Metzler AM: Der zu starke US-Dollar ist jetzt Chefsache

Marktausblick

In den USA ist ein Verlust von Arbeitsplätzen im für den US-Präsidenten wichtigen Industriesektor absehbar. Die Ursache hierfür sieht Donald Trump aber keineswegs im Handelskonflikt, sondern in der Stärke des US-Dollar.

04.10.2019 | 15:18 Uhr

Wird er sein Finanzministerium anweisen, am Devisenmarkt zu intervenieren, um einem Arbeitsplatzverlust gegenzusteuern? Und würde das überhaupt die gewünschten Früchte tragen? Für Europa konstatiert Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, eine prekäre Situation der Wirtschaft. Zudem zeigt er in einem makroökonomischen Exkurs, warum es ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Unternehmensgewinnen in den USA und in Deutschland gibt.

Donald Trump versprach im Wahlkampf 2016 seiner Wählerbasis eine Rückkehr der „Industriejobs“. Tatsächlich sind seit November 2016 etwa 500.000 neue Stellen im Verarbeitenden Gewerbe geschaffen worden. Im August waren damit etwa 12,9 Millionen US-Amerikaner in diesem Sektor beschäftigt – das sind jedoch immer noch etwa eine Million Beschäftigte weniger als vor der Finanzmarktkrise. Im Gegensatz dazu ist die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland heute um 6 % höher als vor der Finanzmarktkrise. Donald Trump hat damit sein Versprechen bisher nur teilweise eingelöst, und selbst das könnte jetzt in Gefahr sein. So fiel die Beschäftigungskomponente des ISM-Index auf nur noch 46,3 im September. Ein Wert von unter 50 bedeutet, dass die US-Industrie Arbeitsplätze abbaut. Der Grund dafür ist eine extrem schwache Auslandsnachfrage, wie ein erschreckender Rückgang der Komponente für Exportaufträge auf nur noch 41,0 signalisiert.

Unterm Strich ist natürlich der Handelskonflikt dafür verantwortlich; aus Sicht von Donald Trump ist jedoch der viel zu starke US-Dollar das Problem. Dementsprechend griff er nach der Veröffentlichung der ISM-Daten die US-Notenbank auf Twitter an, die nach seiner Meinung zu wenig gegen den starken US-Dollar unternimmt. Vor diesem Hintergrund wird in der kommenden Woche sicherlich das Protokoll der vergangenen Sitzung der US-Notenbank im Fokus stehen. Dabei dürften Antworten auf folgende Fragen gesucht werden: Unter welchen Bedingungen wird die US-Notenbank am 30. Oktober den Leitzins senken? Gar um 50 Basispunkte? Wir sehen eine gute Chance für eine Leitzinssenkung von 25 Basispunkten. Darüber hinaus werden noch der Geschäftsklimaindex der KMUs (Dienstag) und die Inflationsdaten (Donnerstag) veröffentlicht. Inflation ist jedoch derzeit kein Thema und könnte erst 2020 wieder in den Fokus rücken.  

Donald Trump steht derzeit unter massivem politischen Druck und könnte auch noch mit den absehbaren Arbeitsplatzverlusten in der US-Industrie seine Wählerbasis enttäuschen. Die US-Notenbank dürfte ihm kaum den Gefallen erweisen und eine währungsorientierte Geldpolitik betreiben, sondern die gesamtwirtschaftliche Lage inklusive dem Dienstleistungssektor im Auge behalten – dementsprechend also eher langsam und vorsichtig den Leitzins senken. Donald Trump kann also nur noch das Finanzministerium anweisen, am Devisenmarkt zu intervenieren, um das Ruder herumzureißen. Die Wahrscheinlichkeit für Devisenmarktinterventionen der USA ist somit merklich gestiegen. Dagegen spricht jedoch, dass eine unilaterale Intervention der USA Ängste vor einem globalen Währungskrieg auslösen könnte, die wiederum eine Kapitalflucht in den sicheren Hafen des US-Dollars zur Folge hätten. Die Interventionen könnten dann sogar den gegenteiligen Effekt haben.

Nur multilaterale Interventionen hätten wahrscheinlich den gewünschten Effekt – wie 1985 das Plaza-Abkommen (Das Plaza-Abkommen ist ein Übereinkommen zwischen den Vertretern der G5-Staaten (Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Japan, USA und Großbritannien), das am 22. September 1985 im Plaza Hotel in New York beschlossen wurde. Die Teilnehmer einigten sich in diesem Abkommen darauf, durch kontrollierte Einflussnahme auf die internationalen Währungsmärkte eine Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Yen und der Deutschen Mark zu erreichen.
Quelle: Wikipedia). Donald Trump könnte also den Handelspartnern bald einen Deal anbieten: Zugeständnisse im Handelskonflikt gegen eine gemeinsame Schwächung des US-Dollars. Viel Zeit dafür hat er jedoch nicht mehr – bis zu den Präsidentschaftswahlen dauert es nur noch ein gutes Jahr.

Eurozone: Prekäre Wirtschaftslage

Rückgänge der Auftragseingänge (Montag) und der Industrieproduktion (Dienstag) werden zeigen, dass die Industrie in einer schweren Rezession steckt. Der neue Wachstumsstar in Europa ist Frankreich – hier dürfte die Industrieproduktion (Donnerstag) gestiegen sein. Auch Italien ist auf dem Weg zu etwas mehr Wachstum, was die Daten zur Industrieproduktion (Donnerstag) zeigen dürften.

Unternehmensgewinne in den USA und Deutschland im Ungleichgewicht

Die Entstehung der Unternehmensgewinne auf mikroökonomischer Ebene herzuleiten, ist intuitiv einleuchtend: Unternehmensgewinn = Umsatz mal Gewinnmarge. Die Gewinnmarge steigt und fällt dabei approximativ abhängig von der Entwicklung der Preise und der Lohnstückkosten. Dieser Zusammenhang lässt sich auch auf die makroökonomische Ebene übertragen: Eine Prognose des Bruttoinlandsprodukts, der Erzeugerpreise und Lohnstückkosten ermöglicht eine Vorhersage der gesamtwirtschaftlichen Unternehmensgewinne. Die Makroökonomie wäre jedoch nicht die Makroökonomie, wenn es nicht auch eine völlig nicht-intuitive Herleitung der Unternehmensgewinne auf gesamtwirtschaftlicher Ebene geben würde, die aber zum gleichen Ergebnis wie der oben genannte Ansatz führt. So lässt sich folgende Identität aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung herleiten:

Unternehmensgewinne =
    Dividenden
 + Investitionen
 + Leistungsbilanzsaldo
  Budgetsaldo
 Spargelder der privaten Haushalte    

Da es sich um eine Identität handelt, muss die Gleichung immer erfüllt sein. Die spannende Frage ist jedoch die nach der Kausalität – sind die Unternehmensgewinne Ursache für alle anderen Größen, oder ist es umgekehrt? Hier spricht vieles dafür, dass sich die Unternehmensgewinne passiv bilden und eine Folge der aktiven Dividenden- und Investitionsentscheidungen der Unternehmen und der aktiven Sparentscheidungen des Staates, der privaten Haushalte und des Auslands sind. Erhöht beispielsweise ein Unternehmen seine Dividende um 100 EUR, bedeutet dies einen Einkommenszuwachs beim Dividendenempfänger von 100 EUR, der sich vollständig für inländischen Konsum verwenden ließe. Das verkaufende Unternehmen könnte dann bei Lohnkosten von 90 EUR davon einen Gewinn von 10 EUR erzielen. Die 90 EUR sind wieder (Lohn-)Einkommen, die vollständig in den inländischen Konsum fließen könnten, sodass wieder ein Gewinn entsteht. Der Prozess könnte sich solange fortsetzen, bis die 100 EUR Dividende zu 100 EUR Unternehmensgewinn geworden sind. In der Realität dürfte jedoch ein Teil der Dividendenzahlung gespart, ein anderer Teil für Importgüter ausgegeben werden, sodass nur ein Teil der Dividendenzahlung tatsächlich zu einem Unternehmensgewinn werden dürfte.  

Unternehmensgewinne USA

Die US-Statistik weist einen gesamtwirtschaftlichen Unternehmensgewinn nach Steuern von 1,85 Billionen USD über die 12-Monats-Periode vom 1.7.2018 bis zum 30.6.2019 aus. Summiert man die einzelnen genannten makroökonomischen Komponenten, kommt man dieser Größe mit einem Wert von 1,89 Billionen USD überraschend nah. Die Statistiken werden aus völlig unterschiedlichen Quellen erhoben, sodass eine Abweichung zu erwarten ist. Historisch gab es dementsprechend auch stets größere Abweichungen, die sich jedoch immer wieder korrigierten.  

Unternehmensgewinn                                      1,89 Billionen USD
Dividenden                                                          1,34 Billionen USD
Investitionen (Iabzüglich Abschreibungen)    1,06 Billionen USD
Leistungsbilanz                                                  -0,54 Billionen USD
Budgetsaldo                                                       -1,31 Billionen USD
Spargelder                                                           1,28 Billionen USD

Alle Komponenten erscheinen auf normalen Niveaus – bis auf das exorbitant hohe gesamtstaatliche Budget-defizit von 1,31 Billionen USD. Würden die USA Deutschland folgen und einen ausgeglichenen Haushalt anstreben, würden die Unternehmensgewinne um knapp 70 % von 1,89 Billionen USD auf nur noch
579 Mrd. USD sinken. Die amerikanischen Unternehmensgewinne und die Konjunktur stehen und fallen somit mit der Entwicklung des Budgetdefizits. Immerhin gibt es mit Blick auf die nächsten Quartale keine Anzeichen für einen Wechsel zu einer staatlichen Austeritätspolitik und somit keinen Grund, einen Rückgang der Unternehmensgewinne zu erwarten.

Für Deutschland berechnet leider das statistische Bundesamt nicht alle notwendigen Statistiken, die zur Berechnung der Unternehmensgewinne benötigt werden. So betrugen die Unternehmensgewinne (approximiert mit dem Nettobetriebsüberschuss) 2018 etwa 531 Mrd. EUR, was einen Rückgang um 8 Mrd. EUR von 539 Mrd. EUR im Jahr 2017 bedeutet. Negativ zu Buche schlugen dabei ein Anstieg des staatlichen Budgetüberschusses von 34 Mrd. EUR 2017 auf 58 Mrd. EUR 2018, ein Anstieg der Spargelder der privaten Haushalte von 190 Mrd. EUR auf 207 Mrd. EUR sowie ein Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses von 261 Mrd. EUR auf 246 Mrd. EUR. Insgesamt verringerten die drei genannten Faktoren die deutschen Unternehmensgewinne 2018 um etwa 56 Mrd. EUR. Dementsprechend müssen die Investitionen nach Abschreibungen und die Dividenden um insgesamt 48 Mrd. EUR gestiegen sein.

Eine hohe Sparquote der privaten Haushalte und ein Budgetüberschuss des deutschen Staates sind ohne Zweifel solide Fundamentaldaten. Die hohe Abhängigkeit vom Außenbeitrag ist jedoch ein großes Ungleichgewicht. Sollte die Bereitschaft des Auslandes sinken, deutsche Exporte aufzunehmen und der Leistungsbilanzüberschuss als eine Folge dessen auf ein ausgeglichenes Niveau zurückkehren, würden die deutschen Unternehmensgewinne um knapp 50 % fallen. Idealerweise würde die deutsche Regierung die staatlichen Investitionen in den kommenden Jahren merklich erhöhen und mit einer Deregulierungsoffensive den Anreiz für private Investitionen verbessern. Die deutschen Unternehmensgewinne wären damit besser auf die einzelnen makroökonomischen Komponenten verteilt.

Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

Diesen Beitrag teilen: