Dem japanischen Premierminister Abe ist es offenbar gelungen, mit seinem Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik das Vertrauen der Unternehmen in sein Land wiederherzustellen: Die Investitionen steigen schon seit langem. Das sei die Basis auch für künftig hohes Produktivitätswachstum – so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management.
27.05.2019 | 11:01 Uhr
In Europa signalisiere das Wachstum der Geldmenge eine sich verbessernde Konjunktur. Die USA haben aufgrund ihrer guten Konjunktur wenig Anlass, den Handelskonflikt mit China zu deeskalieren.
In Japan ist es um die Abenomics ruhig geworden, nachdem der radikale Kurswechsel in der japanischen Wirtschaftspolitik nach der Wahl Shinzo Abes zum Premierminister Ende 2012 für große internationale Aufmerksamkeit sorgte. Immerhin hat der japanische Aktienmarkt seitdem, in Euro gerechnet, einen durchschnittlichen Wertzuwachs von etwa 9,9 % pro Jahr erreicht.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 17.5.2019
Die Basis dafür legten die Unternehmensgewinne, die seit Ende 2012 um durchschnittlich 9,3 % pro Jahr stiegen. Das hohe Gewinnwachstum wurde dadurch möglich, dass das Gewinnniveau 2012 extrem niedrig war, die japanische Volkswirtschaft in einen dynamischen Aufschwung eintrat und die Strukturreformen die Unternehmen zu einem merklich effizienteren Einsatz ihres Eigenkapitals zwangen.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: April 2019
Der verstärkte Fokus japanischer Unternehmen auf ihre Aktionäre lässt sich auch an der Entwicklung der Dividendenrendite ablesen, die sich inzwischen über ihrem langfristigen Durchschnitt von 1,6 % etabliert hat und im April einen Wert von 2,4 % erreichte. Nach Schätzungen der Experten von Goldman Sachs könnten Aktienrückkäufe im Jahr 2019 für Anleger einen zusätzlichen Ertrag von etwa 1 %-Punkt bringen, wodurch sich Dividendenrendite und Effekte aus Aktienrückkäufen auf etwa 3,4 % summieren würden.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: April 2019
Premierminister Shinzo Abe hat es mit seinem Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, einer Kombination aus lockerer Geldpolitik, Steueranreizen und Strukturreformen auch geschafft, das Vertrauen der Unternehmen in den Wirtschaftsstandort Japan wiederherzustellen, sodass sie zum ersten Mal seit Beginn der Wirtschaftskrise 1990 die Investitionsausgaben über eine mehrjährige Periode hinweg stetig erhöht haben.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: Q1 2019
Steigende
Investitionen sind die Basis für zukünftig hohes Produktivitätswachstum und
damit für steigenden Wohlstand. Sicherlich investieren japanische Unternehmen
derzeit auch verstärkt in Roboter und künstliche Intelligenz, um ihr
Produktionsniveau sogar bei fortschreitender Alterung der Gesellschaft
aufrechterhalten zu können. Denn ein Beschäftigungswachstum von
durchschnittlich etwa 1,2 % pro Jahr seit 2012 wird sich kaum fortsetzen
lassen. Der hohe Beschäftigungsanstieg basierte auf weniger Arbeitslosen
(Freitag), mehr Arbeitnehmern über 65 Jahre (von etwa 600.000 im Jahr 2012 auf
knapp 900.000 im Jahr 2019) sowie einem doppelt so hohen Zuzug ausländischer
Arbeitskräfte (von etwa 600.000 im Jahr 2012 auf mehr als 1,2 Mio. im Jahr
2017).
Experten erwarten, dass die Zahl der über 65-Jährigen und der
ausländischen Arbeitskräfte jeweils weiter steigen und somit ein anhaltendes
Beschäftigungswachstum ermöglichen wird. Gleichzeitig beschleunigte sich der
Lohnanstieg in den vergangenen Jahren moderat, sodass die Kombination aus
steigenden Löhnen und zunehmender Beschäftigung steigende Einkommen und damit
zunehmende Konsummöglichkeiten bedeuteten.
Das
Wachstum der Konsumausgaben sorgte bisher nur für einen geringfügigen Anstieg
der Inflation. Immerhin liegt die Kerninflation im Großraum Tokio (Freitag)
derzeit mit etwa 1,0 % über der Nulllinie. Allerdings dürften sicherlich noch
einige Jahre des Aufschwungs notwendig sein, bis sich die Inflation auf dem von
der Bank of Japan anvisierten Niveau von etwa 2,0 % etabliert haben wird.
Grundsätzlich
sind die Perspektiven für die japanische Wirtschaft somit positiv. Überlagert
wird dies derzeit jedoch durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China,
der für hohe Unsicherheit und damit für Konjunkturrisiken sorgt. Gleichzeitig
liegt die Bewertung des japanischen Aktienmarktes nach unseren Schätzungen im
historischen Durchschnitt, und Dividendenrenditen sowie Aktienrückkäufe haben
ein überdurchschnittlich hohes Niveau erreicht.
Das Wachstum der Geldmenge M1 (Dienstag) hat sich zuletzt merklich beschleunigt, was eine sich ab Sommer verbessernde Konjunkturdynamik in der Eurozone signalisiert. Ein solchermaßen anhaltender Trend im April wäre daher ein wichtiges Signal, das auch für einen weiteren Rückgang der Arbeitslosenquote sprechen würde. Interessanterweise scheint es wieder einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Lohnentwicklung in der Eurozone zu geben. So hat es nach der Finanzmarkkrise 2008 und der Staatsschuldenkrise 2012 anscheinend einfach länger als üblich gedauert, bis die Löhne auf das verbesserte fundamentale Umfeld am Arbeitsmarkt reagiert haben.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.3.2019
Unsicherheitsfaktoren
für die europäische Wirtschaft sind der Handelskonflikt, der weitere Fortgang
beim Brexit, der Ausgang der Europawahl, die Haushaltslage in Italien sowie die
Rezession in der Türkei. Wie sich die zahlreichen Risikofaktoren bereits auf
die europäische Wirtschaft ausgewirkt haben, dürfte der Geschäftsklimaindex des
EU-Kommission (Dienstag) zeigen. Natürlich können jederzeit exogene Ereignisse
stärker wirken als die positiven Signale der Geldmenge M1.
Die
Konjunkturdaten in den USA signalisierten zuletzt ein stabiles
Konjunkturumfeld. So dürften das Konsumentenvertrauen (Dienstag) und die
Konsumausgaben (Freitag) leicht gestiegen sein. Donald Trump steht somit unter
keinem innenpolitischen Druck, den Handelskonflikt mit China bald zu
deeskalieren.
In
China regt sich dagegen Widerstand gegen die US-amerikanischen Forderungen, und
die politisch Verantwortlichen sehen zunehmend eine Parallele zu den
„ungleichen Handelsverträgen“ mit Großbritannien im 19. Jahrhundert. Somit
scheint ein Einlenken Chinas auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich. Die
chinesische Regierung dürfte jedwede Wachstumsschwäche [Einkaufsmanagerindizes
(Freitag)] mit neuen geldpolitischen und fiskalischen Stimuli bekämpfen.
Nur
eine hohe Inflation oder eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Krediten
könnte die Fähigkeit der chinesischen Regierung beschränken, in der
Steuerpolitik und mittels Staatsausgaben gegenzulenken. Die Inflation ist
jedoch niedrig, und die Leistungsbilanz in China dürfte in diesem Jahr
ausgeglichen sein – bei gleichzeitig hohem Auslandsvermögen. Ein Ende des
Handelskonflikts ist somit nicht in Sicht.
Die
Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind derzeit schwer abzuschätzen, sodass
wir eine Anpassung unserer Prognosen von der Entwicklung der
Geschäftsklimaindizes in den kommenden Monaten abhängig machen.
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