ODDO BHF CIO View: „China im Fokus – Regulatorische Eingriffe belasten Aktienmärkte“

ODDO BHF CIO View: „China im Fokus – Regulatorische Eingriffe belasten Aktienmärkte“
Marktkommentar

Der chinesische Aktienmarkt hat seit Februar 2021 deutliche Verluste hinnehmen müssen. Am 10. Februar 2021 hatte der CSI 300 Index, der die Entwicklung der in Shanghai und Shenzhen gehandelten A-Aktien misst, auf einem Allzeithoch von 5.807 Punkten geschlossen.

23.08.2021 | 08:32 Uhr

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Bis zum 27. Juli 2021 fiel der Index dann um über 18 Prozent auf das bisherige Jahrestief von 4.751 Punkte zurück. Aktuell liegen die Notierungen 9,1 Prozent unter dem Stand zu Jahresbeginn.

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Ein Blick zurück: Deng Xiaoping, der als Nachfolger Maos von 1979 bis 1997 die Politik in China bestimmte, führte den „Sozialismus mit chinesischen Charakteristika“ ein und begann damit die Öffnung des Landes. Jiang Zemin, der im Jahr 1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und 1993 zum Staatspräsidenten ernannt wurde, führte die wirtschaftlichen Reformen weiter. Er ermöglichte Unternehmern, in die „kommunistische Arbeiterpartei“ aufgenommen zu werden. Er leitete ebenfalls Privatisierungen ein, um die Effizienz der Wirtschaft zu verbessern und Fehlallokationen von Kapital zu verringern. Staatsunternehmen der Telekomindustrie, der Ölindustrie und Banken wurden schrittweise teilprivatisiert und an den lokalen Börsen und in Hongkong und den USA notiert. In die Zeit von Hu Jintao, Generalsekretär ab 2002 und Staatspräsident ab 2003, fällt der lange Aufschwung nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001. Die folgende Dekade brachte mehr als eine Verfünffachung des Pro-Kopf-Einkommens und befreite Hunderte von Millionen Menschen aus der Armut.

Westliche Beobachter übersahen angesichts der wirtschaftlichen Reformen aber oftmals, dass die Öffnungspolitik in China nicht auf eine Liberalisierung nach westlichem Vorbild, sondern auf eine Stärkung der Rolle der kommunistischen Partei infolge zunehmenden Wohlstands zielte. Xi Jinping, der ab 2012 die Macht übernommen hat, gilt als mächtigster Führer seit Mao. Unmittelbar nach der Machtübernahme durch Xi wurde ein internes Parteidokument („Dokument 9“) an die Presse weitergegeben, in dem „westliche Werte“ wie Menschenrechte, Gewaltenteilung, Pressefreiheit, freie Wahlen und eine unabhängige Justiz scharf abgelehnt werden. Widerstand gegen die Politik Xis wird rasch beseitigt. Ren Zhiqiang, der angesichts seines Immobilienvermögens oftmals als „Donald Trump Chinas“ bezeichnet wurde, sitzt nach Kritik an der kommunistischen Partei für lange Zeit im Gefängnis. Bo Xilai, ein möglicher Gegenspieler Xi Jinpings, wurde wegen Bestechung und Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt. Xi hat die digitale Überwachung der Chinesen und die Repressionen gegen Widersacher und Minderheiten wie die Uiguren verschärft. In der Außenpolitik ist der Ton rauer geworden. Die Konflikte um Hongkong, Taiwan und im Südchinesischen Meer nehmen zu. Xi sprach sich wiederholt für die Wiedervereinigung Taiwans mit China aus. Ob er dafür militärische Gewalt anwenden würde, ist fraglich.

In diesem Umfeld machte Jack Ma, einer der Gründer des chinesischen Internetriesen Alibaba und der vermutlich bekannteste Unternehmer Chinas, einen Fehler. Er kritisierte die Behörden, die eine striktere Regulierung der Ant Group planten, als Alibaba das Unternehmen separat im Rahmen eines 34 Milliarden USD-schweren IPOs an die Börse bringen wollte. Das IPO wurde abgesagt und Jack Ma verschwand aus der Öffentlichkeit. Dabei ist Ma ein bedeutender Unternehmer und Alibaba ein Schwergewicht. Das Volumen der von Alibaba verkauften Güter war mit 1.239 Milliarden USD mehr als doppelt so hoch wie das „Gross Merchandise Volume“ (Bruttowarenwert) von Amazon in Höhe von 490 Milliarden USD im Jahr 2020. Der Vorgang verdeutlicht, dass in China die kommunistische Partei stets Vorrang vor privaten Unternehmen hat, gleichgültig wie bedeutsam diese sind. Im April verhängte die chinesische Marktaufsichtsbehörde eine Strafe von 2,8 Milliarden USD gegen Alibaba. Der Vorwurf der Behörden: Alibaba habe seine marktbeherrschende Stellung genutzt und Plattformnutzer gezwungen, Produkte ausschließlich über die Alibaba-Verkaufsplattform anzubieten.

Alibaba ist kein Einzelfall geblieben. Im Juli 2021 haben die chinesischen Wettbewerbshüter, den Zusammenschluss der landesweit größten Video-Streamingdienste Huya und DouYu untersagt. Durch den Zusammenschluss hätte sich die Marktdominanz des Großaktionärs Tencents nochmals erhöht, der an beiden Unternehmen beteiligt ist. Im August legte eine staatliche Wirtschaftszeitung nach und kritisierte Computerspiele als „geistiges Opium“. Der Kurs von Tencent verlor zeitweise über 10%. Tencent kündigte umgehend neue Regeln an, um die exzessive Nutzung von Computerspielen durch Kinder zu unterbinden. Kurz zuvor hatte Tencent bereits ankündigen müssen, dass es für seinen Chat-Dienst WeChat keine Registrierungen mehr annehmen würde, bis dieser im Einklang mit den Gesetzen sei. Wieder wurde deutlich, dass die kommunistische Partei das uneingeschränkte Sagen in der Wirtschaft hat.

Am 30. Juni 2021 ging der chinesische Fahrdienstleister Didi Global zum Kurs von USD 14 in den USA an die Börse. Die Aktie stieg in zwei Tagen auf 16,40 USD, bis das Unternehmen durch die chinesische Cyberaufsicht zu Fall gebracht wurde. Didi habe illegal Daten gesammelt und verarbeitet, so der Vorwurf. Laut Börsenprospekt verfügt der Fahrdienst über 493 Millionen Nutzer, die täglich zusammen mehrere Millionen Fahrten durchführen. Didi wurde gezwungen, seine App aus dem chinesischen App-Store zu löschen. Am 17. August 2021 hat die Wettbewerbsbehörde in China mehrere weitere Vorschläge unterbreitet, um den bisher weitgehend unregulierten Wettbewerb in der Technologiebranche und die Datenverarbeitung strenger zu kontrollieren. Aktien aus dem IT-Sektor brachen in der Folge erneut ein.

Chinesische Unternehmen nutzen bei Börsengängen in den USA sogenannte VIE-Strukturen (Variable Interest Entity). Sie gründen dabei eine Mantelgesellschaft, über welche die Investoren das Anrecht auf die erwirtschafteten Gewinne des Unternehmens haben. Didi Global, Inc. etwa ist auf den Cayman Islands registriert und wird durch die U.S. Securities and Exchange Commission reguliert. Wie lange die Chinesen solche Strukturen noch zulassen, ist fraglich. Mitte Juli hat der chinesische Regulierer neue Regeln für Börsengänge im Ausland festgelegt. Plattformen mit mehr als einer Million Nutzern haben vor einem Börsendebut eine Datensicherheitsüberprüfung zu absolvieren.

Den härtesten Eingriff der Regulierer mussten chinesische Bildungsunternehmen wie TAL Education und New Oriental Education hinnehmen. Die Politik in China versucht die Chancengleichheit in der Gesellschaft zu verbessern und die Geburtenrate in einer alternden Gesellschaft zu erhöhen. In China spielen Abschlussprüfungen („Gaokao“) eine zentrale Rolle beim Zugang zu Universitäten. Eltern zahlen hohe Beträge für außerschulische Bildungsangebote, um ihren Kindern die Aufnahme an einer Universität zu ermöglichen. Als Pläne der chinesischen Regulierer am 23. Juli 2021 publik wurden, dass Unternehmen der Nachhilfeindustrie in Non-Profit Unternehmen umgewandelt werden müssen, brachen die Aktienkurse der Unternehmen zusammen. New Oriental Education beispielsweise schloss am 16. Februar 2021 zum Jahreshoch von USD 19,68. Am 26. Juli 2021 notierte die Aktie bei einem Tief von USD 1,94. Ein Verlust von über 90% in wenigen Monaten.

Den vollständigen ODDO BHF CIO View: „China im Fokus – Regulatorische Eingriffe belasten Aktienmärkte“ vom 20. August 2021 finden Sie hier als PDF.

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