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Jason Furman: Warum hat fast niemand die Inflation kommen sehen?

Jason Furman: Warum hat fast niemand die Inflation kommen sehen?
Volkswirtschaft
Jason Furman: Warum hat fast niemand die Inflation kommen sehen?
02/2022
Jason Furman
Project Syndicate

@ Feedback an Redaktion

Als 2008 die globale Finanzkrise Volkswirtschaften überall auf der Welt verheerte, stellte die britische Königin Elizabeth II. bei einem Besuch der London School of Economics die berühmte Frage: „Warum hat niemand das kommen sehen?“

24.02.2022 | 08:30 Uhr

Die hohe Inflation des vergangenen Jahres – insbesondere in den USA, wo der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr im Dezember mit 7 % den höchsten Stand seit vier Jahrzehnten erreichte – sollte dieselbe Frage auslösen.

Inflation ist nicht annähernd so schlimm wie eine Finanzkrise, besonders wenn der Preisanstieg mit einer starken Verbesserung der Konjunktur einhergeht. Und während Finanzkrisen per se unvorhersehbar sein mögen, gehören Inflationsprognosen zum Alltag makroökonomischer Modellierung.

Warum also haben fast alle die Inflationsentwicklung in den USA derart falsch eingeschätzt? Eine Umfrage unter 36 Prognostikern des privaten Sektors im Mai ergab für 2021 eine mittlere Inflationserwartung von 2,3 % (gemessen anhand des PCE-Kernpreisindexes, der faktischen Messgröße der US Federal Reserve für die Zielerreichung). Insgesamt sah die Gruppe eine Wahrscheinlichkeit von 0,5 %, dass die Inflation im vergangenen Jahr 4 % übersteigen würde – doch scheinen es gemäß PCE-Kernindex 4,5 % zu sein.

Nicht viel besser erging es dem Offenmarktauschuss der Fed, der für die Festlegung der Leitzinsen verantwortlich ist: Keines seiner 18 Mitglieder erwartete für 2021 eine Inflation von über 2,5 %. Auch die Finanzmärkte scheinen die Entwicklung nicht auf dem Schirm gehabt zu haben: Aus den Anleihekursen lassen sich ähnliche Vorhersagen ableiten. Und dasselbe gilt für den Internationalen Währungsfonds, das Congressional Budget Office, die Regierung von Präsident Joe Biden und selbst viele konservative Ökonomen.

Zum Teil resultierte diese kollektive Fehleinschätzung aus Entwicklungen, die die Prognostiker nicht erwarteten oder erwarten konnten. Fed-Chairman Jerome Powell etwa äußerte wie viele andere auch, dass die Delta-Variante des Coronavirus die Öffnung der Volkswirtschaft verzögert und damit die Inflation in die Höhe getrieben habe. Doch hatten Powell und andere zuvor argumentiert, dass der Anstieg der Inflation im Frühjahr 2021 durch eine angesichts impfbedingt niedrigerer Fallzahlen übermäßig schnelle Öffnung begünstigt worden sei. Dass diese Ausreden beide richtig sind ist unwahrscheinlich. Wie die Pandemie 2020 bewirkte das Aufkommen der Delta-Variante vermutlich, dass die Inflation niedriger ausfiel als das sonst der Fall gewesen wäre.

Eine weitere unvorhergesehene Entwicklung, die angeblich die Inflationsprognosen sprengte, waren Verwerfungen in den Lieferketten. Doch während die Pandemie echte Engpässe in einigen Produktionsnetzen verursacht hat, liegt der Ausstoß der meisten viel höher als im Vorjahr. Sowohl in den USA als auch weltweit sind Industrieproduktion und Transportvolumen steil gestiegen.

Dies bringt uns zu einer wichtigeren Quelle von Prognosefehlern: dass wir unsere wirtschaftlichen Modelle nicht ernst genug nehmen. Prognosen, die auf der Fortschreibung der jüngsten Vergangenheit beruhen, sind fast immer genauso gut oder besser als solche, die auf komplexen Modellen basieren. Doch gibt es dabei freilich eine Ausnahme: wenn wirtschaftliche Einflüsse vorhanden sind, die weit außerhalb der jüngsten Erfahrungen liegen. Die fiskalpolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der US-Wirtschaft 2021 in der außergewöhnlichen Höhe von 2,5 Billionen Dollar etwa – was 11 % vom BIP entspricht – waren viel umfangreicher als alle früheren derartigen Maßnahmen seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ein simples fiskalisches Multiplikatormodell hätte vorhergesagt, dass die durchschnittliche Wirtschaftsleistung in den letzten drei Quartalen des Jahres 2021 um 2-5 % über den vor Beginn der Pandemie abgegebenen Schätzungen des wirtschaftlichen Potenzials liegen würde. Um zu glauben, dass Konjunkturimpulse dieser Größenordnung keine Inflation hervorrufen würden, musste man entweder der Ansicht sein, dass eine derart enorme Anpassung innerhalb weniger Monate möglich ist oder dass die Fiskalpolitik wirkungslos ist und die Gesamtnachfrage nicht erhöht. Beide Annahmen sind nicht plausibel.

Die Wirtschaftsmodelle boten zugleich beträchtlichen Grund zu der Annahme, dass mehrere Faktoren das Potenzial der US-Wirtschaft 2021 verringern würden. Dazu gehörten vorzeitige Todesfälle, ein Rückgang der Einwanderung, unterbliebene Investitionen in Anlagen, die Kosten der Stärkung der Volkswirtschaft gegen COVID-19, ein pandemiebedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben von Teilen der Erwerbsbevölkerung und all die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn man eine zerrissene Wirtschaft rasch wieder aufbaut. Diese Beschränkungen machten es sehr wahrscheinlich, dass die zusätzliche Nachfrage die Inflation weiter in die Höhe treiben würde.

Eine letzte Reihe von Fehlern ergab sich, weil unsere Modelle zentrale Einflüsse oder Interpretationen unberücksichtigt ließen. Soweit Wirtschaftsmodelle herangezogen wurden, verwendeten diese häufig eine Phillips-Kurve, um die Inflation oder auf der Arbeitslosenquote basierende Änderungen der Inflation vorherzusagen. Doch taten sich diese Bezugssysteme schwer, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass aufgrund der COVID-19-Krise die natürliche Arbeitslosenquote (zumindest vorübergehend) gestiegen sein dürfte.

Noch wichtiger ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht die einzige Möglichkeit darstellt, um eine mangelnde wirtschaftliche Auslastung zu messen. Schätzungen aus der Zeit vor der Pandemie zeigen, dass die Rate der Eigenkündigungen und das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen einen besseren Vorhersagewert in Bezug auf die Lohn- und Preisinflation haben. Diese anderen Kennzahlen für die wirtschaftliche Auslastung waren Anfang 2021 bereits angespannt und im Frühjahr dann sehr angespannt.

Im Nachhinein besteht das geistige Modell, dass ich bei der Betrachtung des Jahres 2021 am nützlichsten finde, in der Anwendung fiskalischer Multiplikatoren auf das nominale BIP, um vorherzusagen, welcher Teil der fiskalischen Konjunkturhilfen ausgegeben werden wird, und dann zu versuchen, das reale BIP vorherzusagen, indem man ermittelt, wie hoch die Produktivkapazität der Volkswirtschaft ist. Die Differenz zwischen beiden ist dann die Inflation.

Die Multiplikatoren legten nahe, dass die Gesamtausgaben 2021 deutlich steigen würden, während die Produktionsbeschränkungen nahelegten, dass die Produktionsleistung nicht gleichermaßen stark zunehmen würde. Die Differenz war die unerwartet höhere Inflation.

Was bedeutet das nun für unser Verständnis der Inflationsentwicklung in 2022? Statt bei unseren Prognosen schlicht davon auszugehen, dass die Zukunft der Vergangenheit ähneln wird, müssen wir, wenn wir unsere Modelle ernstnehmen, das hohe Nachfrageniveau, fortdauernde Angebotsbeschränkungen und noch angespanntere Arbeitsmärkte mit stark steigenden Nominallöhnen sowie höhere Inflationserwartungen berücksichtigen. Einige Arten von Inflation, insbesondere bei den Preisen für Waren, werden in diesem Jahr vermutlich zurückgehen, aber andere, darunter Preissteigerungen bei den Dienstleistungen, dürften zunehmen.

Ich erwarte daher für die USA ein weiteres Jahr mit erheblicher Inflation, die womöglich nicht so hoch sein wird wie 2021, aber eventuell im Bereich von 3-4 % liegt. Die wichtigste Lehre des letzten Jahres, was die Prognostik angeht, ist jedoch Demut. Wir alle sollten die Fehlermargen unserer Prognosen deutlich höher anzusetzen und bereit sein, unsere Erwartungen an die sich entfaltende wirtschaftliche Lage anzupassen.

Copyright: Project Syndicate

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