Dr. Markus Elsässer: Q&A: Unternehmensbewertung, Hightech-Giganten, Automobil- und Uranindustrie

Dr. Markus Elsässer: Q&A: Unternehmensbewertung, Hightech-Giganten, Automobil- und Uranindustrie
Value

In vergangenen Videos haben wir Sie dazu ermutigt, Fragen in die Chatfunktion zu stellen und einige ausgewählte Fragen möchte ich Ihnen heute beantworten.

10.09.2021 | 08:42 Uhr

Soll man in Hightech-Giganten wie Alphabet, Apple, Facebook etc. investieren?

Oftmals wird Value-Investoren unterstellt, sie seien altmodisch, nur in alte Industrien investiert und würden die Neuzeit verpassen. Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit Alphabet, Amazon etc., denn ich habe den alten Begriff „Value-Investing“ vor einigen Jahren ausgeweitet und ein eigenes „Modern-Quality-Value-Investing-Modell entwickelt. Zusammen mit meinem Kollegen, Herrn Lars Kolbe, habe ich erkannt, dass alten Value-Kriterien wie beispielsweise ein Kurs-Gewinn-Verhältnis kleiner 10 oder ein Umsatzverhältnis von maximal 1 nicht mehr zeitgemäß ist. Hightech-Giganten haben in der Regel keine Pensionsrückstellungen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen, was einen großen Vorteil darstellt. Ich habe ältere Firmen analysiert, bei denen die Pensionsrückstellungen das Eigenkapital überstiegen haben. Hier gibt es sehr große Unterschiede, die von der Firmenpolitik abhängig sind. Hat die Firma eher höhere Löhne gezahlt, sodass der Mitarbeiter privat für sein Alter sorgen konnte oder wurde ein durchschnittliches Gehalt gezahlt mit dem Versprechen einer üppigen Altersvorsorge? Solche Pensionsrückstellungen sind ein absolutes Pulverfass! Die Berechnungen der Pensionsrückstellungen wurden auf Basis damaliger Sterbetabellen berechnet, allerdings ist die Lebenserwartung signifikant angestiegen. Technologie-Giganten haben in der Regel keine riesigen Pensionsrückstellungen, verdienen jedoch sehr viel Geld und haben große Cash-Bestände. Durch diese sehr gute wirtschaftliche Position sind diese Unternehmen in der Lage, die Talente der Welt einzukaufen. In den nächsten 10 – 15 Jahren wird sich zeigen, ob die Firmen in der Lage sind, dieses hoch qualifizierte Personal zu finden. Wenn Sie Ihr Investment diversifizieren möchten, empfehle ich Ihnen eine Softwarefirma, eine Firma mit künstlicher Intelligenz und so etwas wie moderne Logistik bzw. Cloudgeschäfte. Das würde ich mit klassischen Konsumaktien, industriellen Aktien etc. kombinieren. Ich würde versuchen Value-Aspekte ausfindig zu machen, mich von hohen Kursen nicht stören zu lassen und stattdessen die Position über einen längeren Zeitraum aufzubauen.

Welche Analyseschritte führe ich zur Beurteilung eines Unternehmens durch?

Ich analysiere sehr gründlich, vollkommen eigenständig und mit viel Zeit. Die meisten Investoren sind viel zu ungeduldig und investieren direkt bei Geldmittelzuflüssen, da sie Angst haben, dass Ihnen die Gelegenheit durch die Finger flutscht. Ich möchte lieber wenige Positionen haben, die ich im Laufe der Zeit allerdings richtig groß machen kann. Entsprechend brauche ich ein ganz starkes Vertrauen in die Investmentmöglichkeit und deswegen hasse ich das Wort „Spielgeld“! Oftmals sind sich Investoren bei Anlagemöglichkeiten unsicher, jedoch juckt es Ihnen in den Fingern und sie investieren nur einen kleinen Betrag nach dem Motto: „Wenn es schief geht, ist es ja nicht so schlimm“. Das ist Quatsch, pure Zeitverschwendung und schade um das Geld. Deswegen müssen Sie viel über die Firmen wissen. Ich beginne meistens aus der Marktperspektive. Welche Marktstellung hat die Firma, mag ich die Branche und hat die Firma innerhalb dieser Branche eine Existenzberechtigung oder ist diese mit einer Änderung der Mode oder einer anderen Stimmungslage einfach verpufft. Kann eine neue Erfindung das Angebot der Firma, das Produkt oder die Dienstleistung plötzlich völlig überflüssig machen? Analysieren Sie, ob die Firma existenziell abgesichert und wie das Management aufgebaut ist. Um noch tiefere Einblicke in das Unternehmen zu bekommen, sollten Sie zudem den Geschäftsbericht lesen. Ich lese besonders gerne das Vorwort und die Begrüßung des Vorstandsvorsitzenden/CEO, denn mit der Zeit lernt man zwischen den Zeilen zu lesen und herauszufinden, welche Bedeutung dem Aktionär zugedacht wird. Wird er ganz am Schluss in einem Nebensatz erwähnt oder beschäftigt man sich auch mit dem Aktionär? Dann steige ich in die handwerkliche Analyse ein und schaue mir die Bilanz und die Gewinn-/Verlustrechnung näher an. Verdient die Firma überhaupt Geld oder hängt sie finanziell von Banken ab? Wichtig ist es, dass Sie versuchen, originäre Primärinformationen zu erhalten und von „sekundärem Geschwätz“, bei dem sich einige Leute schon ein Urteil gebildet haben, Abstand zu halten!

Welche Meinung haben Sie zur Automobilindustrie?

Ich mag sehr gerne Industrien, die nicht kapitalintensiv sind und Verbrauchsgüter statt Gebrauchsgüter produzieren. Verbrauchsgüter werden durch den Kunden konsumiert und somit verbraucht. Ist eine Markentreue vorhanden, erfolgt der nächste Umsatz automatisch ohne große Anstrengung der Firma, denn diese muss das Produkt nur im jeweiligen Verkaufskanal bereithalten. Wir Aktionäre geben den Firmen Kapital und wenn diese daraufhin ein sehr profitables Geschäft entwickeln, ist bei nicht kapitalintensiven Firmen der Ertrag auf das recht geringe Kapital groß und wird auch immer größer. Die Automobilindustrie habe ich, abgesehen von Spezialitäten wie der AUDI-Aktie, die wir in unserem Fonds mit sehr großem Gewinn verkaufen konnten, da diese Aktie klassisch unterbewertet war, eher gemieden. Ansonsten ist die Automobilindustrie eher eine schwierige Branche, da zu Beginn eine Entscheidung für ein Modell getroffen werden muss, was einen irre langen Vorlauf und eine große Investition mit sich zieht. Sollte hier etwas schief gehen, beispielsweise dass das Modell nicht den Geschmack der Kundengruppe oder den aktuellen Zeitgeist trifft, entsteht ein riesiges Problem! Von daher profitiere ich lieber von Firmen, die ein Spezial-Produkt zuliefern und von der Automobilindustrie generell profitieren, sodass es mir egal sein kann, ob die Firmen Peugeot, Renault, Citroën oder Volkswagen gerade erfolgreich sind. Des Weiteren sind diese Aktien äußerst zyklisch und volatil. Im Jahr 2008 wären einige Automobilhersteller ohne die staatliche Hilfe bankrottgegangen. Ich investiere hingegen sehr langfristig, daher ist diese Industrie für mich ausgeschlossen. Investieren Sie ganz nach Belieben und ganz nach Ihren Neigungen und lassen Sie sich von niemandem unter Druck setzen! Engagieren Sie sich nur da, wo Sie auch einen Bezug oder Know-how haben. Wenn jemand beispielsweise aus der Automobilindustrie kommt und diese Branche gut überblicken kann, dann ist es völlig in Ordnung, wenn er dort viele Aktien hält. Andersherum ist es auch völlig gerechtfertigt zu sagen, man möchte nicht in einer Firma investiert sein, die in der nächsten Finanzkrise eventuell nur durch Staatshilfe überlebt. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass Sie den persönlichen Zuschnitt ihres Anlageverhaltens respektieren und verteidigen.

Welche Meinung haben Sie zu Uraninvestitionen?

Hier kenne ich mich sehr gut aus, da ich in den 90er-Jahren in Australien direkt an der Front des Uran-Abbaus war. Eines dieser großen Gebiete war in Südaustralien ein Uran-Vorkommen, welches schon in dem umweltfreundlicheren In-situ-leaching-Verfahrens abgebaut wurde. Über Rohre im Boden wird das Uran herausgefiltert und an die Oberfläche gespült. In kleinen Fabrikhallen wurde es zu den sogenannten „Yellow-Cakes“ verarbeitet. Ein sehr großes Problem stellt der enorm lange Zyklus dar! Ist die Inbetriebnahme einer Uran-Mine in 4 Jahren geplant, dann kam es auch schon vor, dass die Mine erst nach 12 Jahren in Betrieb genommen werden konnte. Zusätzlich sind in keiner anderen Branche die Umweltauflagen und Restriktionen so streng wie beim Uran-Abbau. Viele Anleger denken, dass Uran keine Zukunft mehr hat, da viele Atomkraftwerke abgestellt werden. Das ist jedoch völliger Blödsinn, denn in vielen Ländern werden nach wie vor Atomkraftwerke geplant und gebaut. Das A&O ist das Timing in dieser Branche. Es gibt kein klassisches Anlagemodell, welches besagt, dass man einmal kauft und dann die nächsten 20 Jahre langfristig hält. Man muss das Glück haben, im Tief zu kaufen und im Hoch zu verkaufen. Der Kostenpunkt von Uran ist bei der Herstellung von Strom in den Atomkraftwerken ein minimaler Faktor. Uran könnte fast zu jedem Preis gehandelt werden und es würde sich auf die Stromkosten kaum auswirken. Überwiegend sind es Geologen und keine gerissenen Kaufleute, sodass die Einkäufer von den großen Atomkraftwerken am längeren Hebel sitzen und dafür sorgen, dass der Preis nicht zu hoch wird. Die Verhandlungspower, der Uran-Gesellschaft würde ich daher nicht überschätzen! Für den ganzen Aufwand und das Risiko wird Uran viel zu günstig gehandelt!

Welche Rollen spielen Insider-Transaktionen bei Ihnen?

Menschen sind Insider, wenn sie bevorzugt Kenntnisse von der Aktiengesellschaft haben, die noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind. Da eine Aktiengesellschaft im Besitz vieler Aktionäre ist, müssen diese gleichzeitig informiert werden, damit es zu keinem Informationsvorsprung kommt. Es gibt strenge Insiderregeln, damit besagte Insider den Wissensvorsprung nicht missbrauchen. Häufig werden sehr wichtige Börsennachrichten (Quartalsberichte, Fusionsankündigungen etc.) erst nach Börsenschluss bekannt gegeben, sodass jeder Investor genügend Zeit hat die Nachricht zu erhalten, zu verarbeiten und eine Entscheidung zu treffen, bevor die Börse am nächsten Tag wieder öffnet. Rechtsanwälte, Investmentbanker, Finanzvorstände, Vorstand oder Aufsichtsräte können als Insider auftreten. Leider kommt es trotz der strikten Regulierungen immer wieder zu Insider-Missbrauch. In diesen Fällen kann man beobachten, dass der Kurs plötzlich anzieht, niemand so wirklich weiß weswegen und dann kommt eine große Nachricht. Bei Insider-Transaktionen wird bekannt gegeben, ob Insider Aktien des Unternehmens, in dem sie tätig sind, kaufen oder verkaufen. Viele Investoren schrecken auf, wenn sie feststellen, dass beispielsweise der Vorstand seine Aktien im Wert von X Euro verkauft hat. Die Investoren grübeln dann, ob der Vorstand eventuell mehr wissen könnte und ob es sinnvoll ist, selbst zu verkaufen. Ich halte von der Beobachtung dieser Transaktionen in der Regel gar nichts. Erstens ist es so, dass Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder in der Regel gar keine guten privaten Geldanleger sind, denn ihnen fehlt schlichtweg die Zeit dazu. Ich bedauere sehr, dass gerade im deutschsprachigen Raum so wenige Vorstandsmitglieder in der eigenen Firma investiert sind. Ich sehe es sehr gerne, wenn der Vorstand und Aufsichtsrat eigene Ersparnisse in die Firma stecken, denn das ermutigt mich ebenfalls zu investieren. Ein Unternehmen aus Frankreich ist schon lange im Portfolio unseres Fonds enthalten und dort ist der Aufsichtsratsvorsitzende mit über einer Milliarde Euro in Aktien der eigenen Firma investiert. Der Vorstandsvorsitzende hat über 300 Millionen Euro in Aktien dieser besagten Firma investiert. Das sind natürlich schon überzeugende Fakten, aber das sind keine Insider Transaktionen! Wenn dort Aktien im Wert von 1 Millionen Euro verkauft werden, kann das häufig auch sehr private Gründe haben, wie beispielsweise eine Steuerzahlung oder eine private Finanzierung. Kurzfristige Handlungen würde ich daher nicht überbewerten! Insofern interessieren mich Transaktionen eher nicht, sondern eher der Grundsatz, ob besagte Personengruppen ebenfalls investiert sind.

Der Autor Dr. Markus Elsässer ist seit 1998 selbstständiger Investor und Fondsberater sowie Gründer der ME-Fonds, die er seit dem Jahr 2002 betreut. In seinem Buch, im "Des klugen Investors Podcast" und auf seinem YouTube-Channel geht er regelmäßig auf Handwerkszeug zum Value-Investing, psychologische Gefahren beim Investieren und wertvolle Tipps zum Vermögensaufbau ein.

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