Columbia Threadneedle: Ein Blick hinter die angebliche “Bankenkrise”

Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments
Kommentar

Die Achterbahnfahrt der Finanzmärkte in der vergangenen Woche wurde von der Sorge um die Banken beherrscht, nachdem zwei Banken in den USA zusammengebrochen waren und die Credit Suisse von der UBS übernommen wurde.

28.03.2023 | 08:34 Uhr

Diese Woche geht Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments, der Frage nach, was das alles für die Zinssätze und die Finanzmärkte bedeutet.

  • Die Märkte sind getrieben von Sorgen um den Bankensektor.
  • Bedingungen für die Fremdfinanzierung werden straffer, so dass die US-Notenbank die Zinsen wahrscheinlich nicht so weit anheben muss.
  • Die Credit Suisse scheint ein isolierter Sonderfall zu sein, und die Banken in Europa sind gut kapitalisiert.
  • Wirtschaftsdaten sind gut. Ohne die Schwierigkeiten im Bankensektor könnten die Zentralbanken die Zinsen durchaus weiter erhöhen.
  • Eine Rezession in den USA mag näher rücken, aber sinkende Gaspreise sorgen für Erleichterung bei europäischen Konsumenten, Unternehmen und Regierungen.

Ein Blick hinter die angebliche „Bankenkrise“

Die Sorgen in den USA beziehen sich auf kleine und mittelgroße US-Banken, die lockerer reguliert sind als die größeren Institute und Einlagenzinsen anbieten, die mit Geldmarktfonds nicht konkurrieren können. Das Rinnsal der Einlagenabflüsse hat sich in eine Flut verwandelt, und das verschärft die Kreditverknappung – ein Prozess, der schon lange vor Ausbruch der jüngsten Krise im Gange war. Die Kreditvergabe an kleinere Unternehmen und gewerbliche Immobilien im Allgemeinen wird in Mitleidenschaft gezogen – dies ist schmerzhaft, aber Teil des geldpolitischen Transmissionsprozesses. Und straffere Kreditbedingungen bedeuten, dass die Federal Reserve die Leitzinsen wahrscheinlich nicht so weit anheben muss. In der Tat preisen die Märkte jetzt steile Zinssenkungen vor Jahresende ein und erwarten, dass sie bald beginnen.

Für Steven Bell sieht es so aus, als sei die Credit Suisse ein Einzelfall: „In Europa ist die Regulierung einheitlich, und es ist nicht zu denselben massiven Abflüssen von Einlagen gekommen. Die Banken sind im Allgemeinen gut kapitalisiert, und viele europäische Finanzinstitute sind dabei, Kapital an ihre Aktionäre auszuzahlen.“ Er betont, dass für britische Banken das gleiche gilt. Und obwohl die Kreditbedingungen auch in Europa verschärft werden, geschieht dies in einem langsameren Tempo als in den USA.

Die Konjunkturdaten wurden zwar von der Bankenkrise überschattet, aber die jüngsten Zahlen waren überzeugend. Die für Europa und die USA veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes zeigen einen Anstieg der Dienstleistungsaktivitäten, während das verarbeitende Gewerbe schwächer war. Bell erklärt: „Das verarbeitende Gewerbe ist wichtig für den Aktienmarkt, aber der Dienstleistungssektor ist viel wichtiger für die Gesamtwirtschaft und insbesondere für die Beschäftigung. Und das wiederum ist entscheidend für die Geldpolitik: Ohne das Bankenbeben und die jüngsten Daten wären weitere Zinserhöhungen durch die Zentralbanken in Aussicht gestellt worden.“

Der Volkswirt glaubt, dass die Kreditkrise in den USA das Land näher an eine Rezession gebracht hat. Doch es scheint, dass die Wirtschaft zu Beginn der Krise stärker war. Derweil sorgen in Europa sinkende Erdgaspreise für Erleichterung bei Konsumenten, Unternehmen und Regierungen gleichermaßen.

Was bedeutet das für die nahe Zukunft? „Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir generell Risikoanlagen in Europa, aber Aktien insgesamt könnten es schwer haben. Und der Euro könnte gegenüber dem Dollar aufwerten“, folgert Steven Bell. Außerdem blieben Anleihen attraktiv, trotz der jüngsten Rallye.

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