

Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Identifizierung von Unternehmen mit qualitativ hochwertigen Geschäftsmodellen dazu beitragen kann, Portfolios langfristig widerstandsfähig zu machen. Merkmale wie Preissetzungsmacht, Wettbewerbsvorteile, Innovation und Managementfähigkeiten kennzeichnen jene Unternehmen, die den durch Inflation und höhere Zinsen verursachten Gegenwind für die Profitabilität überwinden können. Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren und deren Vermögen nicht an den kurzfristigen Konjunkturzyklus gebunden sind oder technologische Lösungen für die strukturelle Inflation anbieten, werden unserer Ansicht nach ebenfalls florieren.

Aktien sind für inflationsbereinigte Erträge unerlässlich

Warum aber sollten Anleger angesichts höherer Inflation, geringeren Wachstums und höherer Volatilität überhaupt noch Aktien besitzen wollen? Schließlich machen höhere Zinsen auch festverzinsliche Anlagen attraktiver. Und selbst wenn sich die Inflation im Bereich von 3 % bis 4 % einpendelt, werden die Hürden für positive reale Erträge höher sein.

Unsere Antwort lautet: Anleger brauchen Aktienerträge, um die Inflation zu überwinden. In der Vergangenheit haben sich Aktien in Zeiten moderater Inflation gut entwickelt. Solange sich die derzeitigen extremen Inflationsniveaus als vorübergehend erweisen, bieten Aktien unserer Meinung nach ein solides Ertragspotenzial. Anlagen mit explizitem Inflationsschutz (wie etwa inflationsindizierte Anleihen) werden vielen Anlegern nicht die Erträge bringen, die sie benötigen, um ihre Ziele zu erreichen. Und Aktiengesellschaften, die für ein inflationäres Umfeld gut aufgestellt sind, können Cashflows liefern, die im Laufe der Zeit positive reale Erträge erzielen. Da sich der heutige Markt jedoch so sehr von dem unterscheidet, den wir bei der letzten Inflation erlebt haben, ist ein aktiver Ansatz erforderlich, um Unternehmen mit den richtigen Eigenschaften für den Erfolg zu finden. Die folgenden Leitlinien können Ihnen dabei helfen, den Kurs zu bestimmen:

  1. Aktien sind in der Regel ertragsstabiler. Obwohl das vergangene Jahr den Aktienmärkten einen schweren Schlag versetzt hat, sind wir der Meinung, dass die zugrunde liegenden Bedingungen Aktien zu einer erstklassigen Quelle für Gewinnwachstum in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld machen – und für jede Allokation unerlässlich sind.
  2. Ertragspotenziale lassen sich weltweit realisieren, auch in schwächeren Märkten. Länderspezifische Konjunkturbedingungen sollten nicht über die Allokation globaler Aktien entscheiden. Anleger sollten über den Sitz eines Unternehmens hinausblicken, um die vielversprechendsten Quellen für langfristiges Wachstum zu finden. Selbst in Europa, das mit besonders akuten Herausforderungen zu kämpfen hat, werden ausgewählte Unternehmen von einer günstigen Branchen- und Währungsdynamik profitieren.
  3. Qualität ist wichtig für alle Stilrichtungen. Die spezifischen Merkmale variieren je nach Stil und Portfoliophilosophie. Um jedoch in einem schwierigeren Umfeld ein echtes Ertragspotenzial zu erzielen, ist unserer Meinung nach ein Qualitätsfokus der grundlegende Anker für den Erfolg von Wachstums-, Substanz- und Low-Volatility-Aktienportfolios.

Die Beachtung dieser Leitlinien kann Anlegern helfen, bei unterschiedlichen Risikobereitschaften und Ertragszielen eine langfristige Überzeugung bezüglich Aktien zu gewinnen. Mit mehr Klarheit über die neue Dynamik, mit der Unternehmen und Portfolios konfrontiert sind, können wir neue Wege finden, um scheinbar unüberwindbare Hindernisse in Anlagechancen zu verwandeln.


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