Metzler: Hohe Staatsschulden verhindern Leitzinserhöhungen

Marktausblick

Schwächelnde Konjunkturdaten und politische Unsicherheiten lassen die US-Notenbank derzeit eine tendenziell eher abwartende Haltung einnehmen. Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler AM, rechnet deshalb für dieses Jahr nicht mehr mit einer Leitzinserhöhung in den USA.

28.01.2019 | 11:42 Uhr

Die hohe Verschuldung in vielen Regionen bedeutet, dass mit jeder Leitzinserhöhung die Zinslast der Schuldner überproportional steigt und sogar deren Solvenz in Gefahr geraten könnte. Die globalen Zentralbanken können vor diesem Hintergrund nur sehr vorsichtig agieren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie groß der Spielraum für Leitzinserhöhungen in den einzelnen Regionen überhaupt noch ist. 

Auch die US-Notenbank dürfte sich auf ihrer Sitzung (Mittwoch) mit dieser Frage auseinandersetzen. Die Finanzmarktturbulenzen, die teilweise schwachen Konjunkturdaten und die zahlreichen politischen Unsicherheiten sprechen dafür, dass der Spielraum für Leitzinserhöhungen derzeit eher gering ist und sich vorerst eine abwartende Haltung empfiehlt. Auch werden aufgrund des Government-Shutdowns viele Konjunkturdaten nicht veröffentlicht, und die Aussagekraft der wenigen verfügbaren Daten ist wahrscheinlich begrenzt; der US-Notenbank dürfte also eine Standortbestimmung zur Konjunktur schwerfallen. Die BIP-Daten vom vierten Quartal (Mittwoch) sind in diesem Zusammenhang nicht mehr wichtig. Darüber hinaus dürfte die Inflation in den kommenden Monaten tendenziell fallen. Derzeit rechnen wir nicht mehr mit einer weiteren Leitzinserhöhung der US-Notenbank in diesem Jahr. Würde man die Vergangenheit als Referenz heranziehen, dann würden die immer noch soliden Fundamentaldaten eigentlich für deutlich höhere Leitzinsen sprechen.

Um den Leitzins in den USA vorherzusagen, verwenden wir seit mehr als 15 Jahren ein einfaches Prognosemodell. Die erklärenden Variablen sind die Arbeitslosenquote (Freitag), die Inflation (Donnerstag) und die Kapazitätsauslastung. Seit 2017 schätzt unser Modell jedoch deutlich höhere Leitzinsen als das tatsächliche Niveau. In der Vergangenheit hätte nämlich die US-Notenbank laut Modell den Leitzins schon jetzt auf 5 % angehoben. Berücksichtigt man nun wie eingangs beschrieben das Niveau der US-Staatsschulden, ergibt sich seit 2017 eine deutlich höhere Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Leitzinsniveau. Auch zeigt ein Blick auf die Grafik, dass die US-Notenbank kaum noch Spielraum für weitere Leitzinserhöhungen hat.

FED: Berücksichtigung der Staatsschulden verbessert das Prognosemodell (Leitzins in %)

FED: Berücksichtigung der Staatsschulden verbessert das Prognosemodell

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: Dezember 2018

Das gleiche Bild zeigt sich auch für die Eurozone. Laut unserem Standard-Prognosemodell hätte die EZB in der Vergangenheit den Leitzins schon auf jetzt 1,5 % angehoben – auf Grundlage der aktuellen Fundamentaldaten. Tatsächlich liegt der Leitzins in der Eurozone immer noch bei -0,4 %. Berücksichtigt man das Niveau der Staatsschulden, lässt sich die Leitzinsentwicklung in den vergangenen Jahren deutlich besser erklären. Auf Basis unserer Prognosen erscheint es derzeit eher unwahrscheinlich, dass die EZB den Leitzins in diesem Jahr erhöht. Ein Blick auf die mittlere Frist zeigt, dass die EZB unter der Annahme einer stabilen Staatsverschuldung den Leitzins bestenfalls auf 1,0 % anheben kann.  

EZB: Berücksichtigung der Staatsschulden verbessert das Prognosemodell
(Leitzins in %)

EZB: Berücksichtigung der Staatsschulden verbessert das Prognosemodell

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: Dezember 2018

Interessanterweise ist die Verschuldung des privaten Sektors in den Regressionen unserer ersten Analysen nicht signifikant, sondern nur die Staatsverschuldung. Weitere Analysen sind sicherlich notwendig.

USA: Politik und Zinspolitik

Immer wieder wird das Argument genannt, dass die US-Notenbank auch aus politischen Gründen auf weitere Leitzinserhöhungen verzichten könnte. US-Präsident Trump möchte nämlich durch eine aggressive Handelspolitik ausländische Märkte für US-Unternehmen öffnen. Um aus einer Position der Stärke verhandeln zu können, braucht er jedoch einen stabilen Arbeits- und Aktienmarkt im Inland, was nur durch einen Verzicht auf weitere Leitzinserhöhungen gewährleistet werden könnte. Die Argumentation klingt zwar intuitiv einleuchtend, die Arbeit der US-Notenbank wird jedoch anhand der Erreichung ihres Inflationsziels sowie anhand der Erreichung von Vollbeschäftigung beurteilt, sodass sie sich kaum weit davon entfernen kann.  

USA: Aussagekraft der Konjunkturdaten fraglich

In der kommenden Woche werden voraussichtlich die Handelsbilanz (Dienstag), das Verbrauchervertrauen (Dienstag), das BIP (Mittwoch), der Arbeitsmarktbericht (Freitag) sowie der ISM-Index (Freitag) veröffentlicht. In dieser Woche gab es schon erste Stimmen, die ein Nullwachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal aufgrund des Government-Shutdowns prognostizieren, was sich auch in den Konjunkturdaten widerspiegeln dürfte. Erfahrungsgemäß kommt es jedoch nach einem Ende eines Government-Shutdowns schnell zu Aufholeffekten, sodass nicht mit größeren makroökonomischen Effekten gerechnet werden muss – es sei denn, der Government-Shutdown zieht sich noch mehrere Monate hin.

Eurozone: Schwieriges Konjunkturumfeld

Immerhin dürfte das BIP der Eurozone (Donnerstag) im vierten Quartal noch um 0,2 % gewachsen sein. Ansonsten dürften das Wirtschaftsvertrauen (Mittwoch) sowie der Einkaufsmanagerindex (Freitag) mit Rückgängen eine anhaltende Wachstumsverlangsamung signalisieren. Gleichzeitig sank die Inflationsrate (Freitag) – voraussichtlich von 1,6 % im Dezember auf 1,4 % im Januar. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die EZB neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte für die Banken diskutiert. Spätestens im Juni dürfte die EZB diese dann auch umsetzen. Sollte die Konjunkturschwäche anhalten, kann wahrscheinlich nur ein fiskalischer Stimulus eine Trendwende herbeiführen. Dazu müsste erfahrungsgemäß erst die Arbeitslosigkeit (Donnerstag) merklich steigen, bis die Politik aktiv wird.

China: Konjunkturelle Trendwende lässt auf sich warten

Der Einkaufsmanagerindex (Donnerstag und Freitag) dürfte eher nochmals leicht gesunken sein, da es bisher wenige Anzeichen für eine konjunkturelle Trendwende gibt. Es wird wahrscheinlich noch einige Monate dauern, bis sich die Konjunkturdaten in China wieder verbessern.

US-Aktienmarkt: Ausblick auf 2019

Der Kurs einer Aktie lässt sich in zwei Bestandteile zerlegen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Der Kurs der Aktie A von 1.500 EUR kann erklärt werden mit einem Unternehmensgewinn von 100 EUR pro Aktie multipliziert mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15. Der Kurs der Aktie A kann steigen, wenn entweder die Unternehmensgewinne oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis steigt – oder beides gleichzeitig. Steigen in unserem Beispiel die Unternehmensgewinne auf 200 EUR und die Bewertung auf 20, ergibt sich ein neuer Kurs von 4.000 EUR.

Interessanterweise lässt sich das Kurs-Gewinn-Verhält-nis der im MSCI USA gelisteten Aktien seit 1975 stabil mithilfe der Inflation, der Zinsen und der Geldmenge erklären. Nachdem die Bewertung im vierten Quartal 2018 stark gesunken ist, besteht die Chance, dass sie sich im Jahresverlauf 2019 um etwa 5,0 % wieder erholt – auf Basis unserer Prognosen für Zinsen, Inflation und Geldmengenentwicklung.

US-Aktien: Leicht steigende Bewertung prognostiziert
Kurs-Cashflow-Verhältnis MSCI USA

US-Aktien: Leicht steigende Bewertung prognostiziert Kurs-Cashflow-Verhältnis MSCI USA

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.12.218

Unsere Prognose, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft zwar merklich verlangsamt, es aber nicht zu einer Rezession kommt, bedeutet: Nach unseren Berechnungen könnten die Gewinne der Unternehmen, deren Aktien im MSCI USA vertreten sind, 2019 immer noch um etwa 5,1 % steigen.    

USA: Steigende Unternehmensgewinne für 2019 prognostiziert Index des Cashflows des MSCI USA

USA: Steigende Unternehmensgewinne für 2019 prognostiziert Index des Cashflows des MSCI USA

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2018

Steigt die Bewertung (KGV) um 5,0 % und die Unternehmensgewinne um 5,1 %, bedeutet das einen prognostizierten Kursanstieg des MSCI USA von insgesamt 10,1 %. Unter Berücksichtigung einer Dividendenrendite von 2,2 % ergibt sich so ein erwarteter Gesamtertrag von 12,3 %.

Allerdings bestehen für dieses Szenario einige Risiken. So könnte die Konjunkturdynamik anhaltend negativ überraschen, und die US-Wirtschaft könnte unerwartet in eine Rezession abgleiten. Auch könnten die zahlreichen politischen Risiken die US-Konjunktur aus der Bahn werfen. Überdies sollte das Risiko einer steigenden Inflation nicht unterschätzt werden, da ein unerwarteter Inflationsanstieg die Prognose einer steigenden Bewertung in eine fallende umkehren könnte.


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk

Chefvolkswirt Metzler Asset Management

Diesen Beitrag teilen: