ODDO BHF: Sektorale Entwicklungen an den Aktienmärkten

ODDO BHF: Sektorale Entwicklungen an den Aktienmärkten
Marktausblick

Die Aktienmärkte scheinen den Anlegern noch immer wohlgesonnen. Der MSCI Welt-Aktienindex (hier in US-Dollar), der das vergangene Jahr bereits ein Plus von rund 16 % erwirtschaftet hatte, kommt im bisherigen Jahresverlauf 2021 schon auf eine Gesamtrendite von über 5%.

23.03.2021 | 07:12 Uhr

Allerdings unterscheiden sich die Antriebskräfte hinter der Aufwärtsbewegung recht deutlich von denen des letzten Jahres. Die Kursanstiege im vergangenen Jahr dürften vor allem von den Zinsentlastungen im Gefolge des Covid-19-Ausbruchs befeuert worden sein: Insbesondere krisenresistente, langfristig wachsende Umsätze und Erträge versprechende Aktien – darunter gerade auch „Wachstumswerte“ – profitierten mit kräftig steigenden Bewertungen von den niedrigeren Zinssätzen bzw. Diskontierungssätzen. Denn in der Logik des sog. „Discounted Cash Flow“-Modells sind die zeitlich ferneren Zahlungen umso wertvoller, je niedriger der Diskontierungssatz ist.

Sektorrotation: Zykliker im Aufwind

Der Wind an den Märkten hat sich gedreht. Etwa seit November 2020, nach dem Wahlerfolg der Demokraten in den USA und den ersten Erfolgsmeldungen zur Impfstoffentwicklung, begannen die Märkte die Defensive zu verlassen und auf eine kräftige wirtschaftliche Erholung zu bauen. Im Sprachgebrauch der Märkte kam es zu einer Rotation zwischen den Sektoren. Auf der Gewinnerseite stehen seither die konjunktursensiblen zyklischen Werte, die angesichts der erwarteten Erholung der Umsätze und Gewinne vielfach auch bewertungsseitig interessant waren – also „Value“ im Sinne einer nach fundamentalen Kriterien günstigen, Aufholpotenzial bietenden Bewertung boten. Umgekehrt büßten die defensiveren Sektoren (deren Geschäftsentwicklung von der Wirtschaftslage eher unabhängig ist) und Wachstumswerte – also Aktien, die langfristig überdurchschnittliche Cash Flow- und Umsatzsteigerungen erwarten lassen und deshalb empfindlich auf höhere Zinssätze reagieren, an Attraktivität ein.

Abb-1-23-3


Quelle für die Grafik: Refinitiv Datastream

Den Spitzenplatz mit einer Gesamtrendite von 27,8% im bisherigen Jahresverlauf 2021 nimmt der Energiesektor ein, gefolgt von Finanzdienstleistern (14,5%), Kommunikationsdienstleistern (9,6%), Industriewerten (7,3%) und Grundstoffen (6,0%); unterdurchschnittlich entwickelten sich die Sektoren Gebrauchsgüter (4,7%), IT (2,2%), Gesundheit (-0,1%), Versorger sowie Basiskonsum (jeweils 2,2%). Die sektorale Entwicklung unterscheidet sich deutlich von der des letzten Jahres, in wesentlichen Teilen sogar spiegelbildlich (s. Abb.).

Das Vertrauen in den Aufschwung ist mittlerweile sehr gefestigt, vor allem in den USA: Zum einen, weil der Impfprozess dort zügig voranschreitet, so dass der Spielraum für Lockerungen und unbeschwerten Konsum größer wird. Zum anderen haben die US-Haushalte über die letzten 12 Monate hohe, vielfach unfreiwillige Ersparnisse im Umfang von schätzungsweise 1,85 Billionen US-Dollar (Stand Januar) angehäuft, die über die kommenden Monate zu einem guten Teil in Ausgaben fließen könnten. Und mit den neuen Stimulus- Schecks aus dem American Recovery Plan („Biden-Plan“) fließen den US-Haushalten seit Mitte dieser Woche nochmals mehr als 400 Mrd. US-Dollar zu. Insgesamt dürfte ein bedeutender Teil der 1,9 Billionen US-Dollar aus dem Biden-Plan schon in den nächsten 12 Monaten ausgegeben werden.

Von den erwarteten Nachfrageimpulsen profitieren vor allem die konjunktursensiblen Unternehmen; hier sind die höchsten Umsatz- und Gewinnsteigerungen zu erwarten. Als zweiter Faktor kommt hinzu, dass der Wachstumsschub auch die Inflationserwartungen und mit ihnen das langfristige Renditeniveau nach oben treibt. Der 10jährige Treasury Note rentiert aktuell bei gut 1,70%, also etwa 0,8 Prozentpunkte über dem Stand am Jahresende 2020. Beide Faktoren zusammen treiben einen Keil zwischen die Performance der zyklischen und der defensiven Sektoren bzw. Value- und Growth-Werten.

Exkurs: Ergebnisse der Sitzung des Offenmarktausschusses am 18. März 2021

Der Offenmarktausschuss hat auf seiner Sitzung vom vergangenen Dienstag/Mittwoch den stark akkommodierenden Kurs der US-Notenbank bekräftigt. Obwohl die Fed eine deutliche Beschleunigung des Wachstums (auf 6,5% im Jahresverlauf von 2021, 3,3% im Verlauf von 2022) vorhersieht, gehen die Mitglieder des FOMC mehrheitlich von einem bis Ende 2023 unveränderten Leitzinsniveau aus; auch die Anleihekäufe im aktuellen Volumen von monatlich rund 120 Mrd. US$ sollen fortgesetzt werden.

Allerdings bröckelt die „Front“ der Tauben erkennbar; inzwischen können sich vier von 18 US-Notenbankern schon 2022 erste Zinserhöhungen vorstellen, und für 2023 erwarten nun sieben Teilnehmer mindestens einen Schritt, fünf von ihnen sogar 3 bis 4 Zinsschritte. Wenn sich die hohen Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im Laufe der nächsten Quartale bestätigen sollten (wovon wir ausgehen) und sich die daran geknüpften Hoffnungen auf rasche Beschäftigungszuwächse erfüllen, könnte sich der Zeithorizont der Zinserhöhungserwartungen durchaus weiter verkürzen. Das Risiko weiterer Renditeanstiege bleibt damit präsent.

Umsichtige Selektion bleibt wesentlich

Dem neuesten Fund Manager Survey der Bank of America zufolge haben Inflationssorgen und die Angst vor einem Schock am Anleihemarkt die Unsicherheiten um Covid-19 als Hauptsorge der Anleger abgelöst; auch die Überzeugung, dass „Value“ besser als „Wachstum“ laufen wird, ist mittlerweile Konsens unter den Marktteilnehmern. Und mehr als die Hälfte der Befragten institutionellen Anleger baut gemäß Umfrage auf „Value“ – was ein historischer Höchststand ist. Das Engagement im Technologiesektor dagegen wurde deutlich reduziert: Der Umfrage zufolge hat Technologie mittlerweile das geringste Übergewicht in den Portfolien seit der Finanzkrise.

In der Tendenz folgen wir dem Konsens und sehen Zykliker und Value-Aktien derzeit grundsätzlich in günstigem Licht. Es entspricht aber nicht unserer Anlagephilosophie, Aktien nur deshalb zu kaufen, weil sie (beispielsweise) an historischen Mittelwerten gemessen niedrig bewertet sind und das Momentum des Marktes für sie spricht. Im Sinne einer auf langfristigen Wertzuwachs angelegten Anlagestrategie halten wir es für sinnvoll, strikte Qualitätskriterien einzuhalten. Wir setzen auf einen fünfstufigen Selektionsprozess, der neben einer hohen und stabilen Kapitalrendite auch die langfristige Wettbewerbsposition, strukturelle Wachstumsaussichten, Nachhaltigkeit und – last not least – die Angemessenheit der Bewertung prüft.

In der Gesamtschau sind wir allerdings etwas vorsichtiger geworden. Der Aktienmarkt ist mit einem MSCI Welt-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis von Gewinnschätzungen für die nächsten 12 Monate) von deutlich über 20 sehr anspruchsvoll bewertet. Dabei sind auch die zyklischen Sektoren nicht mehr generell günstig. Mit Ausnahme des Energiesektors liegen die KGVs oberhalb des langjährigen Durchschnitts, zum Teil – wie in den Bereichen Industrie (27,5 vs. 16,5), Gebrauchsgüter (30,1 vs. 18,7) und Kommunikation (21,5 vs. 14,4) – ganz erheblich. Das mahnt zur Umsicht, vor allem im Hinblick auf das Risiko eines weniger komfortablen Zinsumfelds.

Den vollständigen ODDO BHF Marktausblick finden Sie hier im PDF-Format.


Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

Diesen Beitrag teilen: