ODDO BHF Marktausblick 04.09.2020: US-Leitzinsen im Dauerfrost

ODDO BHF Marktausblick 04.09.2020: US-Leitzinsen im Dauerfrost
Marktausblick

In der letzten Woche hatte Fed-Chef Jerome Powell die Ergebnisse der in den vergangenen Monaten durchgeführten Überprüfung der geldpolitischen Strategie vorgestellt. Die wohl wichtigste Änderung bestand darin, das Inflationsziel von 2% explizit als Durchschnittsziel zu interpretieren.

07.09.2020 | 10:22 Uhr

Nach diesem Konzept wären längere Phasen der Unterschreitung des Ziels durch zeitweise und, wie es dann in der Erklärung heißt, „moderate“ Überschreitungen des Referenzwerts zu kompensieren. Der zusätzliche Spielraum im Inflationsziel – die durchschnittliche Inflation der letzten zehn Jahre lag bei 1,5% – stärkt uns in unserer Einschätzung, dass die US-Leitzinsen noch sehr lange „tiefgefroren“ bleiben dürften. Tatsächlich scheint die Diskussion derzeit in die Richtung zusätzlicher expansiver Maßnahmen zu gehen. Dies dürfte insbesondere Sparern und Investoren, die auf zinstragende Anlagen setzen, schlaflose Nächte bescheren, müssen sie doch einsehen, dass es in naher Zukunft wohl keinen Weg an Aktien und alternativen Anlageklassen vorbei geben wird.

Inflation in den USA


Ein Blick in die Glaskugel

Auf eine spezielle mathematische Formel, inwieweit eine Überschreitung zuzulassen und wann über eine Straffung der Geldpolitik nachzudenken wäre, legt sich die Fed, so Powell, nicht fest. Man werde ein breites Spektrum von Faktoren in diese Entscheidungen einfließen lassen. Im Unterschied zur EZB ist das Mandat der Fed ein duales: Das Ziel der „maximalen Beschäftigung“ steht gleichberechtigt neben dem Inflationsziel, und fordert eine Abwägung der beiden gegeneinander. Bemerkenswerterweise soll das Beschäftigungsziel nun sogar etwas „umfassender“ interpretiert werden: Es wird nicht so sehr an der Arbeitslosenquote festgemacht, sondern soll eine qualitative Beurteilung der Arbeitsmarktlage unter Berücksichtigung der Belange von Familien mit niedrigen Einkommen beinhalten.

Zinspolitisch spannend dürfte es wohl erst werden, wenn der US-Arbeitsmarkt wieder robuster dasteht. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote noch oberhalb von 10%, und die Quote dürfte die tatsächliche Lage vermutlich noch weichzeichnen. Entsprechend gering erscheinen die kurzfristigen Risiken einer Beschleunigung der Inflation in den USA (ebenso wie in Europa). Passend dazu formuliert die Fed ihre Gedanken zur Möglichkeit steigender Zinsen derzeit mindestens so vage wie einst Donald Trump seine Pläne zur Finanzierung der Mauer nach Mexiko. Auf etwas längere Sicht könnte es allerdings schwieriger werden, denn die Kombination aus sehr expansiver Geldpolitik, sehr expansiver Finanzpolitik, einer tendenziell protektionistischen Handelspolitik und einer möglicherweise schwächeren Währung besitzt durchaus eine gewisse Brisanz für die Preisentwicklung. Diese langfristigen Risiken scheinen sich in den langfristigen Inflationserwartungen niederzuschlagen und zu einem Anstieg der US-Renditen in den langen Laufzeitbereichen (beispielsweise 10 Jahre, 30 Jahre) – also einer steileren Zinskurve – beigetragen zu haben.

Ausblick

In der nächsten Woche findet am Donnerstag das turnusmäßige Treffen des EZB-Rates statt. Trotz des jüngsten Rückgangs der Gesamt-Inflationsrate unter die Nulllinie (-0,2%) und der sog. Kernrate auf nur noch 0,4% (Daten für August, jeweils gegen Vorjahr) erwarten wir keine kurzfristige geldpolitische Reaktion. Allerdings dürfte die EZB ihre Inflationsprognosen, die am Donnerstag im Zusammenhang mit den neuen gesamtwirtschaftlichen Projektionen gezeigt werden, nochmals herunternehmen. So werden die Diskussionen über weitere Lockerungsmaßnahmen weiter an Fahrt aufnehmen.

Am heutigen Freitag wird nachmittags der US-Arbeitsmarktbericht für August veröffentlicht, von dem weitere leichte Erholungszeichen zu erwarten sind. Im Laufe der nächsten Woche dürften dann vor allem chinesische Außenhandelsdaten und zum Ende der nächsten Woche die US-Verbraucherpreise für August auf Interesse stoßen.

Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

Quelle für die Grafik: Refinitiv Datastream


Den vollständigen Martausblick finden Sie hier im PDF-Format.

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