ODDO BHF AM: Der Punkt, bis zu dem man zu weit gehen darf

Notenbanken

Die Notenbanken haben zumindest eines ihrer Ziele erreicht: Das von Keynes prophezeite Ende des Sparers ist tatsächlich Realität geworden.

23.10.2019 | 09:17 Uhr

Von Laurent Deniz, Global co-CIO & Global Head of Fixed Income ODDO BHF Asset Management

In den Industrieländern findet sich kein Anlagewert ohne Risiko mehr, der Schutz vor Kapitalerosion bietet. So liegen die realen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen selbst in den USA bei Null. Im letzten Jahrzehnt war dies bereits zweimal der Fall (Juli 2012 und Juli 2016). In beiden Fällen zogen die 10-Jahres-Renditen jedoch innerhalb von zwei Jahren um mehr als 150 Basispunkte an. Aktuell liegen die realen Renditen von US-Staatsanleihen etwa 200 Basispunkte unterhalb der BIP-Wachstumsrate – ein in den letzten 30 Jahren noch nie beobachtetes Phänomen. Seit Einführung der unkonventionellen geldpolitischen Instrumente eignen sich die Realrenditen zugegebenermaßen aber nur noch bedingt als Indikator zur Prognose des realen BIP.

Entweder behalten die Anleiheinvestoren Recht und die US-Wirtschaft gleitet bald in eine Rezession ab, oder aber die Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähig und Anleiheinhaber werden sich mit Verlusten konfrontiert sehen, die genauso kräftig ausfallen wie die in diesem Jahr erzielten Gewinne. Auf beiden Seiten des Atlantiks haben Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 15 Jahren im laufenden Jahr ein Plus von mehr als 25% erzielt, ähnlich wie im Jahr 2014.

Wir sehen die weltweiten Wachstumsperspektiven nach wie vor verhalten optimistisch, da eine ungebrochene Konsumdynamik Schub gibt. Zwar haben die Notenbanken auf die zunehmende Unsicherheit reagiert und dabei der Sicherheit den Vorzug gegeben vor der Rationalität, sprich die Geldpolitik abermals gelockert. Die Anleger haben diese Kurswende jedoch bereits eingepreist und erwarten nun gar eine Ausweitung dieser Maßnahmen.

Diese Erwartung erscheint uns riskant (vor allem in den USA). Dementsprechend betrachten wir ein Engagement in Staatsanleihen mit gewisser Vorsicht. Wir möchten unsere Anleger nicht dazu ermutigen, in Anlagen mit negativen Realzinsen investiert zu bleiben. In 10 oder mehr Jahren wird die nächste Generation vermutlich das mangelnde Urteilsvermögen solcher Anleger belächeln: „Warum nur haben sie in Anlagewerte investiert, bei denen ein Verlust bei Fälligkeit und eine solche Kapitalerosion (Inflation eingerechnet) so gut wie vorprogrammiert war?”

Die von Gordon Gekko gepriesene Gier ist es eher nicht. Bei vielen wohl einfach ein Mangel an Alternativen aufgrund enger regulatorischer Vorgaben. Den Anlegern jedoch, die eine Wahl haben, empfehlen wir eine Reduzierung des Engagements in Staatsanleihen aus den Kernländern und eher eine Positionierung in Anleihen aus Peripherieländern und bonitätsstarken Emittenten.

Ein Versicherungsunternehmen nach dem anderen streicht auf Euro lautende Verträge aus ihrem Angebot. Dieser Trend verdeutlicht (wenn es diesen Beleg noch brauchte), dass es ihnen nicht möglich ist, gleichzeitig Kapitalgarantien zu geben und Rendite zu liefern, ohne ihr Geschäftsmodell zu gefährden.

Wir werden uns dem Abgrund nicht weiter nähern, selbst wenn dies heißt, in unseren Allokationsstrategien zwischenzeitlich eine unterdurchschnittliche Entwicklung in Kauf nehmen zu müssen.

Oder wie Cocteau über die Kühnheit bemerkte: „Man muss wissen, bis zu welchem Punkt man zu weit gehen darf.“

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