Metzler: Plan B im Falle eines Brexit notwendig

Im Falle eines Brexits käme Deutschland die Rolle zu, ein größeres Konjunkturpaket auf den Weg zu bringen, um damit größeren Schaden von Europa abzuwenden - so Edgar Walk, Chefvolkswirt des Metzler Asset Management.

13.06.2016 | 08:32 Uhr

Deutschland agiert derzeit aus einer Position der Stärke: Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, die Staatsschulden sinken, und der Staatshaushalt ist ausgeglichen. Damit ist Deutschland eines der wenigen Länder, das in Europa noch wirtschaftspolitisch handlungsfähig ist. Sollte es entgegen allen Erwartungen am 23. Juni zu einem Votum für den Brexit in Großbritannien kommen, droht dort eine schwere Rezession: Das britische Pfund würde aufgrund des exorbitanten Leistungsbilanzdefizits stark abwerten, die Importpreise würden stark steigen, und es drohte ein massiver realer Einkommensverlust der privaten Haushalte. Zweifelsohne würde sich die Rezession auf ganz Europa ausbreiten, da die europäischen Exporte nach Großbritannien stark sinken würden. Eine Rezession träfe Europa zum gegenwärtigen Zeitpunkt hart, da der Aufschwung immer noch fragil ist, das Bankensystem angeschlagen, die Arbeitslosigkeit hoch – und das bei einem Vormarsch des politischen Extremismus. Auch hat die EZB ihre Munition nahezu verschossen und könnte die europäische Wirtschaft kaum noch geldpolitisch nennenswert stimulieren. Vor diesem Hintergrund könnte nur Deutschland mit einem umfassenden Konjunkturpaket größeren Schaden von Europa im Falle eines Brexit abwenden. Es wäre daher sinnvoll, sich hierzulande schon jetzt Gedanken über einen Plan B und über einen großen fiskalischen Stimulus für den Notfall zu machen.   

Selbst wenn der Brexit ausbleiben und sich der Aufschwung in Europa fortsetzen sollte, dürfte die EZB auf Basis unserer Prognosen erst im zweiten Halbjahr 2018 den Leitzins wieder anheben. 

Das anhaltende Niedrigzinsumfeld wird zunehmend zu einer Belastung für die Banken, Versicherungen und für die private Altersvorsorge. Es ist daher dringend erforderlich, dass die Zinsen in der Eurozone bald wieder steigen. Auch hier könnte eine deutliche Erhöhung der deutschen Staatsausgaben für Infrastruktur und Bildung dazu beitragen, dass die Zinsen früher und stärker steigen. 

Unter normalen Umständen sind eine zurückhaltende staatliche Ausgabenpolitik und ein ausgeglichener Staatshaushalt große Errungenschaften, die nicht leichtfertig aufgegeben werden sollten. In außergewöhnlichen Zeiten ist es jedoch sinnvoll, davon abzuweichen, da ein sanierter Staatshaushalt kaum hilft, wenn gleichzeitig das Finanzsystem zunehmend an Überlebensfähigkeit verliert.   

Natürlich könnte die EZB das Programm des Quantitative Easing (QE) frühzeitig beenden und den Leitzins wieder anheben, was einen Anstieg der Zinsen bewirken würde. Das Beispiel Japan zeigt jedoch, dass es sehr schwer ist, frühzeitig ein QE-Programm zu beenden. Die Bank von Japan scheiterte schon zweimal daran, da die japanische Wirtschaft daraufhin jeweils in eine tiefe Rezession gefallen war. Auch das Beispiel USA zeigt, dass die Finanzmärkte und die Wirtschaft nur sehr langsam und vorsichtig von einem QE-Programm entwöhnt werden können.   

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