Metzler AM: Economic Research - Wochenausblick KW 24

Japanischen Banken erfüllen ihre makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe
Marktausblick

Japan hat es vorexerziert: Niedrigzinsen mindern zwar die Profitabilität der japanischen Banken, doch bleibt ihre so wichtige makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe gewährleistet. Die Negativzinsen in der Eurozone belasten jedoch die Banken so stark, dass sie die Aufgabe der Kreditvergabe gefährden.

11.06.2019 | 09:20 Uhr

Die EZB könne daher ein gespaltenes Reservesystem einführen, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, und damit die Banken entlasten.

In den USA könnten mit Blick auf eine mögliche Wirtschaftsabschwächung Zinssenkungen wahrscheinlicher werden. China leidet zwar unter dem Handelskonflikt mit den USA, doch sieht Walk genügend Spielraum für weitere Stimuli der Regierung.

Metzler: Japanische Banken im Niedrigzinsumfeld – Lehren für Deutschland

Japanische Banken haben bisher keinen Weg gefunden, um im Nullzinsumfeld eine hohe Profitabilität zu erreichen. Immerhin erfüllen sie ihre makroökonomische Aufgabe und vergeben ausreichend Kredite.

Das japanische Bankensystem litt bis 2004 unter einer großen Last an notleidenden Krediten, die nach dem Platzen der Finanzmarktblase Anfang der 1990er-Jahre immer noch in den Bilanzen der Banken schlummerten. Die Folge war, dass die Banken keinen Spielraum für die Neuvergabe von Krediten hatten und es zu einer langjährigen Kreditklemme kam. Dementsprechend erlitten japanische Banken auch von 1996 bis 2004 in den meisten Jahren Verluste.

Erst unter dem damaligen Premierminister Koizumi wurden die Banken ab 2002 gezwungen, die notleidenden Kredite unter anderem auch mit staatlicher Hilfe abzubauen. In den Jahren ab 2005 erzielten die wieder gesundeten japanischen Banken dann im Durchschnitt jedes Jahr Gewinne (mit Ausnahme von 2009). Im Vergleich zu US-Banken ist die Profitabilität jedoch immer noch sehr niedrig. 

Banken in Japan und Deutschland mit niedriger Profitabilität
Return on Assets (Gewinn im Verhältnis zur Bilanzsumme) in %

Banken in Japan und Deutschland mit niedriger Profitabilität

Quelle: Weltbank; Stand: 31.12.2016

Ein Blick auf die Aktienkursentwicklung japanischer Banken im Topix seit 2000 zeigt, dass die Kurse in Erwartung von Leitzinserhöhungen in den Jahren 2000 und 2006 stiegen. Als aber eine Umkehr der Leitzinserhöhungen absehbar wurde, fielen sie wieder. Japanische Bankaktien bewegen sich somit seit 2000 seitwärts ohne Trend. Studien des IWF bestätigen, dass die Profitabilität von Banken bei einem niedrigen Leitzins strukturell deutlich geringer ist als bei normalen Leitzinsen.

Japanische Banken ohne Kursgewinne seit Beginn der Nullzinspolitik
TOPIX Banken, Kursindex und Leitzins in %

Japanische Banken ohne Kursgewinne seit Beginn der Nullzinspolitik

Quelle: Thomson Reuters; Stand: 31.5.2019

Darüber hinaus zeigen die Analysen des IWF, dass die Größe einer Bank ein entscheidender Vorteil in einer anhaltenden Phase niedriger Zinsen ist. Es ist daher kein Wunder, dass es zu einer großen Konsolidierungswelle im japanischen Bankensektor kam, die noch immer anhält.  

Die Gesundung der Banken seit 2005 sowie Corporate-Governance-Reformen, initiiert von Premierminister Shinzo Abe, haben seit 2012 zu einem stärkeren Fokus auf die Aktionäre beigetragen: Banken schütten nun mehr Dividenden aus, und die Dividendenrendite steig von 0,4 % im November 2006 auf 4,2 % im Mai 2019.

Immerhin erfüllen die japanischen Banken ihre makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe. Die Gesundung der Bankbilanzen bewirkte eine Stabilisierung des ausstehenden Kreditvolumens ab 2005, womit sich das Kreditangebot merklich verbesserte. Die Strukturreformen und Stimuli im Rahmen der „Abenomics“ sorgten dann ab 2012 für eine Belebung der Kreditnachfrage.

Japanische Banken erfüllen seit 2005 wieder ihre makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe Ausstehendes Kreditvolumen in Billionen Yen

Japanische Banken erfüllen seit 2005 wieder ihre makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe

Quelle: Thomson Reuters; Stand: 31.5.2019

Wirtschaftspolitisch besteht somit in Japan kein Handlungsbedarf. Die Banken dürften tendenziell größer werden, die Profitabilität allenfalls geringfügig steigen, die Ausschüttungen an die Aktionäre hoch bleiben und viele Banken werden Ertragschancen im Ausland suchen.  

Eurozone: Schwieriges Umfeld für Banken

Eine Analyse des McKinsey Global Institutes zeigt eindrücklich die Auswirkungen der Niedrigzinsen in der Eurozone. So reduzierten sich in der Eurozone die Zinszahlungen der Staaten und Unternehmen (beides große Schuldner) von 2007 bis 2012 um insgesamt etwa 350 Mrd. USD und 275 Mrd. USD. Banken gehörten zu den großen Verlierern mit etwa 225 Mrd. USD geringeren Zinseinnahmen, da die Zinsspanne zwischen Kredit- und Einlagezinsen über diesen Zeitraum deutlich geschrumpft ist.

Die Perspektive einer lang anhaltenden Negativzinsperiode in der Eurozone bedeutet, dass Banken in der Eurozone und vor allem in Deutschland kaum eine Perspektive haben, ihre Profitabilität auf absehbare Zeit merklich zu verbessern, was sich auch in der Aktienkursentwicklung niederschlägt.

Aktienkurse der Banken in der Eurozone seit Beginn der Niedrigzinspolitik unter Druck EURO STOXX Banken, Kursindex und Libor, drei Monate in %

Banken in Japan und Deutschland mit niedriger Profitabilität

Quelle: Thomson Reuters; Stand: 31.5.2019

Immerhin erfüllen die Banken in der Eurozone aber ihre makroökonomische Aufgabe der Kreditvergabe. Die EZB könnte jedoch mit ihrer Negativzinspolitik die Überlebensfähigkeit der Banken zunehmend gefährden, sodass sie früher oder später ihr Kreditangebot einschränken müssten – mit negativen Folgen für die Wirtschaft. Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis die EZB ein gespaltenes Reservesystem einführt, das die Banken in großen Teilen von der Negativzinslast befreit. Die Negativzinsen kosten laut Handelsblatt insbesondere deutsche Banken etwa 10 % ihres Gewinns.

USA: Zinssenkungen immer wahrscheinlicher

In den USA ist derzeit keinerlei Inflationsdruck (Mittwoch) erkennbar. So sind die Lohnstückkosten seit dem vierten Quartal 2017 nicht mehr gestiegen, sondern tendieren nur seitwärts. Die Beschleunigung des Lohnwachstums wurde somit eins zu eins durch ein höheres Produktivitätswachstum gedeckt. Die geringe Inflationsdynamik eröffnet der US-Notenbank den Spielraum, die Leitzinsen zu senken, falls sich die Wirtschaft stärker abschwächen sollte. Vor diesem Hintergrund werden die Einzelhandelsumsätze (Freitag) sowie die Industrieproduktion (Freitag) einen wichtigen Baustein für den Leitzinsausblick liefern.

Die Finanzmarktakteure rechnen derzeit mit zwei bis drei Leitzinssenkungen bis Jahresende. Da wir der Ansicht sind, dass der Rückgang der Kapitalmarktzinsen seit Jahresanfang schon jetzt die Wirtschaft stimuliert – mit positiven Auswirkungen ab dem dritten Quartal –, sehen wir derzeit noch keine Notwendigkeit für Leitzinssenkungen in den USA. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 % erwarten wir daher unveränderte Leitzinsen bis Jahresende und mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 % zwei Leitzinssenkungen.  

China: Neue Schritte zur Konsumbelebung

In dieser Woche beschloss die chinesische Regierung weitere Maßnahmen zur Konsumbelebung. Die Wirtschaft scheint wohl vom Handelskonflikt hart getroffen worden zu sein – das dürften die Daten zur Industrieproduktion (Freitag) sowie zu den Einzelhandelsumsätzen (Freitag) zeigen.

Immer wieder steht dabei die Frage im Raum, ob der chinesischen Regierung nicht das Geld für immer weitere Stimuli ausgehen könnte. Die Regierung kontrolliert jedoch die Zentralbank, die großen Staatsbanken sowie die Staatsunternehmen. Im Endeffekt kann sie daher entweder mithilfe der Zentralbank Geld drucken oder mithilfe der Staatsbanken Kredite in die Wirtschaft pumpen und unterliegt daher keinen Beschränkungen.

Nur eine schon hohe Inflation würde weiteres Gelddrucken problematisch machen. Wäre China auch von ausländischen Krediten abhängig und hätte demzufolge ein hohes Leistungsbilanzdefizit, könnten Ausländer die Kreditvergabe einschränken und damit weitere Stimuli in China verhindern. China hat jedoch eine niedrige Inflation, eine ausgeglichene Leistungsbilanz sowie ein hohes Auslandsvermögen. Für neue Stimuli gibt es also genügend Spielraum.

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