Die Renditestrukturkurvein den USA ist invers geworden.. Die Veröffentlichung guter Konjunkturdaten in der kommenden Woche könnte jedoch zu einer Trendwende am US-Rentenmarkt beitragen.
29.03.2019 | 16:43 Uhr
In
dieser Woche fiel die Rendite zehnjähriger US-Treasuries unter den
Geldmarktzins – die Renditestrukturkurve ist demnach invers geworden. In
der Vergangenheit signalisierte eine inverse Renditestrukturkurve mit
großer Zuverlässigkeit eine Rezession neun bis 18 Monate später. Erhöhte
Rezessionsrisiken in den USA sind für das Jahr 2020 also nicht mehr von
der Hand zu weisen. Die Veröffentlichung guter Konjunkturdaten in der
kommenden Woche könnte jedoch zu einer Trendwende am US-Rentenmarkt
beitragen, sodass ein Anstieg der Rendite zehnjähriger US-Treasuries die
Renditestrukturkurve wieder in einen moderat steilen Bereich
zurückführen könnte.
Zum
Wochenauftakt droht jedoch erst einmal eine negative Überraschung, da
der ISM-Einkaufsmanagerindex (Montag) von der globalen Industrieschwäche
erfasst worden sein dürfte. Dagegen scheint der Dienstleistungssektor
jedoch anhaltend dynamisch zu wachsen: Die Frühindikatoren sprechen für
einen merklichen Anstieg der Einzelhandelsumsätze (Montag), für einen
stabilen ISM-Index des Dienstleistungssektors (Mittwoch) und einen
robusten Arbeitsmarkt (Freitag).
Neben den Rezessionsängsten könnte auch eine Ankündigung des US-Präsidenten Trump zum Renditerückgang bei zehnjährigen US-Treasuries beigetragen haben: Trump möchte Stephen Moore als Gouverneur für die US-Notenbank nominieren, der vehement eine sofortige Leitzinssenkung von 0,5 %-Punkten fordert.
Eurozone: Konjunktur auf Talfahrt
Die
Eurozone befindet sich derzeit in einer konjunkturellen Talfahrt, ohne
erkennbare Anzeichen einer Bodenbildung. Vor allem der Industriesektor
(Einkaufsmanagerindex, Montag) ist schon in einer tiefen Rezession,
während der Dienstleistungssektor (Einkaufsmanagerindex, Mittwoch) noch
einigermaßen stabil wächst. Es dürfte daher düster für die deutschen
Auftragseingänge (Donnerstag) und die deutsche Industrieproduktion
(Freitag) aussehen. Als eine Reaktion auf die schwachen Daten haben wir
schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Wachstumsprognose für die
Eurozone nach unten korrigiert und erwarten nunmehr ein
Wirtschaftswachstum von nur 0,9 % für 2019. Darüber hinaus gibt es nach
wie vor keine Anzeichen für eine steigende Inflationsrate – trotz
merklicher Verbesserung am Arbeitsmarkt (Montag). So dürfte die
Kerninflation (Dienstag) im März bei einem Wert von nur 1,0 % geblieben
sein. Es fällt somit schwer, sich vorzustellen, wann die EZB jemals
wieder den Leitzins anheben kann. Die Finanzmarktakteure erwarten daher
auch erst wieder für April 2023 einen Tagesgeldsatz bei über 0 %.
Die Finanzakteure scheinen langanhaltend negative Zinsen kaum mehr als Stimulanz zu sehen, sondern überwiegend als negativ. Eigentlich wäre eine positive Kursreaktion an den europäischen Aktienmärkten auf die Pressekonferenz der EZB Anfang des Monats zu erwarten gewesen, als EZB-Präsident Draghi eine Lockerung der Geldpolitik ankündigte; die EZB passte ihre „Forward Guidance“ an und verschob den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Leitzinserhöhung auf 2020. Darüber hinaus stellte sie den Banken langfristige Refinanzierungsgeschäfte in Aussicht. Vor allem die Bankaktien reagierten negativ darauf, da die fehlende Perspektive auf ein Ende der Negativzinsen die Profitabilität der Banken stark belastet. Denn ohne ein gesundes Bankensystem gibt es keine effiziente Allokation der Finanzmittel und damit nur ein schwaches Wirtschaftswachstum. Die EZB scheint derzeit schon über einen Kurswechsel zu reflektieren und die Negativzinspolitik zu überdenken. Eine Möglichkeit wäre, dass die Geschäftsbanken nur für einen geringen Teil ihrer Einlagen bei der EZB den Negativzins bezahlen müssen. Damit würde die Profitabilität der Banken gestärkt, ohne eine Änderung des allgemeinen Zinsniveaus zu verursachen.
Brexit: In der zweiten Hälfte der Verlängerung
Auch
diese Woche brachte keinen Durchbruch. In der kommenden Woche möchte
das britische Parlament erneut über die verschiedenen Brexit-Optionen
abstimmen. Sollte es weiterhin zu keiner Einigung kommen, drohen
Neuwahlen.
Japan: Ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen
Der Tankan-Bericht (Montag) sowie die Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch) dürften das Bild einer schwachen Industrie und eines stabil wachsenden Dienstleistungssektors zeichnen. Damit dürfte deutlich werden, dass sich auch Japan den globalen Trends nicht entziehen kann. Spannend ist jedoch vor allem die Lohnentwicklung (Freitag), die sich in den vergangenen Monaten merklich beschleunigte.
China: Große Unsicherheit über Wirtschaftslage
Die
Einkaufsmanagerindizes in China (Sonntag und Montag) schwächten sich im
Jahresverlauf 2018 und zu Beginn 2019 merklich ab. Die chinesische
Wirtschaft befindet sich somit in einer konjunkturellen Schwächephase,
die auch einen merklichen Rückgang der Importe zur Folge hatte. Nach
Expertenschätzungen könnten die Importe von 670 Mrd. USD im dritten
Quartal 2018 auf nur noch 580 Mrd. USD im ersten Quartal 2019 gefallen
sein – ein Rückgang, den vor allem die deutsche Wirtschaft zu spüren
bekommen hat. Immerhin mehren sich die Anzeichen für eine Annäherung der
USA und China im Handelskonflikt. Die Chancen auf eine baldige Einigung
scheinen Medienberichten zufolge gut zu stehen. Die Frage ist nur, ob
Deutschland davon wie in der Vergangenheit profitieren kann. Eine
Einigung im Handelsstreit verbunden mit einer Selbstverpflichtung
Chinas, mehr US-Güter und Dienstleistungen zu kaufen, könnte nämlich
bedeuten, dass die chinesische Importnachfrage von Europa in die USA
umgelenkt würde. Aufgrund des hohen Leistungsbilanzüberschusses hätte
Deutschland auch keine guten Argumente dagegen. Es ist schon
interessant, dass in diesem Zusammenhang derzeit nahezu alle nationalen
und internationalen Ökonomen mehr staatliche Ausgaben in Deutschland für
Militär, Infrastruktur, Bildung sowie Forschung & Entwicklung
fordern, sodass Deutschland weniger abhängig vom Wachstumsbeitrag der
Exporte wird. Selten gab es so viel Einigkeit unter den Ökonomen.
Werfen Wohnimmobilien mittelfristig tatsächlich einen höheren Ertrag ab als Aktien?
In
einer einflussreichen Studie (Jorda et al. (2017): The Rate of Return
on Everything, 1870-2015, NBER Working Paper) zeigten die Autoren, dass
eine Investition in Wohnimmobilien und deren Vermietung zwischen 1870
und 2015 einen durchschnittlichen realen Ertrag von 6,6 % p.a. gebracht
hätte (Durchschnitt über 16 Länder). Über denselben Zeitraum
erwirtschafteten Aktien nur einen realen Ertrag von 4,6 % bei einer mehr
als doppelt so hohen Volatilität.
Überraschend hohe mittelfristige Erträge bei Wohnimmobilien
Durchschnitt 16 Länder, 1870–2015
Quelle: Jorda et al. (2017): The Rate of Return on Everything, 1870-2015, NBER Working Paper
Das Ergebnis ist insofern überraschend, als das unternehmerische Risiko, das mit einer Investition in Aktien übernommen wird, merklich größer ist und eigentlich mit einem langfristig höheren Ertrag entlohnt werden müsste. Darüber hinaus argumentiert der Investmentdirektor der Yale Universität David Swensen in seinen Büchern gut nachvollziehbar, dass der erwartete Ertrag einer Wohnimmobilie zwischen Aktien und Anleihen liegen sollte. So entspricht die monatliche Miete dem „sicheren“ Kupon einer Anleihe, während der zukünftige Verkaufspreis der Wohnimmobilie dem „unsicheren“ zukünftigen Aktienkurs entspricht.
Ein
genauer Blick auf das überraschende Ergebnis ist also angebracht. Die
Studie zeigt, dass historisch etwa die Hälfte des Ertrags einer
Investition in Wohnimmobilien durch Mieteinnahmen erzielt wurde und die
andere Hälfte durch Preissteigerungen. Anhand von Daten aus den
Niederlanden lässt sich zeigen, wo das Problem der Berechnungen liegt:
Der Index zur Berechnung der realen Preissteigerungen tendierte von 1870
bis etwa 1985 seitwärts und verdreifachte sich dann von etwa 1985 bis
2015. Die Autoren haben in ihrer Studie unterschiedliche
Immobilienpreisstatistiken miteinander verknüpft, was den Preisindex
verzerrt haben könnte.
Reale Wohnimmobilienpreise, 1870–2010
Durchschnitt 16 Länder, indexiert, 1990 = 100
Quelle: Jorda et al. (2017): The Rate of Return on Everything, 1870-2015, NBER Working Paper
Eine andere Studie (Ambrose et al. (2011): House Prices and Fundamentals: 355 Years of Evidence, Working Paper) kommt aufgrund eines längeren Betrachtungszeitraums zu einem anderen Ergebnis. Die Autoren untersuchten einen Datensatz, der alle Transaktionen von Wohnungen auf der Herengracht umfasst, einem der zentralen Kanäle in Amsterdam. Die Herengracht wurde zwischen 1585 und 1660 erbaut. Bis 1680 wurden die meisten Grundstücke am Kanal erschlossen, und seit 1616 bis heute ist die Herengracht eine der renommiertesten Adressen in Amsterdam. Die Autoren konnten also die Preisentwicklung derselben Immobilien in derselben immer besten Lage über die Jahrhunderte hinweg verfolgen.
Entwicklung der realen Wohnimmobilienpreise von 1650–2005 in der Herengracht, Amsterdam
Indexiert, 1650 = 100
Quelle: Ambrose et al. (2011): House Prices and Fundamentals: 355 Years of Evidence, Working Paper
Von
1650 bis 2005 tendierten interessanterweise die realen (um die
Inflation bereinigten) Immobilienpreise mehr oder weniger seitwärts.
Dabei gab es immer wie-
der
lange Phasen der Über- und Untertreibung. Es könnte daher eine
sinnvolle Annahme sein, dass die realen Preise für Wohnimmobilien
langfristig nicht steigen, sondern nur die Mieteinnahmen einen realen
Ertrag bringen. Damit würde sich der eingangs erwähnte historische reale
Ertrag von 6,6 % auf 3,3 % p. a. halbieren und damit genau zwischen
Aktien mit 4,6 % p. a. und Anleihen mit 1,9 % p. a. liegen.
Im Gegensatz zum plötzlichen und einmaligen realen Preissprung bei Wohnimmobilien in der ersten Studie verzeichnet beispielsweise der reale Ertrag einer Investition in US-Aktien seit 1802 einen stabilen langfristigen Aufwärtstrend, der aber auch durch Über- und Untertreibungen gekennzeichnet ist. Der fehlende langfristige Aufwärtstrend der realen Wohnimmobilienpreise spricht daher eher für das Ergebnis der zweiten Studie.
Langfristige (reale) Ertragsentwicklung von Finanzanlagen in den USA
Realer Gesamtertrag von US-Aktien, Anleihen, Geldmarkt, Gold und Bargeld, 1802–2012
Quelle: Jeremy Siegel: Stocks for the Long Run
Aktuelle
Berechnungen der Bundesbank zeigen, dass die Wohnimmobilienpreise in
den großen Metropolen in Deutschland etwa 20 % bis 30 % über dem
fundamental gerechtfertigten Niveau liegen. Gleichzeitig verzeichnet das
Wachstum der Hypothekenkredite keine exzessive Dynamik, sodass das
Risiko einer gefährlichen schuldenfinanzierten Immobilienpreisblase wie
in den USA vor 2008 von der Bundesbank eher als gering eingestuft wird.
Auch in der Herengracht hat nicht jede Übertreibung der Immobilienpreise
in den vergangenen Jahrhunderten automatisch zu einem Crash geführt. Es
gab auch immer wieder Phasen einer Anpassung der Immobilienpreise an
das Konsumentenpreisniveau über Jahrzehnte hinweg. Laut Umfragen der
Bundesbank werden auch derzeit Wohnimmobilien in Deutschland nicht in
der Erwartung stetig steigender Preise gekauft, sodass ein weiteres
Anzeichen einer gefährlichen Spekulationsblase fehlt.
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