Die Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Das Zeitalter des Verbrennungsmotors scheint nach über 130 Jahren zu enden. Um die hohen Klimaziele erreichen zu können, erscheint ein rascher Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen für Fahrzeuge unumgänglich.
08.07.2021 | 09:37 Uhr
Während in Deutschland der
Ausstiegstermin für Verbrennungsmotoren noch ein zentrales Thema im
Bundestagswahlkampf sein wird, gibt es in anderen Ländern bereits
konkrete Pläne. Beispiel Großbritannien und USA: Hier soll bereits ab
2030 ein Verkaufsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gelten.
Die Automobilindustrie hat sich dieser Herausforderung gestellt und
bietet mittlerweile verschiedene Arten von elektrifizierten Fahrzeugen –
wie Plug-in-Hybride, ausschließlich batteriebetriebene E-Autos und
Brennstoffzellenfahrzeuge – an. Zurzeit überbieten sich die Wettbewerber
bei ihren Prognosen bzgl. der geplanten Quoten von elektrifizierten
Fahrzeugen am Gesamtabsatzvolumen. Die neue Strategie der
Automobilkonzerne mit dem Fokus auf elektrifizierten Fahrzeugen wird
inzwischen zunehmend von den Kunden angenommen. Knapp 400.000
neuzugelassene Fahrzeuge waren 2020 elektrifiziert – das ist ein Plus
von ca. 300.000 Fahrzeugen im Vergleich zum Vorjahr und entspricht einem
Marktanteil von 13,5 Prozent.
Ein Grund für die Entwicklung sind die finanziellen Anreize der Politik.
Mit der Innovationsprämie fördert die Bundesregierung zusammen mit den
Autoherstellern die Anschaffung elektrifizierter Fahrzeuge bis 2025. Bei
der Anschaffung batteriebetriebener Elektroautos erhalten Kunden eine
Förderung von bis zu 9.000 Euro, bei Plug-In-Hybriden bis zu 6.750 Euro.
Mit diesen finanziellen Anreizen will die Bundesregierung das Ziel von
10 Millionen elektrifizierten Fahrzeugen bis zum Jahr 2030 erreichen.
Das entspräche einem jährlichen Wachstum von 33 Prozent über die
nächsten 10 Jahre.
Ladeinfrastruktur entscheidend für Erfolg der Elektromobilität
Trotz der bemerkenswerten Absatzsteigerung elektrifizierter Fahrzeuge in
den vergangenen Monaten gibt es noch bei vielen potentiellen Kunden
eine gewisse Kaufzurückhaltung. Laut einer aktuellen Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Allensbach, die zwischen Dezember 2020 und
Februar 2021 in Niedersachsen durchgeführt wurde, ist neben dem
Kaufpreis und der Reichweite vor allem die Ladeinfrastruktur ein Grund,
warum sich Kunden aktuell noch kein elektrifiziertes Fahrzeug kaufen
(wollen).
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur geht deutlich langsamer voran als
geplant. Laut Bundesnetzagentur gibt es aktuell 41.751 öffentlich
zugängliche Ladepunkte – davon sind 35.845 Normal- (AC) und 5.906
Schnellladepunkte (DC). Das ist deutlich weniger als die zunächst
angepeilten 100.000 Ladepunkte, die bis zum Jahr 2020 installiert werden
sollten. Die Anzahl der Elektroautos je Ladepunkt liegt mit aktuell 17
deutlich über dem EU-Ziel von zehn Elektroautos je Ladepunkt.
Dementsprechend fordert der Verband der Automobilindustrie deutlich mehr
Investitionen – statt der 1.000 neuen Ladepunkte, die aktuell pro Monat
errichtet werden, wären 2.000 neue pro Woche erforderlich.
Mit umfangreichen Förderprogrammen ans Ziel
Die Bundesregierung hat erkannt, dass mehr Investitionen notwendig sind.
Laut dem „Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung – Ziele und
Maßnahmen für den Ladeinfrastrukturaufbau bis 2030“ sei die ausreichende
Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur entscheidend für die
Kaufentscheidung und für den Hochlauf der Elektromobilität. Das neue
Ziel lautet nun „eine Million öffentliche Ladepunkte bis zum Jahr 2030“.
Dazu gibt es verschiedene Förderprogramme, u.a. zur Bezuschussung
öffentlich zugänglicher AC- und DC-Ladesäulen und AC-Ladesäulen auf
Kundenparkplätzen sowie des Aufbaus von Ladepunkten für geförderte
Fahrzeuge, d.h. für kommunale und gewerbliche Flotten wie zum Beispiel
Taxis, Sharingdienste und Handwerksbetriebe.
Ein weiteres Förderprogramm für nicht öffentlich zugängliche
Ladeinfrastruktur soll im Sommer 2021 kommen. Hierbei sollen Ladepunkte
für Mitarbeiterparkplätze und Fahrzeugflotten gefördert werden. Darüber
hinaus will die Bundesregierung den Aufbau und den Betrieb von 1.000
neuen Schnellladehubs finanzieren. Das Gesamtvolumen für dieses
Fördervorhaben alleine beträgt ca. zwei Milliarden Euro. Ziel der
Nationalen Leitstelle Infrastruktur ist, dass in Zukunft die nächste
Schnellladestation innerhalb von 10 Minuten erreichbar sein soll. Um
dieses Ziel zu erreichen, wären laut der Nationalen Leitstelle für
Infrastruktur Schnellladestationen ca. alle 15-30 Kilometer entlang der
Autobahn nötig – aktuell sind es in 80 Prozent der Fälle weniger als 30
Kilometer. Um die bestehende Tankstelleninfrastruktur auch für die
zukünftige Ladeinfrastruktur zu nutzen, hat der Autogipfel im November
2020 beschlossen, dass drei Viertel der Tankstellen bis Ende 2026 mit
Schnellladern mit mindestens 150 kW ausgestattet werden sollen.
Zügige Netzabdeckung durch AC-Standard
Der Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung geht davon aus,
dass der überwiegende Anteil (zwischen 60 und 85 Prozent) der
Ladevorgänge im privaten Umfeld, d.h. am Wohnort oder am Arbeitsort,
stattfindet. Hierzu werden in der Regel AC-Ladesäulen verwendet. Die
Ladeleistung ist abhängig von den Phasen, der Spannung und der
Stromstärke und beträgt in der Regel zwischen 3,7 kW und 22 kW. Die
genaue Ladedauer eines elektrifizierten Fahrzeugs ist abhängig vom
aktuellen Ladestand, der Größe und Leistungsfähigkeit der Batterie sowie
vom On-Board-Ladegerät. Letzteres wandelt beim AC-Laden den
Wechselstrom im Auto in Gleichstrom um. Zudem ist die
Ladegeschwindigkeit auch vom Stecker-Typen der Ladesäule abhängig. In
Europa ist der Typ2-Stecker, auch als Mennekes-Stecker bekannt, der
Standard für AC-Ladesäulen. Über den Stecker kommunizieren Ladesäule und
Fahrzeug und tauschen Informationen aus. Die Kosten für eine
AC-Ladesäule inklusive Infrastruktur betragen in der Regel zwischen
2.000 und 5.000 Euro.
Eine spezielle Art von AC-Ladesäule für zuhause ist die sogenannte
Wallbox, die im Gegensatz zu einer normalen AC-Ladesäule kompakter ist.
Die Wallbox ist schnell und einfach montiert und kann im Innen-, wie zum
Beispiel in einer Garage, sowie im Außenbereich, zum Beispiel an einem
Carport, betrieben werden. Die Ladeleistung liegt wie bei einer normalen
AC-Ladesäule zwischen 3,7kW und 22 kW. Die Kosten für eine Wallbox
inklusive Installation betragen in der Regel zwischen 1.000 und 2.500
Euro und sind auch abhängig von den gewünschten Zusatzfunktionen. Einige
Wallboxen bieten als Zusatzfunktion zum Beispiel Zugangsbeschränkungen
oder eine Einbindung in ein Smart-Home-System an. Darüber hinaus ist es
möglich, intelligente Ladestationen in Lastenmanagement-Systeme oder in
Abrechnungssysteme zu integrieren. Auch die Anschaffung von Wallboxen
fördert die Bundesregierung mit einem Pauschalbeitrag von 900 Euro für
die Ladestation inklusive Installation.
Alleskönner DC-Schnellladesäule?
Schnellladesäulen definieren sich nach der EU-Richtlinie für den „Aufbau
der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe" als Ladesäulen mit einer
maximalen Ladeleistung von über 22 kW. Im Gegensatz zu AC-Ladesäulen
wandeln DC-Ladesäulen den Strom mit Hilfe eines Gleichrichters bereits
in der Ladestation in Gleichstrom um. Aktuelle Spitzenmodelle erreichen
eine Ladeleistung von bis zu 350 kW und ermöglichen damit eine deutlich
schnellere Ladung des Fahrzeugs. Deshalb werden Schnellladesäulen vor
allem an Ladestationen/Lade-Hubs auf Autobahnen oder Bundesstraßen
installiert.
Im Vergleich zu einer AC-Ladesäule ist die Kommunikation zwischen einer
DC-Ladesäule und einem Fahrzeug deutlich komplexer. Die Ladesäule muss
den genauen Aufbau des Akkus, den Ladzustand sowie die benötigte
Spannung und Stromstärke kennen. Diese Kommunikation erfolgt über den
Ladestecker. Dabei gibt es mehrere Steckersysteme. Neben dem
CHAdeMO-Stecker, der hauptsächlich in Asien angewendet wird, gibt es das
Combined Charging System (CCS) und den Tesla Supercharger, die beide in
Europa eingesetzt werden. Der CCS-Stecker wurde von der deutschen und
amerikanischen Autoindustrie entwickelt und ergänzt den Typ2-Stecker um
zwei Gleichstrom-Kontakte. Dadurch können Autos mit CCS-Stecker auch
weiterhin normale Ladesäulen mit Typ2-Stecker nutzen. Der Tesla
Supercharger hingegen ist ein modifizierter Typ2-Stecker, der nur von
Tesla-Modellen verwendet werden kann.
Die Ladegeschwindigkeit einer DC-Ladesäule nimmt mit steigender
Temperatur der Batterie zu, bis die maximale Ladehöchstgeschwindigkeit
des Fahrzeugs erreicht ist. Ab 80 Prozent Ladestatus oder bei
Überschreitung der optimalen Batterietemperatur verlangsamt sich – zum
Schutz der Batterie – die Ladegeschwindigkeit wieder. Der größte Vorteil
der DC-Ladesäulen ist die deutlich höhere Ladegeschwindigkeit. Der
Porsche Taycan Turbo hat eine DC-Ladeleistung von bis zu 270 kW – eine
der höchsten auf dem Markt. Bei diesem Fahrzeug kann in 22,5 Minuten die
Ladekapazität von fünf auf 80 Prozent erhöht werden. Im Vergleich dazu
würde eine Vollladung mit einer AC-Ladesäule neun Stunden dauern.
Aufgrund der deutlich höheren Komplexität sind DC-Ladesäulen teurer und
weisen eine weitaus größere Preisspanne auf.
Wiederkehrende Umsätze mit Service und Software
Neben dem Verkauf und Betrieb von Ladesäulen können Unternehmen auch
Serviceumsätze generieren. Häufig verkaufen diese Unternehmen Ladesäulen
inklusive Servicevertrag. Hierbei kontrollieren und warten die
Unternehmen die installierten Ladesäulen. Durch die stetig steigende
Anzahl an installierten Ladesäulen steigen auch die Serviceverträge. Da
diese über längere Zeiträume abgeschlossen werden, erzielen Unternehmen
daraus wiederkehrende Umsätze und verringern damit ihre
Umsatzvolatilität. Unternehmen können auch über Softwareapplikationen
wiederkehrende Umsätze erzielen, wie z.B. Office-Applikationen für die
Abrechnung und Steuerung der Ladesäulen. Dieser Bereich wird durch die
zunehmende Digitalisierung und Vernetzung noch wichtiger werden.
Vom Megatrend Elektrifizierung profitieren
Der Megatrend Elektrifizierung hat jetzt auch den Automobilsektor
erreicht. Um den Wandel voranzutreiben, wird u.a. viel in die wichtige
Ladeinfrastruktur investiert. Das Ziel der Bundesregierung „eine Million
öffentliche Ladesäulen“ bis 2030, erfordert jährliche Wachstumsraten
der öffentlich verfügbaren Ladesäulen von 46 Prozent. Zulieferer für
diesen strukturellen Wachstumstrend sind neben den reinen
Ladesäulenherstellern, wie Compleo und Zaptec, auch
Komplettlösungsanbieter wie Alfen, die neben AC-Ladesäulen auch
intelligente Stromnetzanschlüsse und Energiespeicherlösungen anbieten.
Daneben sind aber auch große Konzerne wie Schneider Electric, Siemens
und ABB in diesem Sektor tätig – deren Fokus liegt vor allem auf dem
DC-Ladesäulengeschäft, da diese Projekte technisch komplexer sind und
höhere Volumina haben.
Neben den positiven strukturellen Wachstumsaussichten gilt es aber auch,
auf regulatorische Veränderungen zu achten, wie z.B. die erst kürzlich
angepasste Ladesäulenverordnung. Diese fordert, dass ab Juli 2023 die
Betreiber von Ladesäulen ihren Kunden mindestens einen kontaktlosen
Zahlungsvorgang mittels gängiger Kredit- und Debitkarte anbieten müssen.
Diese Neuregelung ist damit vor allem positiv für
Ladesäulenproduzenten, die bereits jetzt eine solche Zahlung
ermöglichen. Auch die Stromversorger und Netzbetreiber sollten vom
Megatrend Elektrifizierung stark profitieren.
Über die Dr. Jens Ehrhardt Gruppe
Die DJE Kapital AG ist seit über 45 Jahren als unabhängige
Vermögensverwaltung am Kapitalmarkt aktiv. Das Unternehmen aus Pullach
bei München verwaltet mit über 160 Mitarbeitern (davon rund 25
Fondsmanager und Analysten) aktuell über 15,9 Milliarden Euro (Stand:
31.05.2021) in den Bereichen individuelle Vermögensverwaltung,
institutionelles Asset Management sowie Publikumsfonds. Zudem bietet die
DJE Kapital AG seit 2017 mit Solidvest eine einzeltitelbasierte
Online-Vermögensverwaltung an – als digitale Lösung im Rahmen aktiv
gemanagter Depots. Das Online-Konzept basiert auf den breiten
Kompetenzen in Vermögensverwaltung und Anlagestrategie der DJE Kapital
AG – und ermöglicht ein diversifiziertes Portfolio nach individuellem
Rendite-Risiko-Profil mit persönlichen Themenschwerpunkten im
Aktienbereich. Vorstandsvorsitzender ist Dr. Jens Ehrhardt, sein
Stellvertreter Dr. Jan Ehrhardt. Kern des Anlageprozesses und aller
Investmententscheidungen ist die FMM-Methode (fundamental, monetär,
markttechnisch), welche auf dem hauseigenen, unabhängigen Research
basiert. Der Anspruch der DJE Kapital AG ist, ihren Kunden weitsichtige
Kapitalmarktexpertise in allen Marktphasen zu bieten
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