Metzler: Japan ohne Inflation?

"Ob es der Bank von Japan gelingt, ihr Inflationsziel auf absehbare Zeit zu erreichen, dürfte ein wichtiges Indiz dafür sein, wie erfolgreich die Politik des lockeren Geldes überhaupt sein kann", sagt Edgar Walk, Chefvolkswirt des Metzler Asset Management.

22.05.2015 | 15:39 Uhr

Die japanische Zentralbank verfolgt derzeit eine extrem expansive Ausrichtung der Geldpolitik – was daran ablesbar ist, dass sich die Bilanz der japanischen Zentralbank seit 2012 verdoppelt hat. Von vielen Finanzmarktteilnehmern wird Japan dabei als ein Vorreiter für andere Volkswirtschaften gesehen, da sich die japanische Zentralbank mit ihrem Wertpapierkaufprogramm nahezu am Limit des Möglichen bewegt. Sollte sich trotz der aggressiven Liquiditätsmaßnahmen in Japan die Inflation nicht nennenswert beschleunigen, könnte das auch ein Signal für die Europäische Zentralbank (EZB) sein, dass sie ihr Inflationsziel auf absehbare Zeit nur schwer wird erreichen können.   
Das Ziel der Bank von Japan ist es, die Inflationsrate auf einem Wert von 2 % zu etablieren – mit einer Verbesserung der Finanzierungsbedingungen, Vermögenseffekten und einem psychologischen Effekt auf die Inflationserwartungen. Im April wird die japanische Zentralbank jedoch sehr wahrscheinlich einen schmerzlichen Rückschlag aufgrund eines Rückgangs der Inflation (Freitag) von 2,3 % im März auf nur noch 0,7 % im April erlitten haben. Der Hauptgrund dafür ist eher technischer Natur, da der Effekt der Mehrwertsteuererhöhung vom April vergangenen Jahres auf die Inflationsrate entfällt. Nichtsdestotrotz ist die niedrige Inflation in Japan vor dem Hintergrund überraschend, dass viele traditionelle Inflationsfrühindikatoren eigentlich eine steigende Tendenz signalisieren. So dürfte die Arbeitslosenquote (Freitag) im April mit 3,3 % auf den niedrigsten Stand seit 1997 gefallen sein. Bisher gibt es jedoch trotz Verbesserungen am Arbeitsmarkt keine Anzeichen für eine Erholung der Basislöhne, die schon seit 2009 mehr oder weniger stagnieren. 

Auch ist die gesamtwirtschaftliche Produktionslücke (Output Gap) nach Berechnungen der OECD derzeit geschlossen, sodass es fundamental keinen Abwärtsdruck mehr auf die Preise geben sollte – zumal sich die Konjunkturindikatoren zuletzt merklich verbessert haben: Geschäftsklimaindex (Mittwoch) und Industrieproduktion (Freitag). Eine Konjunkturerholung sollte eigentlich mit steigenden gesamtwirtschaftlichen Auslastungsraten einhergehen. 

Derzeit erscheint folgende Erklärung am wahrscheinlichsten: Die Mehrwertsteuererhöhung, ausgelöst durch die Rezession im vergangenen Jahr, hat den Inflationsprozess in Japan nur temporär unterbrochen, der grundsätzliche Aufwärtstrend der Inflation ist jedoch weiter intakt. Sollte sich die Einschätzung als richtig erweisen, ist 2016 mit einer Inflationsrate von über 1,5 % zu rechnen. Sollte die Inflation 2016 jedoch immer noch unter 1,0 % verharren, wäre dies ein Signal dafür, dass die Geldpolitik der Bank von Japan weitestgehend impotent ist. 

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