Schroders: Volle Kraft voraus?

Trotz reger globaler Wirtschaftsaktivität ist von Inflation weiter nichts zu sehen. Das überrascht die politischen Entscheidungsträger, die eigentlich Lohnanstieg und Preisdruck erwartet hatten.

01.12.2017 | 09:35 Uhr

Was kann ein einziges Jahr doch für einen Unterschied machen. Die Sitzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) im vergangenen Jahr in Washington waren von Zweifeln hinsichtlich der weltweiten Konjunkturaussichten geprägt. Wie in dem englischsprachigen Video oben erörtert, wurden in diesem Jahr die Prognosen des IWF für die Weltwirtschaft nach oben korrigiert und der Themenschwerpunkt lag auf „nachhaltigem Wachstumsbestreben“.

Frühindikatoren deuten auf ein weiterhin robustes Wachstum hin, das vor allem dem synchron verlaufenden Aufschwung der USA, Europas und Japans, die allesamt starke Wirtschaftsdaten liefern, zu verdanken ist.

Sicherlich spielte hier die lockere Geldpolitik eine Rolle, doch auch die Erholung der Rohstoffpreise und die stabile Entwicklung Chinas haben ihren Anteil daran.

Wir konnten auch eine Neubelebung der Investitionsabsichten beobachten, vor allem in den USA. Auch wenn es sich um eine der längsten je da gewesenen Wachstumsphasen handelt, so zeichnete sie sich bislang gleichzeitig durch äußerst geringe US-Investitionsausgaben, insbesondere seitens der Unternehmen, aus.

Erklären lässt sich dies mit der veränderlichen Beschaffenheit des Wachstums in den USA: mehr Wachstum bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, weniger kapitalintensive Herstellung. Davon abgesehen gestaltet sich auch die Berechnung der Technologiekosten schwierig.

Die Inflation wirft weiterhin Rätsel auf: Sollten wir uns von der Phillips-Kurve verabschieden?

Zwar wirkt sich der Aufwärtstrend beim globalen Wachstum positiv auf Stimmung und Märkte aus, doch die Inflationsentwicklung stellt die Anleger und Zentralbanken weiterhin vor Rätsel. Angesichts der zunehmend angespannten Lage an den Arbeitsmärkten hätten wohl die meisten mit nunmehr rascher anziehenden Löhnen und Inflationsraten gerechnet. Stattdessen haben wir es mit einer „Goldlöckchen“-Erholung zu tun, bei der das Wachstum nicht stark genug für Preissteigerungen ist. 

Und hier kommt die Phillips-Kurve ins Spiel. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen Arbeitslosenquote und Lohnerhöhungen, bei dem geringere Arbeitslosenzahlen zu größeren Lohnanstiegen führen und umgekehrt. Das Problem ist nun, dass sich dies im aktuellen Konjunkturzyklus nicht bewahrheitet. Manche Stimmen behaupten gar, dies funktioniere schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr (1).

Dies hat bei den Zentralbanken eine Art intellektuelle Krise ausgelöst, da die Phillips-Kurve immer als Kompass für die Geldpolitik diente.

Ein verbesserter Kompass wäre nützlich

Im Wesentlichen können wir die Wirtschaftsexperten bei der Debatte um den heutigen Nutzen der Phillips-Kurve in zwei Lager teilen: Die erste Gruppe erwartet von Zentralbanken ein Eingeständnis, dass die beschriebenen Zusammenhänge nicht mehr in der Realität funktionieren, und es nötig ist, andere Mittel zu finden. Die zweite Gruppe möchte die Grundstruktur beibehalten, die genauen Impulsgeber aber besser verstehen. Wir stehen also vor der Wahl, den Kompass zu verbessern oder ihn wegzuwerfen.

Unserer Ansicht nach sollten die Zentralbanken die Phillips-Kurve nicht aufgeben. Einerseits gestaltet sich die Frage nach einem Ersatzinstrument schwierig, und andererseits bietet die derzeitige Grundstruktur jede Menge Verbesserungspotenzial.

Zum Beispiel könnte eine Anpassung der Arbeitslosenquote um Faktoren wie Teilzeitarbeit oder zeitlich befristete Verträge zu einem besseren Verständnis von Lohnentwicklung und Inflationsdruck verhelfen. Außerdem dürfte es erfolgversprechender sein, mehr globale statt lokale Produktionslücken zu berücksichtigen.

Die kommenden Monate könnten ein wichtiger Testlauf sein, da die oben erwähnten Anzeichen für ein weiteres Wachstum der Weltwirtschaft vermutlich auf dem Arbeitsmarkt für eine noch größere Anspannung sorgen dürften.  Ein verbesserter Kompass wäre daher nützlich.

1 Siehe in diesem Kontext auch „Through the looking glass“ von Claudio Borio, Bank für internationalen Zahlungsausgleich, OMFIF City Lecture, 22. September 2017.

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