Kapitalmarktausblick 2026: Rendite mit Realitätssinn – zwischen Marktmacht und Makro-Weichen

Dr. Martin Lück, Chef-Kapitalmarktstratege für Deutschland und Österreich von Franklin Templeton
Marktausblick

Für 2026 erwarte ich ein Umfeld, in dem die Form der Zinskurve wichtiger ist als die reine Zinshöhe. Eine steilere Kurve erleichtert die Weitergabe der Geldpolitik in die Wirtschaft, stabilisiert Bankbilanzen und unterstützt Investitionen.

25.11.2025 | 08:00 Uhr

Das ist kein Startsignal für einen Boom, eher das geordnete Lösen der Handbremse. In den USA rechne ich mit langsamerem Wachstum ohne harte Landung. Die Inflation kann phasenweise wieder anziehen. Die Notenbank hat Spielraum, doch politische Einflüsse – oder schon die Diskussion darüber – machen die Märkte am langen Ende empfindlicher. Darum schaue ich 2026 stärker auf die Kurve als auf einzelne Renditemarken.

Die Handelspolitik bleibt unruhig. Zölle, Ausnahmen und Gegenmaßnahmen schaffen Unsicherheit; Gerichts­entscheide können spürbare Folgen haben. Werden Zölle teilweise gekippt, ist das tendenziell gut für Aktien, kann aber Anleihen belasten, wenn Haushalts­lücken mit mehr Schulden geschlossen werden. Zwischen den USA und China erwarte ich eher Phasen der Ruhe als eine dauerhafte Entspannung. Europa hat aus meiner Sicht relativen Rückenwind: nicht wegen hoher Wachstumsraten, sondern weil Bewertungen günstiger sind und der Abstand zu den USA kleiner wird. Für Euro-Anleger bleibt das Währungsrisiko zentral. Der politisch gewünschte schwächere US-Dollar kann Kurse bewegen; Absicherung bei US-Anlagen ist daher oft sinnvoll.

Anlageklassen und Aufteilung

  1. Aktien. Ich bleibe moderat positiv, mit Schwerpunkt Europa. In den USA setze ich auf Auswahl statt Breite und achte auf die Währung. Das Thema künstliche Intelligenz trägt weiter, unterscheidet sich aber klar von der Jahr-2000-Phase: Entlang des Grundgerüsts – Halbleiter, Ausrüster, Rechenzentren – fließen echte Geldzuflüsse. Nächster Treiber sind Branchen, die KI praktisch einsetzen und dadurch produktiver werden. Trotzdem gilt Nüchternheit bei Bewertungen: tragfähiges Geschäftsmodell, Preissetzungsmacht, Umwandlung von Gewinn in Zahlungsmittel und vernünftiger Umgang mit Kapital – das zählt. Kurzfristige Stimmungswechsel bei großen KI-Anbietern können ganze Segmente bewegen; auf Sicht setzt sich die Unternehmens­qualität durch.
  2. Anleihen. Für Euro-Anleger bieten Staatsanleihen mit Renditeaufschlag zur Bund sowie hochwertige Unternehmens­anleihen verlässliche Erträge bei überschaubarem Risiko. In einem Umfeld möglicherweise steilerer Kurven entstehen Chancen über die Laufzeit­steuerung – im Rahmen dessen, was das Mandat zulässt. US-Staatsanleihen bleiben ein Stabilisator, aus Euro-Sicht jedoch besser mit Währungs­absicherung. Insgesamt bevorzuge ich 2026 einen Euro-Schwerpunkt und nutze Renditeaufschläge, statt blind nur die Laufzeit zu erhöhen.
  3. Währungen. Ich erwarte keinen geradlinigen, aber eher schwankenden Dollar-Verlauf. Politik, Handel und Risiko­stimmung können schnelle Richtungswechsel auslösen. Für Euro-Anleger ist eine situative Absicherungs­quote bei US-Anlagen sinnvoll: So kommt die Ertragsquelle aus der Anlage selbst, nicht aus dem Wechselkurs. Umgekehrt können Übertreibungen am Devisenmarkt Kaufchancen schaffen.
  4. Schwellenländer. Ich sehe ausgewählte Möglichkeiten, aber keine breite Geschichte für alle Länder. China bleibt uneinheitlich; Preisdruck in einzelnen Export­bereichen belastet auch Nachbarn. Das spricht für gezielte Einzeltitel mit soliden Bilanzen und klarer Führung. Auf der Anleihen­seite können Hartwährungs-Papiere guter Qualität taktisch helfen; Lokalwährungen nutze ich nur gezielt, da dort eigene Zinszyklen und stärkere Wechsel­kursschwankungen wirken.

Schwellenländer 2026

Der Ausblick für Schwellenländer im Jahr 2026 zeigt ein gemischtes Bild: Während China mit einer strukturellen Wachstumsabschwächung konfrontiert ist, wachsen viele andere Schwellenländer weiterhin robust und gewinnen an globaler Bedeutung (Indien, Brasilien, Mexiko u.a.)

Für die Wachstumsabschwächung in China gibt es mehrere Gründe:

• Vor allem belasten sinkende Wohnungspreise die Haushaltsvermögen und dämpfen den privaten Verbrauch

• China steht vor demografischem Gegenwind, einer alternden Bevölkerung und einer Abkehr vom alten Export- und Immobilienmodell.

• Die Weltbank erwartet daher für China 2026 eine Abschwächung des Wachstums, verursacht durch sinkendes Verbrauchervertrauen, weniger Exportaufträge und abnehmende fiskalische Stimulus-Maßnahmen.

China bleibt ein Innovationsmotor:

• Trotz aller Herausforderungen bleibt China ein Innovationszentrum, besonders im Technologiesektor und bei grünen Industrien. Die neue Strategie fokussiert auf Produktivitätssteigerungen, technologische Autonomie und den Ausbau von Zukunftsbranchen.

Gemischtes Bild für andere Schwellenländer:

• Der relative Rückgang Chinas begünstigt einerseits den Aufstieg anderer Schwellenländer wie Indien, Südostasien und Teile Lateinamerikas. Ihr Anteil am weltweiten BIP wächst deutlich, von etwa 40% auf 50% bis 2035.

Anderseits versucht China, eigene Überproduktion auch in Schwellenländern abzusetzen, was dort stellenweise die eigene industrielle Entwicklung hemmt

• Indien profitiert von günstigen demografischen Entwicklungen und treibt sein Wachstum durch Reformen, Innovation und Infrastrukturprojekte voran. Es ist aber nicht das „neue China“.

• Länder wie Vietnam, Indonesien und Mexiko profitieren von “China Plus One”-Strategien, Nearshoring und einer globalen Produktionsverlagerung.

Geopolitische und strukturelle Trends:

• Handelskonflikte, insbesondere zwischen den USA und China, können einzelne Schwellenländer belasten, bieten aber auch Chancen für diversifizierte Handelsbeziehungen und verstärkte lokale Wertschöpfung.

• Rohstoffreiche Schwellenländer profitieren von der Energiewende und steigender Nachfrage nach Lithium, Silizium und Metallen.

• Ein schwächer Dollar ist generell positiv für Anlagen in Schwellenländern.

Die Schwäche Chinas bleibt ein Risiko für die globale Konjunktur, eröffnet jedoch anderen Schwellenländern neue Möglichkeiten. Der Ausblick für das Jahr 2026 ist geprägt von fortgesetztem Wachstum bei “Non-China” Emerging Markets, getrieben durch Demografie, Innovation und geopolitische Diversifikation.

Risiken 2026

Vier Punkte behalte ich besonders im Blick: (1) Unabhängigkeit und Auftreten der US-Notenbank, vor allem mit Blick auf lange Laufzeiten; (2) Zoll- und Sanktionspolitik samt möglicher Gerichts­urteile; (3) Stimmung rund um KI und mögliche Rückschläge einzelner Marktführer; (4) Nachfrage in China und Folgen für Asien sowie export­abhängige Branchen weltweit. Keiner dieser Punkte bestimmt das Jahr allein, doch jeder kann Zeitpunkt und Ablauf von Marktbewegungen verändern.

Schlussfolgerung

Für 2026 bleibe ich nüchtern konstruktiv: investiert bleiben, moderates Aktien­übergewicht, Europa relativ übergewichten, die USA selektiv und währungsbewusst spielen. Bei Anleihen Euro-Schwerpunkt, Renditeaufschläge nutzen und die Zinskurve aktiv managen. Beim Dollar Absicherung als Werkzeug, nicht als starre Regel. Beim Thema KI weiter mitgehen – Grundgerüst und Anwendungen – aber Bewertungen prüfen. In Schwellen­ländern bleibt Auswahl statt Breite. So bleibt die Anlage beweglich, falls die Kurve schneller dreht – oder die Politik die Reihenfolge der Impulse ändert.

Diesen Beitrag teilen: