ODDO BHF CIO View: „Luxusaktien – mehr als eine Wette auf die chinesische Wirtschaft“

Luxus ist eine europäische Stärke. Die mit Aktien der europäischen Luxusgüterhersteller erzielten Renditen sind über einen längeren Zeitraum betrachtet vergleichbar mit Renditen US-amerikanischer Technologiewerte.

26.09.2023 | 14:09 Uhr

Ein Index der zehn größten Luxusgüterhersteller im STOXX Europe 600 (STOXX Europe Luxury 10 Index) erreichte im Fünf-Jahres-Zeitraum bis Ende August 2023 eine etwas bessere Entwicklung als der Nasdaq Composite Index (in Euro). Breite Indizes wie MSCI World, S&P 500 oder STOXX Europe 600 liegen über diesen Zeitraum nochmals merklich tiefer (siehe Abbildung 1).

Ausgewählte Aktienindizes im Vergleich (in Euro, Gesamtertrag)

Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen.

Im laufenden Jahr allerdings schien die Normalität den Luxusgütersektor einzuholen. Nach kräftigen Kursgewinnen in den ersten Monaten des Jahres gaben die Aktienkurse der europäischen Luxusgüterhersteller etwa von Mai an merklich nach. Die Performance im bisherigen Jahresverlauf liegt derzeit ungefähr in der Größenordnung des Gesamtmarktes (gemessen am STOXX Europe 600). Die Kursverluste der Aktien des Luxusgütersegments – insbesondere die „Großen Fünf“ der Branche, Namen wie LVMH, Christian Dior, Hermès International, Compagnie Financière Richemont und Kering – haben natürliche ihre Ursachen. 

Zu den langjährigen geschäftlichen Erfolgen der Luxushersteller dürfte ein Effekt beitragen, der unter Ökonomen „Snob-Effekt“ genannt wird. Der Wirtschaftstheorie zufolge lässt die Nachfrage mit steigendem Preis nach - normalerweise. Tritt jedoch ein Snob-Effekt ein, dann führt eine Preiserhöhung sogar zu steigender Nachfrage. Dann wird das Produkt so exklusiv und so begehrenswert, dass der steigende Preis eine höhere Nachfrage auslöst.  

Da die Käufer Exklusivität anstreben und sich von der Masse abheben wollen, würde eine Preissenkung möglicherweise sogar einen Rückgang des Interesses bedeuten. Unbestritten ist es aus unternehmerischer Sicht eine große Leistung, die den Luxuskonzernen gelungen ist: Die großen Fünf kommen auf weltweite Umsätze von zusammen 222 Milliarden Euro und schaffen es dennoch, ihre Produkte weiterhin mit einem Flair von Exklusivität zu umgeben. 

Dieser Welterfolg ist den Luxusunternehmen dank der Globalisierung gelungen. Doch haben sie nicht nur von ihr profitiert. Sie sind in gewisser Hinsicht auch Sinnbild dieser globalen Welt geworden. Exquisite Uhren, Champagner, erlesene Weine, Handtaschen aus feinstem Leder und Krawatten aus edler Seide haben kulturübergreifend und weltumfassend Liebhaber gefunden. 

Asien-Pazifik ist heute der weltgrößte Absatzmarkt für Luxusgüter. China und Japan allein stehen für die Hälfte der Weltumsätze auf diesem Markt. Japanische Käufer geben zwar pro Kopf mehr aus für Luxus als chinesische, aber dafür übertrifft die Zahl der chinesischen Kunden die der japanischen. Auch sind die geographischen Vorlieben im gehobenen Konsumbereich unterschiedlich: In Japan und Südasien ist hochwertige Kosmetik besonders gefragt, in Australien und Neuseeland vor allem Kleidung, in Südkorea sind es Handtaschen und Accessoires. 

In der Stärke ihres Asien-Geschäfts liegt aus unserer Sicht auch die Verwundbarkeit der europäischen Luxusunternehmen. Bei LVMH machte Asien einschließlich Japan 41 Prozent des Umsatzes im ersten Halbjahr aus. Vor allem in China haben die wirtschaftlichen Risiken in den vergangenen Monaten zugenommen. So befürchtet der IWF in seinem Wirtschaftsausblick, dass die wirtschaftliche Erholung in China langsamer als erwartet voranschreiten könnte. Die chinesische Wirtschaft hat sich bisher nicht in vollem Umfang vom Einschnitt des harten Corona-Lockdowns erholt, und der überdimensionierte Bausektor hat sich vom Wachstumsmotor zum Krisenherd gewandelt. 

Angesichts der Tatsache, dass 70 Prozent des chinesischen privaten Vermögens im angeschlagenen Immobilienmarkt gebunden sind, gepaart mit steigender Jugendarbeitslosigkeit, vorsichtiger Konsumenten und der Investitionszurückhaltung bei den privaten Unternehmen kämpfen die politischen Entscheidungsträger mit einer schwierigen Gemengelage an politischen und wirtschaftlichen Problemen. Viele Ökonomen rechnen bereits damit, dass die Fünf in der chinesischen Wachstumsrate im kommenden Jahr fallen könnte. Nach einer aktuellen Reuters-Umfrage unter Volkswirten ist es sogar denkbar, dass Chinas Wachstumsrate im kommenden Jahr auf 4,5 Prozentfällt. 

Aber auch wenn die chinesischen Wirtschaftswunderjahre auszuklingen beginnen, ist die Luxusgüterbranche nach unserer Überzeugung gut aufgestellt. Zum einen dürfte China auch weiterhin stärker als der Weltdurchschnitt wachsen, zum anderen ist Asien auch jenseits von China eine außerordentlich dynamische Region mit einer riesigen Bevölkerung. Und typisch für Luxusgüter steigt die Nachfrage überproportional, wenn das Einkommen steigt. Zusätzlich verfügen die Hersteller über eine bemerkenswerte Preissetzungsmacht. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain& Company zufolge gingen 70 % des Umsatzwachstum im Bereich der Lederwaren im vergangenen Jahr auf Preissteigerungen zurück – ohne dass die Käufer den Rücken kehrten. Der Snob-Effekt lässt grüßen. Vielsagend dazu ist die Antwort von LVMH-Chef Bernard Arnault auf Überlegungen, die Aktie durch einen Split einem breiteren Anlegerkreis zugänglich zu machen – aktuell liegt der Aktienkurs bei knapp 730 Euro. Er wies den Vorschlag mit den Worten zurück, begehrenswert zu sein, sei proportional zum Wert. Das gelte auch für die Aktie. Wir sind überzeugt, dass die langfristigen Wachstumsperspektiven der Luxusgüterbranche trotz des schwierigeren Umfelds intakt sind. Jan Viebig


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