Metzler: EZB kündigt wohl neue Liquiditätsschritte an

Marktausblick

Die Konjunktur in der Eurozone schwächelt. Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, hält es daher durchaus für möglich, dass die EZB mit neuen Liquiditätsmaßnahmen versucht, die Stimmung am Markt zu stabilisieren.

21.01.2019 | 10:04 Uhr

Turbulente Finanzmärkte und zahlreiche überraschend schwache Konjunkturdaten verunsicherten die Marktteilnehmer zu Jahresanfang sehr. Ein Blick auf die von der Citigroup erhobenen „Economic Surprise Indizes“ zeigt, dass die Konjunkturdaten vor allem in der Eurozone in den vergangenen Wochen enttäuschten. In den Schwellenländern und in den USA hingegen waren die Konjunkturdaten nur moderat negativ.

Die Konjunkturschwäche in der Eurozone ist zumindest teilweise mit der Lage in Italien erklärbar: Hier haben sich die allgemeinen Finanzierungsbedingungen infolge des Zinsschocks und der merklich gefallenen Aktienkurse massiv verschlechtert. Darüber hinaus fällt es schwer, gute Gründe für den Abschwung zu finden. Die EZB dürfte auf die derzeit gefühlte hohe Unsicherheit reagieren (Donnerstag) und versuchen, die Stimmung zu stabilisieren, um so eine weitere Verschlechterung der Konjunktur aufgrund sich selbst erfüllender Erwartungen zu vermeiden. Möglich wäre eine Ankündigung des EZB-Präsidenten Draghi schon am Donnerstag, dass die EZB in den kommenden Monaten neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTRO oder TLTRO) für die Geschäftsbanken bereitstellen wird. Nach Berechnungen von Goldman Sachs hatten die vergangenen langfristigen Refinanzierungsgeschäfte der EZB sehr ungleiche Effekte: Das BIP in Italien stieg um insgesamt 2 %, während sich für Deutschland kein statistisch signifikanter Wachstumseffekt nachweisen ließ.

Vielleicht helfen auch schon erste Stabilisierungstendenzen der Konjunkturdaten, einen Stimmungsumschwung zu bewirken: ZEW-Index (Dienstag), Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) sowie ifo-Index (Freitag).

Sollte sich die Konjunktur in der Eurozone nicht stabilisieren und der Abwärtstrend anhalten, gibt es keinen Spielraum mehr für eine antizyklische Geldpolitik der EZB – sie hat ihr Pulver nahezu vollständig verschossen. Spielraum für einen größeren fiskalpolitischen Stimulus hätten nur Deutschland und die Niederlande. Laut Berechnungen der Bundesbank fiel die Staatsverschuldung in Deutschland im dritten Quartal auf nur noch 61 % des BIP. Das heißt, Deutschland und die Niederlande müssten in diesem Fall ein größeres Konjunkturprogramm auflegen. Die Frage wäre dann nur, wie schnell sich die jeweilige Regierung darauf verständigen kann.

USA: Veröffentlichung der Konjunkturdaten fraglich

Der Shutdown der US-Regierung bedeutet, dass in der kommenden Woche viele Konjunkturdaten nicht veröffentlicht werden könnten. Derzeit stehen noch die Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) sowie die Neubauverkäufe (Freitag) und die Auftragseingänge (Freitag) im Kalender. Grundsätzlich bestehen nach wie vor gute Chancen, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft zwar abkühlt, eine Rezession in diesem Jahr aber vermieden werden kann.

China: Größter Unsicherheitsfaktor

Die Konjunkturdaten in China neigen schon seit einigen Monaten zur Schwäche. Die Reaktionen an den Aktienmärkten zeigen, dass diese Schwäche „gefühlt“ allerdings deutlich ausgeprägter zu sein scheint, als es die offiziellen Konjunkturdaten ausweisen. Die chinesische Regierung versucht schon seit Monaten, die Wirtschaft mit zahlreichen Programmen zu stabilisieren. Die Einzelhandelsumsätze (Montag), die Industrieproduktion (Montag) sowie das BIP (Montag) im vierten Quartal dürften zeigen, dass dies noch nicht gelungen ist. Wir erwarten erst in den kommenden Monaten eine leichte Belebung der Konjunktur.

Ausblick auf den europäischen Aktienmarkt für 2019

Der Kurs einer Aktie lässt sich in zwei Bestandteile zerlegen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Der Kurs der Aktie A von 1.500 EUR kann erklärt werden mit einem Unternehmensgewinn von 100 EUR pro Aktie multipliziert mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15. Der Kurs der Aktie A kann steigen, wenn entweder die Unternehmensgewinne oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis  steigt – oder beides gleichzeitig. Steigen in unserem Beispiel die Unternehmensgewinne auf 200 EUR und die Bewertung auf 20 EUR, ergibt sich ein neuer Kurs von 4.000 EUR.

Interessanterweise lässt sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis der im MSCI Europa gelisteten Aktien seit 1975 stabil mithilfe der Inflation, der Zinsen und der Geldmenge erklären. Nachdem die Bewertung im vierten Quartal 2018 stark gesunken ist, besteht die Chance, dass sie sich im Jahresverlauf 2019 um etwa 5,5 % wieder erholt – auf Basis unserer Prognosen für Zinsen, Inflation und Geldmengenentwicklung.

Unsere Prognose, dass sich das Wachstum der europäischen Wirtschaft zwar merklich verlangsamt, nicht aber zu einer Rezession führt, bedeutet: Nach unseren Berechnungen könnten die Gewinne der Unternehmen, deren Aktien im MSCI Europa vertreten sind, 2019 immer noch um etwa 4,5 % steigen.

Steigt die Bewertung (KGV) um 5,5 % und die Unternehmensgewinne um 4,5 %, bedeutet das einen prognostizierten Kursanstieg des MSCI Europa von insgesamt 11 %. Unter Berücksichtigung einer Dividendenrendite von 4,0 % ergibt sich so ein erwarteter Gesamtertrag von 15 %.

Allerdings bestehen für dieses Szenario folgende Risiken. So könnte die Konjunkturdynamik anhaltend negativ überraschen, ohne dass die EZB schnell gegensteuern kann. Ein Fiskalstimulus würde sicherlich einige Zeit brauchen, bevor er wirksam wird. Auch könnten die zahlreichen politischen Risiken die europäische Konjunktur aus der Bahn werfen. Überdies sollte das Risiko einer steigenden Inflation nicht unterschätzt werden, da ein unerwarteter Inflationsanstieg die Prognose einer steigenden Bewertung in eine fallende umkehren könnte.

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