Anbieter institutioneller Immobilienfonds prognostizieren für dieses Jahr niedrigere Renditen. Insbesondere bei Bürohäusern und Shoppingcentern befürchten viele Abwertungen. Hoffnungsträger sind dagegen jetzt die Wohnimmobilien. Das zeigt eine Umfrage von Scope Fund Analysis.
06.10.2023 | 07:15 Uhr von «Uli Kühn»
Der Zinsanstieg hat auch die Welt der Immobilienfonds verändert. Institutionelle Immobilienfonds bewegen sich heute in einem Marktumfeld, das deutlich herausfordernder ist als in den vergangenen Jahren. Das macht eine aktuelle Umfrage von Scope Fund Analysis deutlich. Scope befragte 58 Anbieter Offener und Geschlossener Immobilien-Spezial-AIF, die im Immobilienbereich mehr als 400 Milliarden Euro verwalten.
In den vergangenen Jahren trieben vor allem steigende Immobilienpreise die Renditen ihrer Fonds. Das wird sich wohl nicht fortsetzen. „Die Zeit der Aufwertungen in der Breite dürfte vorerst vorbei sein“, erklärt Scope-Analystin Sonja Knorr.
Die Scope-Umfrage zeigt denn auch einen deutlichen Rückgang des Optimismus unter den Immobilienprofis. Etwa die Hälfte der befragten Anbieter Offener oder Geschlossener Immobilienspezialfonds beurteilen ihre Lage in diesem Jahr weiterhin als „gut“ – doch kein einziger Anbieter bezeichnet seine Geschäftslage als „sehr gut“.
Feierlaune ist verflogen
Etwa 15 Prozent der Fondsanbieter schätzen ihre Lage demgegenüber sogar als „unbefriedigend“ oder „schlecht“ ein. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich damit die Branchenstimmung klar verdüstert: Vor einem Jahr beurteilten rund drei Viertel der Anbieter ihre Lage als „sehr gut“ oder „gut“. Kein Anbieter bezeichnete damals seine Lage als „unbefriedigend“ oder „schlecht“.
In welchem Umfang rückläufige Immobilienbewertungen die Performance der Fonds belasten, lasse sich derzeit allerdings noch nicht beziffern, urteilen die Scope-Analysten. Begründung: Auf dem Markt für Gewerbeimmobilien sei das Geschäft praktisch zum Erliegen gekommen. Aufgrund dieser „Transaktionsstarre“ sei die Preisfindung noch nicht abgeschlossen. Mögliche Entwicklungen seien daher in den Bewertungen der Fondsportfolios auch noch nicht abgebildet.
Unbestritten sei jedoch, dass vor allem Immobilien, die während der Höchstpreisphase 2019 bis 2022 gekauft wurden, Risiken aufweisen. Immobilien, die zuvor erworben wurden, seien meist konservativer bewertet. Dieses Bild konnte Scope durch seine Ratings der Offenen Immobilienpublikumsfonds gewinnen.
Andererseits bestünden für die Fonds jetzt jedoch die Chancen, Objekte zu erwerben, bei denen es von der Kapitalseite Druck auf den Voreigentümer gebe. Vielfach könne auch mit reinem Eigenkapital agiert werden, ohne teure Fremdfinanzierungen. Andererseits würden sich die Fonds heute deutlich schwerer tun, bei ihren institutionellen Kunden Kapital einzusammeln. Zum Teil würden bestehende Kapitalzusagen von den Investoren zurückgenommen, während neue Commitments rar seien.
Diese Einschätzung unterstreicht auch eine Umfrage der Immobiliengesellschaft Industria unter institutionellen Anlegern vom April 2023. Danach möchten knapp zwei Drittel der Befragten ihre Immobilienquote in den kommenden 18 Monaten konstant halten. Rund 17 Prozent planen, die Quotezu senken.
Bürohäuser unbeliebt
„Bezogen auf die Nutzungsarten sinkt das Interesse der Investoren derzeit besonders an Büroimmobilien“, berichten die Scope-Analysten. Das nachlassende Interesse sei eine Folge der veränderten Rahmenbedingungen, die zu einem sinkenden Büroflächenbedarf führten. Anbieter von Bestandsfonds sähen sich in diesem Segment denn auch verstärkt mit Rückgabewünschen konfrontiert. Wohnen und Logistik seien zurzeit für die Anleger die interessanteren Investitionsziele.
Trotz der aktuellen Herausforderungen erwartet die Mehrheit der befragten Fondsanbieter im kommenden Jahr eine bessere Geschäftssituation, wobei jedoch die künftige Lage insgesamt weniger gut eingeschätzt wird als in der Vergangenheit. Interessantes Detail: Bei Offenen Immobilien-Spezial-AIF ist die Stimmung schlechter als bei Geschlossenen Fonds. Viele offenen Fonds befürchten offenbar den Abzug von Anlegergeldern.
Häufig drohen zudem Abwertungen, vor allem im Bereich der Büroimmobilien. Bei Büroimmobilien an der Peripherie sowie in B-Lagen sehen die Umfrageteilnehmer fast einstimmig „hohe“ oder sogar „sehr hohe Abwertungsrisiken“. Bei den zweitklassigen Bürohäusern wird es nach Einschätzung der Befragten auch erst spät zu einer Erholung kommen – oder womöglich zu gar keiner. Büros in den „Central Business Districts“ werden jedoch als resilienter eingestuft.
Fonds setzen auf Wohnhäuser
Im Segment Wohnen dagegen werden überwiegend mittlere oder nur geringe Abwertungsrisiken gesehen. Zudem dürften sich die Preise der Wohnimmobilien nach Einschätzung der Immobilienfondsanbieter von möglichen Abwertungen früher erholen als andere Nutzungsarten.
Sowohl Anbieter Offener institutioneller Fonds als auch Geschlossener Publikums- oder Spezial-AIF wollen denn auch Wohnimmobilien verstärkt in den Fokus ihrer Transaktionen nehmen.
Bei Einzelhandelsimmobilien im Bereich der Nahversorgung erwarten die Immobilieninvestoren ebenfalls allenfalls geringe Abwertungen – und wenn überhaupt, dann gefolgt von einer sehr schnellen Erholung. Schlechter wird dagegen die Situation im Bereich Shoppingcenter und High Street Retail beurteilt.
In Bezug auf Shoppingcenter warnen die Fondsmanager vor hohen bis sehr hohen Abwertungsrisiken. Mehr als ein Drittel der Immobilienprofis erwartet auch keine Erholung dieses Segments. Ebenso werden bei High Street Retail überwiegend Abwertungen erwartet. Die Befragten rechnen in dieser Sparte mehrheitlich mit einer späteren Erholung als bei den anderen Nutzungsarten.
Nach turbulenten Jahren bei Hotelimmobilien rangieren diese noch immer im unteren Drittel der Risikoskala. Sie werden mittlerweile aber als besser eingeschätzt als das Wohnsegment. 59 Prozent der Umfrageteilnehmer gehen von einer Erholung des Hotelsegments bis 2025 aus.
Projektentwicklungen gefragt
Der überwiegende Teil der Fonds plane jetzt auch Investments in Projektentwicklungen. Gut die Hälfte der Fonds will dafür einen Portfolioanteil von maximal 20 Prozent reservieren, die restlichen Fonds planen noch höhere Quoten.
Das Interesse an Projektentwicklungen ist nach Einschätzung von Scope auf die zunehmende ESG-Fokussierung der Fonds zurückführen. „Viele sehen die Neubaustandards und die geringeren Verbrauchsdaten derzeit als Lösung für ihre ESG- Strategien“, erklärt Analystin Knorr.
Orientiere man sich jedoch am Gedanken der Kreislaufwirtschaft und bedenke Faktoren wie die Versiegelung des Bodens, so gehörten neue Projektentwicklungen nicht zu den besten Lösungen im ESG-Gesamtkontext. Vielmehr müssten Bestandsimmobilien eine ESG-Ertüchtigung erfahren, was jedoch oft mit höherem Aufwand verbunden sei.
Scope rechnet damit, dass Neubaustrategien besonders im Gewerbeimmobiliensektor künftig schwieriger umsetzbar sein werden. Allerdings könnten sich auch Ankaufsgelegenheiten ergeben – wenn Projektentwickler mit herausfordernder Finanzierung gezwungen seien, günstiger zu verkaufen.
Deutschland liegt vorn
Bei der regionalen Allokation bleibt Deutschland der Lieblingsstandort für geplante Ankäufe Offener Immobilienfonds in den kommenden drei Jahren. Nahezu alle von Scope befragten Asset-Manager wollen für ihre Publikums- oder Spezialfonds deutsche Objekte kaufen. Die Beneluxstaaten sind ebenfalls sehr beliebt. Über die Hälfte der Befragten plant hier Investments. Gefolgt wird diese Region von Skandinavien und Finnland.
An allen genannten Standorten planen deutlich mehr Fonds Käufe als Verkäufe. Unbeliebt sind dagegen Immobilien in der Tschechischen Republik, in Mexiko sowie Mittel- und Südamerika. Auf diesen Märkten sind ausschließlich Verkäufe geplant.
Weniger Fremdkapital
Trotz höherer Zinsen bleibt der Einsatz von Fremdkapital ein wesentlicher Bestandteil der Fondskonstruktion, berichtet Scope. Ziel sei es, damit die Rendite zu optimieren oder Fremdwährungsinvestments abzusichern. Allerdings wird heute offensichtlich mit weniger Fremdkapital gearbeitet als früher.
Rund 27 Prozent der Fonds planen Fremdkapitalquoten zwischen 40 und 50 Prozent, ermittelten die Scope-Analysten. Knapp die Hälfte der Fonds plane niedrigere Finanzierungsquoten, drei Fonds seien sogar als reine Eigenkapitalfonds konzipiert. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte noch rund die Hälfte der von Scope analysierten Fonds eine Finanzierungsquote zwischen 40 und 50 Prozent.
Zwei Drittel der befragten Fonds machten auch Angaben zu ihrer Liquiditätsquote. 20 dieser 33 Fonds gaben an, dass sie vergleichsweise niedrige Liquiditätsquoten von maximal fünf Prozent ansteuern. Nur sieben Fonds planen Liquiditätsquoten zwischen 15 und 20 Prozent.
Niedrigere Renditen
Die Mehrzahl der von Scope befragten institutionellen Immobilienfonds erwartet in diesem Jahr auch niedrigere Renditen. Nur sechs Prozent der Umfrageteilnehmer prognostizieren eine BVI-Rendite zwischen fünf Prozent und sechs Prozent. 36 Prozent gehen dagegen von weniger als drei Prozent aus. Die meisten Asset-Manager erwarten einen Mittelwert von drei bis fünf Prozent Rendite.
Unter den 58 befragten Fonds machten 34 auch Angaben zur Ausschüttungsrendite. Fast zwei Drittel der Fonds erwarten Ausschüttungsrenditen zwischen 3,0 Prozent und 4,5 Prozent. Der Durchschnitt der Fonds liegt bei 3,8 Prozent. Das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr und auch weniger als die erwartete IRR- beziehungsweise BVI-Rendite. „Das zeigt, dass die Fondsmanager eine zusätzliche Wertschöpfungskomponente einplanen – insbesondere Wertzuwächse der Fondsimmobilien“, kommentiert Scope-Analystin Sonja Knorr.
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