Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, geht in seinem Kapitalmarktausblick KW5 davon aus, dass sich die Konjunkturdaten aufgrund der aktuell optimistischeren Stimmung bald wieder verbessern.
27.01.2020 | 08:18 Uhr
Dafür sprechen die Deeskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China, ein Aufwärtstrend der Unternehmensinvestitionen in Japan und größere Klarheit in Sachen Brexit.
Die
US-Notenbank (Mittwoch) dürfte sich in einem umkämpften Wahljahr
zurückhalten und eine abwartende Haltung einnehmen. Sie muss jedoch
laufend Liquidität in den Geldmarkt pumpen, um dort das Zinsniveau
stabil zu halten; seit der Repo-Satz im September plötzlich über Nacht
von 2,2 % auf 5,2 % sprang, signalisiert er eine hohe
Liquiditätsknappheit. In der Folge expandierte die US-Notenbank ihre
Bilanz seit September mit hohem Tempo um etwa 400 Mrd. USD – von 3,8
Billionen auf 4,2 Billionen USD. Offensichtlich ist die üppige
Liquidität im amerikanischen Finanzsystem ungleich verteilt, und die
großen Liquiditätssammelstellen, die Großbanken, wollen oder können ihre
Liquidität nicht verleihen.
Es
wird vermutet, dass die Emissionsflut an Staatsanleihen vor dem
Hintergrund des hohen Haushaltsdefizits von mehr als 1,3 Billionen USD
auch ein Grund für die Liquiditätsknappheit sein könnte und dass die
US-Notenbank mit ihrer Bilanzexpansion indirekte Staatsfinanzierung
betreibt. Die Bilanzexpansion ist also solange unproblematisch, wie die
Inflation niedrig bleibt. Derzeit gibt es wenig Anzeichen für eine
nennenswerte Beschleunigung der Inflation (Freitag), sondern eher für
eine träge Seitwärtsbewegung. Dabei sollte auch nicht vergessen werden,
dass die USA die Immobilienpreise (owner-equivalent rent) schon stärker
in der Inflationsberechnung berücksichtigen als die Eurozone.
Die
Deeskalation im Handelskonflikt und die gesunkenen Risiken eines
ungeordneten Brexits sorgen derzeit wieder für etwas
Wachstumsoptimismus. Wahrscheinlich wird er sich aber noch nicht im
vollen Umfang in den zur Veröffentlichung anstehenden Konjunkturdaten
spiegeln: BIP im vierten Quartal (Donnerstag), Neubauverkäufe (Montag),
Auftragseingänge (Dienstag) und Konsumentenvertrauen (Dienstag).
Überlagert wird der Konjunkturoptimismus außerdem noch vom teilweisen
Produktionsstopp bei Boeing, der sich tatsächlich (temporär) auf die
makroökonomischen Daten auswirken wird.
Schafft
Japan nach drei verlorenen Dekaden die Wende zurück zu einem hohen
Produktivitätswachstum? Die zahlreichen Strukturreformen, die ein
wichtiger Bestandteil der Abenomics sind, scheinen langsam zu greifen.
So ist die Arbeitslosenquote seit Beginn des Politikwechsels von
Ministerpräsident Shinzo Abe 2012 von 4,3 % auf 2,4 % gefallen. Darüber
hinaus schränkte die japanische Regierung die Zahl der gesetzlich
zulässigen Überstunden im vergangenen Jahr so stark ein, dass sich
dadurch die Arbeitskräfteknappheit für die Unternehmen noch verstärkte.
Dem
versuchte die Regierung entgegenzusteuern, indem sie die zulässige Zahl
an ausländischen Arbeitskräften von etwa 600.000 im Jahr 2012 auf etwa
1,5 Millionen im Jahr 2018 erhöhte. Die Strukturreformen zwangen die
japanischen Unternehmen auch, ihre Eigenkapitalrendite merklich zu
verbessern, was ihnen nach Berechnungen von Goldman Sachs auch gelang:
Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite stieg von etwa 5,4 % im Jahr
2012 auf zuletzt 8,9 %. Offensichtlich ist es also wieder attraktiv, ins
eigene Unternehmen zu investieren, zumal die knapper werdenden
Arbeitskräfte zunehmend durch Roboter und Software ersetzt werden
müssen. So haben die Investitionsausgaben der Unternehmen immer noch
nicht den Hochpunkt von 1996 erreicht – es gibt also noch viel
Aufholpotenzial.
Japan: Stetige Erholung der Investitionsausgaben - Investitionsausgaben in Billionen Yen
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 15.11.2019
Wir
sehen daher einen strukturellen Aufwärtstrend bei den
Unternehmensinvestitionen – weniger um neue Kapazitäten aufzubauen, als
um bestehende Kapazitäten aufrechtzuerhalten. Japan hat damit nach
unserer Einschätzung gute Chancen, bald mit besseren
Produktivitätszahlen und mit entsprechend hohen Raten beim
Wirtschaftswachstum pro Kopf zu glänzen. Dementsprechend sind die
Perspektiven gut, dass die japanische Wirtschaft bald die derzeitige
Konjunkturdelle hinter sich lassen kann und wieder auf einen soliden
Wachstumspfad zurückkehrt – mit entsprechenden Daten für die
Industrieproduktion und den Arbeitsmarkt (jeweils Freitag).
Die
Konjunkturdaten aus Großbritannien zeigen eine merkliche Verbesserung
im Januar. Das Ende der Brexit-Unsicherheit scheint die Wachstumskräfte
wiederzubeleben, sodass die Unternehmen die lange aufgestaute
Investitionszurückhaltung aufzugeben scheinen. Darüber hinaus plant die
neue britische Regierung, die Staatsausgaben in diesem Jahr deutlich zu
erhöhen, was einen weiteren Wachstumsimpuls bringen dürfte. Die Chancen
sind somit gut, dass sich das Wirtschaftswachstum von 1,1 % im Jahr 2019
auf mehr als 1,5 % beschleunigt. Interessanterweise könnte
Großbritannien damit als der große Gewinner des Brexit erscheinen.
Großbritannien
ist ein wichtiger Exportmarkt für die Eurozone, der nun den dringend
benötigten Wachstumsimpuls liefern könnte. Der ifo-Index (Montag) sowie
der Geschäftsklimaindex der EU-Kommission (Donnerstag) könnten sich
somit auch im Januar verbessern. Darüber hinaus dürfte das
Wirtschaftswachstum in der Eurozone (Freitag) im vierten Quartal bei 0,2
% unverändert gegenüber dem dritten Quartal geblieben sein. Die
Kerninflation (Freitag) im Januar erwarten wir unverändert bei 1,3 %.
Die
Wertentwicklung von Unternehmensanleihen aus der Eurozone lag im
vergangenen Jahr bei etwa 6,3 %. Unternehmensanleihen aus dem
Nichtfinanzsektor mit einem Rating von BBB erzielten 2019 sogar eine
Performance von 7,3 %. Eine Einengung des Asset-Swap-Spreads um etwa 50
Basispunkte lieferte dabei einen wichtigen Performancebeitrag.
Wir erwarten stabile Spreads im Jahresverlauf – dank stabilem moderatem Wachstum und EZB-Liquiditätsflut - Angaben in Basispunkten
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2019
Unser
Prognosemodell für die Asset-Swap-Spreads von Unternehmensanleihen aus
dem Nichtfinanzsektor mit einem Rating von BBB besteht aus drei
Variablen: Wirtschaftswachstum, Geldpolitik und Risikoneigung. Für die
Risikoneigung unterstellen wir für 2020 eine konstante
Seitwärtsbewegung. Auch für das Wirtschaftswachstum sehen wir mehr oder
weniger eine Seitwärtstendenz mit einer Wachstumsrate von etwa 1,0 %.
Darüber hinaus unterstellen wir eine unveränderte Geldpolitik der EZB.
Dabei sollte jedoch nicht unterschätzt werden, dass trotz einer
unveränderten Geldpolitik das laufende QE-Programm der EZB von 20 Mrd.
EUR pro Monat den Unternehmensanleihemarkt weiterhin beeinflusst. Unsere
Schätzung zeigt, dass mit einem Rückgang des Asset-Swap-Spreads von 80
Basispunkten Ende Dezember 2019 bis auf etwa 70 Basispunkte Ende
Dezember 2020 gerechnet werden kann – sollten unsere Annahmen zutreffen.
Hier zeigt sich einmal wieder der große Einfluss der EZB-Geldpolitik
auf die Finanzmärkte in der Eurozone.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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