ODDO BHF: Deutschland - Gute Aussichten auf kräftige Erholung

ODDO BHF: Deutschland - Gute Aussichten auf kräftige Erholung
Marktausblick

Wer in diesen Tagen aus der sozialen Distanz des heimischen Schreibtischs in den grauen Januarhimmel schaut, mag vielleicht trübe Gedanken bekommen.

11.01.2021 | 10:57 Uhr

Die wirtschaftlichen Aussichten allerdings präsentieren sich freundlicher als die aktuelle Nachrichtenlage zum Infektionsgeschehen, verschlossene Einkaufszentren und bemitleidenswerte Passagierzahlen an Flughäfen und Bahnhöfen vermuten lassen. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Pandemie-Lage im Jahresverlauf deutlich entspannen und eine zunehmend dynamische Entwicklung der Wirtschaft ermöglichen wird. Trotz der derzeitigen Belastungen, die auch das erste Quartal 2021 noch prägen werden, dürfte die reale Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um wenigstens etwa 3% und im nächsten Jahr zumindest in ähnlichem Ausmaß gesteigert werden. Vor allem die jüngsten Prognosen, darunter die der Deutschen Bundesbank, erwarten für das Jahr 2022 eine Fortsetzung der kräftigen Aufwärtsbewegung.

Woher kommt dieser Optimismus? Entscheidend ist, dass der aktuelle Einbruch der Wirtschaft nicht auf wirtschaftliche Fehlentwicklungen zurückgeht. Hauptgrund ist vielmehr, dass die Angebots- und Nachfragemöglichkeiten aufgrund der Pandemie eingeschränkt sind. Das ist besonders offensichtlich beim privaten Konsum, der deutlich stärker als die verfügbaren Haushaltseinkommen gefallen ist. Ein Online- Panel der Bundesbank zeigt, dass nur wenige Befragte (16 bzw. 20%) tatsächliche oder befürchtete künftige Einkommensverluste als Ursache für die Ausgabenzurückhaltung angeben. Das Geld bleibt im Beutel, weil die Möglichkeiten zum Konsum eingeschränkt sind oder fehlen oder besondere Risiken mit sich bringen.

Deutschland Wachstum
Deutschland Konsumausgaben


„Zwangssparen“ kehrt sich erfahrungsgemäß um, wenn die Ursache entfällt. Das konnte man im dritten Quartal des vergangenen Jahres beobachten und wird sich in diesem Jahr wahrscheinlich wiederholen: Je mehr die Aktivitäten mit der wärmeren Jahreszeit nach draußen verlagert werden und je weiter die Impfungen voranschreiten, desto mehr wird sich das Wirtschaftsleben normalisieren. Insofern gehen wir davon aus, dass die Pandemie-bedingten Einschränkungen etwa ab dem zweiten Quartal 2021 schrittweise an Bedeutung verlieren und ungefähr zu Beginn des Jahres 2022 keine Rolle mehr spielen werden.

Hinzu kommt, dass sich – deutlicher als im Frühjahr – die wirtschaftlichen Wirkungen des aktuellen Lockdowns auf die unmittelbar betroffenen Branchen (stationärer Einzelhandel ohne Nahrungsmittel, Gastronomie, Tourismus) zu konzentrieren scheint, andere Branchen aber mit den Bedingungen umzugehen gelernt haben oder sogar florieren. Die Einkaufsmanagerindizes zeigen im November und Dezember in den Dienstleistungsbereichen eine Abkühlung (mit großen Unterschieden innerhalb des Sektors), aber eine sehr robuste Expansion für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland. Diese Stärke im Industriesektor dürfte durch Vorzieheffekte hinsichtlich des Ausscheidens Großbritanniens aus dem Binnenmarkt begünstigt sein; als alleinige Erklärung reicht der Brexit jedoch nicht aus.

Der Erholungsprozess wird durch die Wirtschaftspolitik kräftig unterstützt. Alles deutet derzeit darauf hin, dass die Geldpolitik bis ins nächste Jahr ähnlich expansiv bleiben wird wie bisher. Die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms laufen frühestens Ende März 2022 aus, die zinspolitische Ausrichtung wird voraussichtlich noch weit über diesen Termin hinaus keine Straffung erfahren. Die Finanzpolitik bleibt expansiv, wobei sich der Schwerpunkt von der Überlebenssicherung zur konjunkturellen Stimulierung verlagert – beispielsweise im Rahmen des Next Generation EU-Pakets. Da der Corona-Faktor ein globales Phänomen ist, ist mit einer weltweit synchronen Erholung zu rechnen, was – vorbehaltlich aller strukturellen Probleme im Automobil- und Maschinenbausektor – auch die Exporttätigkeit der deutschen Wirtschaft stärken sollte.

Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Der zweite Lockdown trifft einige Branchen gerade im Dienstleistungssektor sehr hart, und das Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Deutschland könnte in den kommenden Wochen und Monaten mit einer Welle von Insolvenzen einhergehen. Auch die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich nochmals etwas steigen, selbst wenn das Arbeitsvolumen im späteren Jahresverlauf parallel zur wirtschaftlichen Belebung wieder zunehmen sollte. Der Preisanstieg dürfte in diesem Jahr wieder deutlich höher ausfallen.

Dafür sind vor allem administrative Einflüsse verantwortlich: Zum einen die Rückkehr zu den normalen Mehrwertsteuersätzen; diesen Effekt veranschlagt die Bundesbank auf 0,6 Prozentpunkte. Zum anderen die Einführung von Emissionszertifikaten in den Bereichen Transport und Gebäudeheizung: Trotz der Entlastungen bei der EEG-Umlage (Strompreis) ergibt sich ein rechnerischer Preiseffekt von rund 0,3 Prozentpunkten (Bundesbank-Schätzung). Ebenfalls im Rahmen des Klimapakets wurde eine Erhöhung der Kfz-Steuer beschlossen, die sich in der Dienstleistungskomponente der Verbraucherpreise niederschlägt. Zudem fällt der letztjährige Energiepreisrückgang aus der Berechnung der Inflationsrate heraus.

Insgesamt dürfte das dazu beitragen, dass sich die Jahresteuerungsrate bis in die Größenordnung von 1,5 bis 2,0 % beschleunigt, zeitweise – in der zweiten Jahreshälfte – sogar auf über 2 %. Da es sich um Einmaleffekte handelt, überzeichnen diese Zahlen den zugrundeliegenden Inflationstrend allerdings. Nichtsdestotrotz dürften die höheren Zahlen die Diskussion über längerfristige Inflationsrisiken beleben.
Wir sind überzeugt, dass die aktuelle, Corona-bedingte Abschwächung nur eine Delle darstellt und die deutsche Wirtschaft in einigen Monaten wieder Fahrt aufnehmen wird. Das Niedrigzinsumfeld wird uns erhalten bleiben.

Anziehendes Wachstum und höhere Inflationsraten lassen dabei aus Anlegersicht das Chance-Risiko-Verhältnis am Anleihemarkt eher ungünstig erscheinen, zumal auch Kreditrisiken nur magere Renditeaufschläge versprechen. Grundsätzlich günstig ist das skizzierte gesamtwirtschaftliche Umfeld naturgemäß für Realwerte, auch für Aktien. Das „Haar in der Suppe“ ist die nach den meisten gängigen Maßstäben anspruchsvolle Bewertung des Aktienmarktes. Dies macht die sorgfältige Selektion umso wichtiger. Wir wünschen Ihnen ein gutes und erfolgreiches neues Jahr 2021.

Den vollständigen Marktausblick finden Sie hier im PDF-Format.


Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

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