In den USA boomen Special Purpose Acquisition Companies (SPACs). Allein im Jahr 2020 haben diese Anlagevehikel über 83 Milliarden USD in den Vereinigten Staaten an Kapital eingesammelt.
07.05.2021 | 08:36 Uhr
In den USA
erfolgten im Jahr 2020 rund 55% der Börsengänge (IPOs) in Form von SPACs. Nun schwappt die SPAC-Welle
nach Deutschland, Frankreich und Europa über.
SPACs sind Zweckgesellschaften, die gegründet
werden, um Firmen zu erwerben und an die Börse zu
bringen. Das folgende aktuelle Beispiel verdeutlicht, wie
ein SPAC funktioniert. Klaus Hommels, der Gründer der
Züricher Investmentgesellschaft Lakestar Advisors, hat
in einem ersten Schritt als Sponsor einen auf euro-
päische Technologiewerte fokussierten SPAC mit Sitz in
Luxemburg aufgelegt. In einem zweiten Schritt wurde
der Lakestar SPAC I an die Börse gebracht. Der
Lakestar SPAC I soll beim Börsengang acht Mal
überzeichnet gewesen sein.
Das Management Team des SPACs um Stefan Winners (CEO) und Inga Schwarting (CIO) verfolgt mögliche Akquisitionsziele im europäischen Technologiesektor mit der Zielsetzung, ein börsenreifes Unternehmen zu übernehmen. Bei der Privatplatzierung wurden 27,5 Millionen Einheiten (Units) zum Preis von EUR 10 ausgegeben, die jeweils aus einer Aktie und 1/3 Optionsschein mit einem Ausübungspreis von EUR 11,50 bestehen. Seit dem 22. Februar 2021 können die ausgegebenen Aktien und Optionen des SPACs separat an der Frankfurter Börse gehandelt werden. Die Erstnotiz der Aktie des Lakestar SPAC I betrug EUR 11,15. Seitdem handelt sie in einem Bereich von EUR 12,02 (bisheriges Hoch am 22.2.2021) und EUR 10,08 (bisheriges Tief am 26.4.2021).
Das Beispiel des Lakestar SPAC I verdeutlicht die
Chancen und Risiken eines SPACs: Investoren
vertrauen einem – möglichst erfahrenen –
Managementteam Kapital an, in der Hoffnung, dass
dieses mit dem leeren Börsenmantel eine attraktive
Akquisition tätigt und nach der Übernahme hilft, den
Wert des Unternehmens zu steigern.
Zum Zeitpunkt des Börsengangs können SPACs keine historischen Umsätze oder Gewinne ausweisen, an denen sich Investoren üblicherweise orientieren. Auch kennen die Investoren zum Zeitpunkt des Börsenganges das Übernahmeziel nicht. Sie kaufen sprichwörtlich „die Katze im Sack“. SPACs werden daher auch als Blankocheck-Unternehmen („blank check companies“) bezeichnet, die in den USA in den 1980er Jahren Bedeutung erlangten und in den 1990er Jahren nach zahlreichen Betrügereien mit dem Penny Stock Reform Act und der SEC Rule 419 strikter reguliert wurden.
In Europa haben erfahrene Unternehmer in den
vergangenen Monaten ihr Interesse an SPACs entdeckt.
Kapital paart sich mit Expertise. Bernard Arnault, der mit
dem Luxusgüterunternehmen LVMH zu einem der
reichsten Männer der Welt aufstieg, arbeitet bei der
Auflage des SPACs Pegasus Acquisition Co. Europe mit
dem früheren UniCredit Chef Jean Pierre Mustier und
dem Ex-Investmentbankchef der Bank of America Diego
De Giorgi zusammen, der seit dem 29. April 2021 an der
Börse in Amsterdam handelt.
Francois Pinault, der mit
Kering und der Marke Gucci zum Milliardär avancierte,
hat sich an dem 345 Millionen schweren SPAC des
früheren Credit Suisse CEOs Tidjane Thiam beteiligt,
der in New York notiert ist. Dem Ex-Commerzbank Chef
Martin Blessing ist zu gratulieren, da er mit der
European FinTech IPO Company 1 (EFIC1) mit
renommierten Partnern einen SPAC lancierte und rund
415 Millionen Euro an Kapital einsammelte. Der SPAC
EFIC1 ist an der Börse in Amsterdam handelbar. Die
Beispiele zeigen, dass SPACs in den vergangenen
Monaten auch vermehrt in Europa Anklang finden.
Während der SPAC-Boom in den USA weit fortgeschritten ist und dort zunehmend Sportler und Prominente als Sponsoren von SPACs auftreten, steht Europa noch am Anfang dieser Entwicklung. In Europa werden SPACs überwiegend von erfahrenen Fachleuten gesponsert und verwaltet.
SPACs ermöglichen es kleineren Unternehmen, Zugang
zu Kapital zu bekommen ohne Kontrolle an Private
Equity Gesellschaften abzugeben oder lange IPO-
Prozesse durchlaufen zu müssen. Aus Sicht eines
Investors sind SPACs interessant, da im Durchschnitt
97% des Kapitals in einem Trust hinterlegt wird und das
Kapital mit Zinsen zurückbezahlt wird, wenn es den
Sponsoren nicht gelingt, nach typischerweise 18 bis 24
Monaten eine Akquisition zu tätigen. Die Frist kann
oftmals verlängert werden. Die Sponsoren erwerben
üblicherweise Optionen zum Zeitpunkt des IPOs
typischerweise zum Kurs von USD 1,50 bei einem Unit-
Preis von USD 10. Dieses Kapital kann genutzt werden,
um Gebühren und Kosten bis zum Börsengang zu
bezahlen.
Auf diese Weise ist das Kapital der Investoren bis zum Börsengang relativ gut geschützt. Schutz bieten Anlegern auch Regelungen, nach denen sie einer Übernahme zustimmen müssen. Verweigern sie ihre Zustimmung, dann erhalten sie ihr eingebrachtes Kapital verzinst zurück. Aus diesem Grund zählen erfahrene Hedgefondsmanager und andere institutionelle Kunden zu den größten Kapitalgebern von SPACs. Beim Börsengang laden die Sponsoren oftmals PIPE (Private Investment in Public Equity) Investoren ein, die weitere Barmittel einbringen, um Anleger auf Wunsch auszubezahlen und das Kapital für die Übernahme zu erhöhen.
Zu den Nachteilen von SPACs zählen die oftmals
überdimensionierten Anreizstrukturen für die Sponsoren.
Diese erwerben üblicherweise 20% des SPACs zu
einem Preis von USD 25.000, während die Anleger
Millionen USD an Kapital in den SPAC einbringen. Die
FT hat im November 2020 auf die hohen Gewinne der
Sponsoren um den früheren Citigroup Investment
Banker Michael Klein hingewiesen, die Clarivate
Analytics mit einem SPAC an die Börse gebracht hatten,
sich dann USD 60 Millionen für eine ursprüngliche
Beteiligung in Höhe von USD 25.000 nach nur zwei
Jahren ausbezahlen ließen und danach immer noch
rund USD 400 Millionen an dem Unternehmen hielten
(Angaben: FT vom 23. November 2020).
Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Gesetzgeber und Regulatoren transparentere und längerfristige Anreizsysteme in Europa für die Sponsoren vorschreiben würden. Hohe Kapital- beteiligungen der Sponsoren sind aus Anlegersicht wünschenswert: Wer langfristig „Skin in the game“ hat, sucht sorgsamer nach später erfolgreichen Investitionsobjekten und entwickelt diese weiter. Eine akademische Studie von Gahng / Ritter / Zhang von März 2021 zeigt, dass SPAC IPO Investoren über eine Beobachtungsperiode von 8 Jahren durchschnittlich attraktive Renditen erzielt haben. Nach dem Merger erzielten Investoren mit Aktien, die aus einem SPAC hervorgehen, jedoch eine gleichgewichtete Rendite von - 15,6% und damit eine um 24,3% schlechtere Rendite als der Gesamtmarkt.1) Auch bei SPACs gilt anscheinend, dass der frühe Vogel den Wurm fängt.
Am 2. Mai 2021 berichtete die Financial Times, dass SPACS gegenüber ihren Höchstständen bereits durchschnittlich zwei Fünftel an Wert verloren haben. Angesichts erster Zeichen für Übertreibungen am SPAC- Markt, insbesondere in den USA, empfehlen wir eine sorgfältige Abwägung der Risiken, u.a. der Risiken einer Verwässerung durch übermäßige Anreize für Sponsoren, und nur in Blankoscheck-Unternehmen mit sehr starkem Wachstumsprofil zu investieren.
Fazit: Auch in Europa werden SPACs zunehmend mit
Private Equity Unternehmen und strategischen Bietern in
einen Bieterwettstreit um Technologieunternehmen,
Fintechs und andere Wachstumswerte treten, die sie an
die Börse bringen wollen. Während in den USA
Übertreibungen zu beobachten sind, ist Europa in einer
frühen Phase, was SPACs betrifft. Neben der Wahl des
Managementteams ist die sorgsame Analyse der
Anreizstrukturen eines SPACs vor einer Investition
entscheidend. Aus Anlegersicht sind hohe Kapitalbe-
teiligungen der Sponsoren, lange Lock-Ups des
Managements über den Börsengang hinaus und eine
verbesserte Transparenz wünschenswert. Die Fehler,
die in den USA mit verfehlten Anreizsystemen gemacht
werden, müssen in Europa nicht zwangsläufig wiederholt
werden.
1) M Gahng, JR Ritter, D Zhang (2021), SPACs (2. März 2021),
abrufbar auf der Website des Social Science Research
Network
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