ODDO BHF: Weltwirtschaft im Aufschwung – Geldpolitik weiter expansiv

ODDO BHF: Weltwirtschaft im Aufschwung – Geldpolitik weiter Expansiv
Marktausblick

Die OECD hat in dieser Woche ihre Wachstumsprognosen nach oben revidiert. Die Vorhersagen der Organisation bestätigen unsere Erwartung eines kräftigen wirtschaftlichen Aufschwungs in diesem und im nächsten Jahr:

15.03.2021 | 09:57 Uhr

Für 2021 setzt die OECD ein Wachstum der Weltwirtschaft um 5,6% (Dez. 20: 4,2%), für 2022 von 4,0% (Dez. 20: 3,7%) an. In der Gesamtschau liegen die Prognosen der meist etwas vorsichtigeren OECD nun ziemlich gleichauf mit den Prognosen des IWF von Januar dieses Jahres. Ausschlaggebend dafür dürfte die massive Aufwärtsrevision der Wachstumsprognosen für die Vereinigten Staaten sein: Für die USA erwartet die OECD in diesem Jahr ein reales Wachstum von 6,5% (!) – mehr als doppelt so hoch wie in den Prognosen von Dezember 2020 (3,2%) und nochmals deutlich höher als die Prognose des IWF von Januar 2021 (5,1%). Ausschlaggebend ist vor allem die Finanzpolitik. Nach Schätzungen der OECD wird der 1,9 Billionen Dollar-Plan von Präsident Biden („American Rescue Plan“) im Verlauf von 12 Monaten (Q2/21-Q1/22) rund 3,8 Prozentpunkte zum Wachstum des realen BIP beisteuern.

EWU: Geldpolitische Ausrichtung trotz Wachstumshoffnungen bekräftigt

Die Prognose für den Euroraum entspricht im Wesentlichen den Erwartungen von Dezember 2020. Die OECD setzt das Wachstum des laufenden Jahres mit robusten, aber im US-Vergleich deutlich schwächeren 3,9% an. Im Unterschied zu den USA sind in Europa kaum zusätzliche finanzpolitische Hilfen vorgesehen, und die Covid-19-bedingten Restriktionen scheinen die Entwicklung im ersten Halbjahr 2021 etwas stärker bzw. länger zu belasten. In Deutschland wird die Dynamik voraussichtlich etwas moderater ausfallen als im EWU-Mittel (3,0%), die in Frankreich und Spanien überdurchschnittlich (5,9% bzw. 5,7%). Die Aufwärtsbewegung fällt dort stärker aus, wo der Einbruch im Jahr 2020 tiefer war. Italien hinkt allerdings hinterher: Die erwarteten 4% Wachstum für 2021 gleichen die hohen Verluste (-8,9%) aus 2020 bei weitem nicht aus.

Folgt man den plausiblen Schätzungen der OECD, dürfte die Wirtschaftsleistung im Euroraum wohl erst Mitte 2022 (in Deutschland aber früher) auf das Vorkrisenniveau von Ende 2019 zurückkehren. Die EZB, die am Donnerstag ihre geldpolitische Ausrichtung überprüft und die gesamtwirtschaftlichen Projektionen aktualisiert hat, bekräftigte daher ihre expansive geldpolitische Ausrichtung. Die EZB geht davon aus, dass der zugrundeliegende Verbraucherpreistrend – trotz höherer Raten für 2021 (EZB-Schätzung 1,5%) – zunächst gedämpft bleiben wird. Erst mittelfristig, wenn die Belastungen durch die Pandemie nachlassen und sich die Kapazitätsauslastung normalisiert, ist eine Verstärkung des moderaten Aufwärtstrends der Preise und eine schrittweise Annäherung an das Inflationsziel zu erwarten. Für 2022 veranschlagt die EZB daher einen Verbraucherpreisanstieg von nur 1,2%, der sich 2023 auf 1,4% beschleunigen könnte.

Die Diskussion innerhalb des Rates dürfte sich vor allem auf die Frage konzentriert haben, wie mit steigenden Kapitalmarktrenditen umzugehen ist. Tatsächlich ist die Bundrendite (10 Jahre Restlaufzeit) seit der Ratssitzung am 21. Januar 2021 um rund 0,2 Prozentpunkte auf derzeit -0,28% gestiegen. Hintergrund dafür sind insbesondere gestiegene Inflationserwartungen für den Euroraum und die Sogwirkung des – deutlich stärkeren – Renditeanstiegs in den USA.

Eine Kernaussage der EZB besagt, dass günstige Finanzierungsbedingungen erhalten werden müssen. Vor diesem Hintergrund hat der EZB-Rat am Donnerstag angekündigt, im nächsten Quartal deutlich umfangreichere Anleihekäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms (PEPP) durchzuführen als über die ersten Monate des Jahres. Man werde die Käufe den Marktbedingungen flexibel anpassen, um einer Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen entgegenzuwirken. Die Notenbank deutet zudem an, dass – sollte der Umfang des PEPP nicht ausreichen, die angestrebten Finanzierungsbedingungen zu erhalten – eine Rekalibrierung des Programms (sprich: Ausweitung) ins Auge zu fassen wäre. Dies dürfte derzeit aber eine Drohgebärde sein, denn momentan sind noch knapp 1 Billion Euro des PEPP-Gesamtvolumens nicht ausgeschöpft.

USA: Herausforderungen für die Geldpolitik

Für den Offenmarktausschuss der Fed (FOMC), der in der nächsten Woche zu Beratungen zusammenkommt, stellt sich die Frage nach der geldpolitischen Ausrichtung in anderer Form. Der schrittweise Abbau Covid-19-bedingter Einschränkungen, außerordentlich hohe Ersparnisse bei den privaten Haushalten und zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen des gerade vom Kongress verabschiedeten „American Rescue Plans“ dürfte die Inlandsnachfrage kräftig anheizen. Die Schecks aus dem Dezember-Paket haben die „Überersparnis“ aus der Covid-19-Phase um gut 200 Mrd. US-Dollar auf rund 1,85 Bio. US-Dollar (Stand Januar) ansteigen lassen, und schon im April/Mai dürften die nächsten Schecks, im Gesamtvolumen von rund 410 Mrd. US-Dollar, an die Haushalte fließen.

Die günstigen Wachstumsaussichten lassen auch die Job-Maschine wieder in Gang kommen: Die Beschäftigung in den USA stieg im Februar um rund 380.000, und die Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung ist rückläufig. In Kombination mit einigen angebotsseitigen Faktoren (insb. steigenden Energie- und Industrierohstoffpreisen) spricht deshalb einiges dafür, dass sich der Verbraucherpreisanstieg deutlicher und dauerhafter beschleunigen könnte. Die Markterwartungen zeigen in die Richtung von jährlich fast 21⁄2% auf Sicht der kommenden Jahre, und einige Experten warnen bereits vor einer noch stärkeren Inflationierung. Anziehende Wachstums- und Inflationserwartungen haben zu einer deutlichen Versteilerung der Zinskurve in den USA beigetragen. Zehnjährige T-Notes rentieren mittlerweile wieder oberhalb von 1,5%, mehr als 0,6 Prozentpunkte höher als zu Jahresbeginn. Angesichts der wesentlich stärkeren wirtschaftlichen Aussichten scheint das FOMC derzeit und im Unterschied zur EZB keinen Anlass zu sehen, gegen den Anstieg der Renditen einzuschreiten.

Allerdings zeigt die Fed auch keine Neigung, ihre Geldpolitik zu straffen. Gemäß den Projektionen von Dezember letzten Jahres hatten die Teilnehmer des FOMC erst für Ende 2023 eine zarte Tendenz zu Zinserhöhungen erkennen lassen. Diese Tendenz könnte sich zuletzt etwas verstärkt haben, doch dürfte man an der grundlegenden Botschaft einer weiterhin expansiven Geldpolitik mit unveränderten Leitzinssätze und Anleihekäufen im monatlichen Volumen von rund 120 Mrd. US-Dollar festhalten.

Damit setzt die Fed ihre im letzten Jahr beschlossene Strategie um, wonach die Notenbank eine Überschreitung des Inflationsziels zum Ausgleich für längere Phasen der Zielunterschreitung anstreben sollte. Das bietet unter Umständen die Chance, dauerhaftere Einkommens- und Beschäftigungseinbußen und eine Entwertung von Sachkapital durch die Krise zu vermeiden. Es riskiert aber möglicherweise eine Verselbstständigung der Inflationserwartungen und -dynamik, die nur unter Verlusten, durch ein Übersteuern in restriktiver Richtung, korrigiert werden kann.

Zusätzliche Risiken ergeben sich aufgrund der stark steigenden Staatsverschuldung, die das Budget empfindlicher gegenüber steigenden Zinssätzen macht. Den Schätzungen des Congressional Budget Office zufolge wird das zuvor schon immense Defizit im laufenden Fiskaljahr (bis Ende September) aufgrund des American Rescue Plans um 1,16 Bio. US-Dollar auf fast 3,4 Bio. US-Dollar oder rund 15% des BIP (2020: 3,1 Bio. US-Dollar bzw. 14,9% des BIP) ansteigen. Die Fed wird hier viel Augenmaß benötigen, wenn sie die Wirtschaft und die Märkte durch diese Klippen steuern will.

China: Kontrolliertes Wachstum

Ein letzter Blick schließlich richtet sich auf China. Die OECD prognostiziert für das laufende Jahr ein Wachstum von 7,8%, das sich 2022 auf 4,9% verlangsamen wird. Diese Schätzungen sind nur geringfügig niedriger als die Januar-Prognosen des IWF und dürften weitgehend dem Konsens der Beobachter entsprechen.

Die Zeichen deuten darauf hin, dass die Prognosen durchaus realistisch sind. Allein die Außenwirtschaft hat einen fulminanten Start in das Jahr geschafft. Die Exporte in den beiden ersten Monaten des Jahres übertrafen die Ausfuhren des Vorjahres um 60,6% (!). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorjahreszahlen durch den Ausbruch der Covid-19-Epidemie geprägt sind, und dass der dämpfende Einfluss der chinesischen Neujahrsfeiern in diesem Jahr aufgrund von Einschränkungen der Reisemöglichkeiten schwächer ausgefallen ist. Nichtsdestotrotz übersteigen die Exporte auch die Niveaus der Jahre 2018 und 2019 um rund 20%. Der Handelsbilanzüberschuss der beiden ersten Monate liegt bei 103 Mrd. US-Dollar.

Dennoch gibt sich die chinesische Regierung selbst zurückhaltend, sowohl im Hinblick auf das Wachstum als auch im Hinblick auf den Außenhandel. Der am vergangenen Freitag veröffentlichte „Arbeitsbericht“ der Regierung setzt für das Wachstum ein Ziel von „6% oder mehr“, Ein- und Ausfuhren sollen nur stabil gehalten werden.

Möglicherweise geht es der Regierung in Peking nur darum, eine erfolgreiche Übererfüllung der Ziele für sich reklamieren zu können. Wahrscheinlicher aber ist es Vorsicht. Zum einen könnte die Covid-bedingte Sonderkonjunktur für eine Reihe typisch chinesischer Exportartikel – von der Gesichtsmaske bis zur Unterhaltungselektronik – mit dem Auslaufen der Pandemie zur Ruhe kommen. Zum anderen hat die chinesische Regierung begonnen, ihre Unterstützung zurückzuführen, auch um den massiven Anstieg der Verschuldung gerade im privaten Sektor und in staatsnahen Bereichen und die Gefahr einer Überhitzung des Immobiliensektors einzudämmen.

Hinzu kommt vermutlich, dass die Regierung dem Wandel zu einer konsumgetriebenen, weniger außenwirtschaftlich abhängigen Wirtschaft hohes Gewicht zukommen lässt. Das würde für eine Präferenz für einen festen Yuan sprechen – was über die vergangenen Monate tatsächlich zu beobachten war: Seit Mai 2020 hat der Yuan gegenüber dem US-Dollar um gut 10% aufgewertet.

Den vollständigen ODDO BHF Marktausblick finden Sie hier im PDF-Format.

Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

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