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Vergangene Zinssätze und künftiges Wachstum

Vergangene Zinssätze und künftiges Wachstum
Zinsen
Vergangene Zinssätze und künftiges Wachstum
01/2020
Willem H. Buiter
Project Syndicate

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In der Geschichte globaler Zinssätze auf risikofreie Anlagen wurde ein neues Kapitel geschrieben. In einer aktuellen Untersuchung verfolgt Paul Schmelzing von der Bank von England die Entwicklung der globalen realen (inflationsbereinigten) Zinsen für den Zeitraum von 1311 bis 2018.

30.01.2020 | 09:58 Uhr

Er stellt fest, dass die globalen Realzinsen auf sichere Anlagen trotz vorübergehender Stabilisierungen in den Phasen von 1550 bis 1640, 1820 bis 1850 und 1950 bis 1980 während der vergangenen fünf Jahrhunderte im Trend beharrlich gesunken sind und dass negative Realzinsen auf sichere Anlagen seit dem 14. Jahrhundert stetig häufiger geworden sind.

Angesichts dieser historischen Daten stellt Schmelzing die von Lawrence H. Summers von der Universität Harvard und anderen propagierte Hypothese in Frage, wonach die hochentwickelten Volkswirtschaften eine „säkulare Stagnation“ durchmachen. Soweit das Narrativ der säkularen Stagnation „eine Abweichung von der längerfristigen Dynamik während der letzten Jahrzehnte postuliert“, so Schmelzing, sei es „völlig irreführend“.

Allerdings ist eine gewisse Vorsicht gegenüber Schmelzings empirischen Ergebnissen angebracht. Die von ihm aufgeführten Zinssätze auf angeblich sichere Anlagen könnten in Wahrheit gängige Risikoaufschläge enthalten, die im Laufe der Zeit systematisch variieren könnten. Die frühen Inflationsdaten sind vermutlich nicht zuverlässig. Und selbst wenn Schmelzings Daten ein unvoreingenommenes und verlässliches Bild der Entwicklungen bei den Realzinsen seit dem 14. Jahrhundert zeichnen, stehen sie in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit der Plausibilität der Hypothese von der säkularen Stagnation für 2020 und die Folgejahre.

Diese Hypothese besagt, dass der natürliche Realzins – der mit einer vollständigen Auslastung von Arbeitskräften und Kapital, stabiler Inflation und einer nachhaltigen Leistungsbilanz vereinbare Realzins auf sichere Anlagen – für die meisten hochentwickelten Volkswirtschaften auf null oder darunter gefallen sei, wobei ein Grund hierfür ist die sinkende potenzielle Produktionswachstumsrate sei. Das heutige schwache potenzielle Wachstum ist auf eine Reihe unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen, darunter die gesellschaftliche Alterung, die Entglobalisierung (seit der Finanzkrise von 2008) und die möglicherweise langsamere Zunahme der Gesamtfaktorproduktivität. Sowohl der natürliche Zins als auch der Marktzins sind bedingt durch die zunehmende private Sparfreudigkeit (die möglicherweise die demografische Entwicklung, die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit und die Bilanzentschuldung nach 2008 widerspiegelt) gesunken.

Zudem könnten die heutigen Zinsen auf sichere Anlagen durch die höhere Nachfrage nach derartigen Anlagen, die teils aus den Schwellenmärkten kommt und teils durch Änderungen bei der Finanzregulierung und den Normen im Finanzsektor seit der Krise von 2008 bedingt ist, weiter nach unten gedrückt worden sein. Der neutrale Realzins liegt bei oder unter null, die nominalen Leitzinsen liegen auf historisch niedrigem Niveau oder in der Nähe davon (und es sind ihnen häufig durch die Nullgrenze Beschränkungen gesetzt), und die Inflation ist niedrig und scheinbar resistent gegen die Bemühungen der Notenbanken, sie deutlich nach oben zu drücken. Infolgedessen übersteigt der reale Marktzins inzwischen den neutralen Realzins oder wird dies beim nächsten zyklischen Abschwung tun.

Wann immer dieser Abschwung kommt: Er könnte zu einem durch Stagnation geprägtem Gleichgewichtszustand führen, bei dem Wirtschaftsaktivität und realisierte private Spareinlagen im Einklang mit den schwachen privaten Investitionen fallen. Eine schwache Gesamtnachfrage, Wirtschaftsaktivität und Beschäftigungsentwicklung könnten die potenzielle Produktionsleistung weiter schwächen und den neutralen Realzins noch weiter nach unten drücken. In Umkehr des Say’schen Theorems kann der Mangel an effektiver Nachfrage seinen eigenen Mangel an einem potenziellen Angebot herbeiführen. Steigende Vermögenspreise und Spekulationsblasen können die Gesamtnachfrage künstlich in nicht nachhaltiger Weise stützen. Sie werden durch Verleugnung der Risiken und ein verzweifeltes Renditestreben angetrieben, das teilweise daraus herrührt, dass sie die Notenbanken schon so lange auf ultraniedrige Nominal- und Realzinsen, eine quantitative und qualitative Lockerung sowie weit reichende zukunftsgerichtete Hinweise (Forward Guidances) und Maßnahmen zur Steuerung der Renditekurve stützen.

Das Rezept zur Wiederherstellung von Vollbeschäftigung und zur Vermeidung einer zyklischen und säkularen Stagnation ist simpel. Die Regierungen sollten eine expansive Fiskalpolitik und angebotsseitige Strukturreformen nutzen, um die Gesamtnachfrage anzukurbeln und den neutralen Realzins so weit in die Höhe treiben, dass er mit dem Marktzins gleichgesetzt werden kann.

Die Zusammensetzung des idealen Konjunkturpakets unterscheidet sich dabei von Land zu Land. Die USA mit ihrer jämmerlich schlechten Infrastruktur sollten die öffentlichen Investitionen entsprechend steigern (und die US-Bundesregierung und die Regierungen der Einzelstaaten sollten eine umfassende Liste sofort umsetzbarer Projekte bereithalten). Öffentliche Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Forschung und Entwicklung sind ebenfalls empfehlenswert. Was viele andere Länder betrifft, so könnten dort Konjunkturmaßnahmen zur Ankurbelung des privaten Konsums oder Senkungen bei der Körperschaftsteuer angemessen sein. Und die europäischen NATO-Mitglieder könnten ihre Zusagen zur Anhebung der Verteidigungsausgaben auf 2% vom BIP umsetzen.

Natürlich darf man die Auswirkungen von Konjunkturmaßnahmen auf die Staatsverschuldung nicht ignorieren. Doch in den meisten hochentwickelten Volkswirtschaften übersteigt das BIP-Wachstum den Zinssatz auf Staatsanleihen, weshalb gut konzipierten Konjunkturmaßnahmen keine verbindlichen Grenzen durch mangelnde Haushaltsspielräume gesetzt sein dürften. Wir sollten zudem das Potenzial von Arbeitsmarktreformen (insbesondere in Frankreich) und Maßnahmen zur Wiederherstellung des Wettbewerbs in wichtigen Produktmärkten (insbesondere in den USA) nicht unterschätzen. Beide könnten zu einer gesunden Zunahme der privaten Investitionen führen.

Angesichts all der noch immer vorhandenen Möglichkeiten zur Steigerung der Gesamtnachfrage und des natürlichen Zinssatzes ist klar, dass eine säkulare Stagnation keine technologisch bedingte Notwendigkeit ist, sondern vielmehr eine dysfunktionale kollektive Entscheidung. In Wahrheit sind die heutigen Wachstumsherausforderungen nichts im Vergleich zu denen, denen die von Schmelzing untersuchten vormodernen Sparer, Anleger, Arbeiter, Bauern und Kapitalisten ausgesetzt waren.

Natürlich dürfte es interessant sein, künftige Untersuchungen über die auslösenden Faktoren des „suprasäkularen“ Rückgangs der Realzinsen während der vergangenen fünf Jahrhunderte und das Wechselspiel zwischen natürlichem Zins und Marktzins in vorindustriellen Gesellschaften zu lesen. Eine radikalere demografische Erschütterung als der Schwarze Tod, der Mitte des 14. Jahrhunderts Europa und Asien verheerte, ist kaum vorstellbar, und doch scheinen seine Auswirkungen auf die Realzinsen minimal gewesen zu sein. Auf jeden Fall entkräftet bisher nichts in Schmelzings Untersuchung die heutige Hypothese von der säkularen Stagnation.

Willem H. Buiter

Willem H. Buiter war Chefökonom der Citigroup und ist derzeit Gastprofessor an der Columbia University

Copyright: Project Syndicate

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