Metzler: EZB erwartet schnellen Inflationsanstieg

Die überraschende Inflationsprognose der Europäischen Zentralbank für die Eurozone sieht Edgar Walk, Chefvolkswirt im Metzler Asset Management, als Hinweis darauf, dass die Leitzinsen schon 2017 wieder steigen könnten.

05.06.2015 | 15:50 Uhr

Die EZB überraschte die Finanzmarktteilnehmer auf ihrer Sitzung mit einer Prognose für die Kerninflation von 1,7 % im Jahr 2017. Die Kerninflation berücksichtigt nicht die Entwicklung der Energie- und Lebensmittelpreise und spiegelt damit überwiegend den binnenwirtschaftlichen Preisdruck wider. 

Die Kerninflationsrate wird sich nach den EZB-Prognosen zwischen 2015 und 2017 von 0,8 % auf 1,7 % mehr als verdoppeln, obwohl nur ein Rückgang der Arbeitslosenquote von 11,1 % in diesem Jahr auf 10,0 % im Jahr 2017 erwartet wird. Die EZB scheint vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass ein großer Teil der hohen Arbeitslosigkeit in der Eurozone strukturell bedingt ist und daher keinen dämpfenden Einfluss auf die Lohnentwicklung haben wird. Sofern die Erwartungen der EZB eintreffen, müsste sie den Leitzins eigentlich schon 2017 wieder anheben. 

Der europäische Rentenmarkt reagierte auf die EZB-Prognosen sehr negativ; eine Verlängerung des Wertpapierkaufprogramms über September 2016 hinaus ist sehr unwahrscheinlich geworden, und das Risiko, dass die Leitzinsen früher als erwartet steigen, ist gestiegen. 

Der Renditeanstieg betraf vor allem das lange Ende der Renditestrukturkurve, während die Kurse am kurzen Ende kaum schwankten. Die steilere Renditestrukturkurve bedeutet, dass es für Banken in der Eurozone zunehmend attraktiver wird, wieder Kredite zu vergeben. Damit könnten die in der Eurozone einsetzenden Tendenzen eines Wirtschaftsaufschwungs verstärkt werden. Dass sich die Wirtschaft der Eurozone schon erholt, dürfte die Industrieproduktion in Deutschland (Montag) mit einem Anstieg von etwa 1,0 % und in der Eurozone (Freitag) mit 0,6 % zeigen, jeweils im April gegenüber dem Vormonat März. 

Ein robuster Aufschwung und steigende Inflationsraten bedeuten darüber hinaus, dass die EZB sehr wahrscheinlich das Wertpapierkaufprogramm schon vor September 2016 beenden wird.

Der vollständige Kommentar im pdf-Dokument

Diesen Beitrag teilen: