TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Der Start des Worldcoin.
31.07.2023 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»
Seit Montag ist in Deutschland eine neue Kryptowährung am Start. Sie nennt sich Worldcoin. Eine Währung für die ganze Welt. Kleiner gings nicht. Natürlich nicht. Denn die Versprechen sind groß: Der Worldcoin soll nicht nur eine Währung sein, sondern gleich die ganze Welt verändern. Wer ein Worldcoin-Portemonnaie – also eine entsprechende Krypto-Wallet – hat, soll damit nicht nur bezahlen und handeln können, sondern erhält irgendwann auch ein bedingungsloses Grundeinkommen, auf Englisch Universal Basic Income oder kurz UBI. Außerdem will das System sicherstellen, dass der Besitzer der Wallet ein Mensch ist. Dafür soll eine sogenannte World ID sorgen. Die bekommt man, wenn man seine Iris scannen lässt. Das geht nicht am eigenen Computer. Zu groß wäre die Gefahr, dass sich hier Hacker Zugang verschaffen oder sich eine KI einschleicht. Also sollen weltweit Scan-Zentren aufgestellt werden. Man tritt persönlich, ganz als Mensch, ein, schaut in den Schlitz einer kleinen weißen Kugel namens „The Orb“, und schon ist man digitales Mitglied einer wachsenden Gemeinde von Worldcoin-Gläubigen.
Den Anfang macht ausgerechnet Berlin. Das ist kein Zufall. Das Unternehmen hinter der Worldcoin-Technologie sitzt zwar in Delaware, aber hat einen Ableger in Deutschland – die Tools for Humanity GmbH. Deren Gründer sind der deutsche Physiker Alex Blania und der OpenAI-Chef Sam Altman. Als die Kryptowährung 2019 entwickelt wurde, war sie nur eine unter vielen spinnerten Ideen. Seit dem furiosen Start von OpenAI hat sich die Sicht auf die Dinge verändert. Altmans Beteiligung an dem Projekt sorgt jetzt dafür, dass der Worldcoin öffentlich ernst genommen wird.
Die Frage ist: Kann man Sam Altman noch ernst nehmen? Sicher, der Mann hat mit der App ChatGPT eine Softwarelösung geschaffen, die Erstaunliches leistet und vielleicht sogar die Welt verändert. Das prophezeit er ohne Anflug von Bescheidenheit selbst. Bald werde eine Advanced General Intelligence (AGI) die Welt regieren. Also eine KI, die schlauer sein wird als wir. Sie wird mehr wissen, mehr arbeiten und Milliarden von Menschen arbeitslos machen. Deshalb, so sein Schluss, brauchten alle Menschen ein Grundeinkommen und einen Zugang zu einem verlässlichen Zahlungssystem, das dezentral organisiert sei und dem Wohl aller Menschen diene. Das alles werde der Worldcoin bieten. Halleluja. Altman verspricht also die Lösung eines Problems, das er selbst geschaffen hat. Dass ein durch Iris-Scan gesichertes System vor einer KI schützen soll, die von Sam Altman und seinem Team mitentwickelt wurde, ist ein schlechter Witz. Oder ein guter. Die einen sagen so, die anderen so.
Bleiben wir dennoch ernst und fragen: Kann der Worldcoin seine Versprechen halten? Nun, fangen wir mit dem Thema Dezentralität an: Nur ein Unternehmen verfügt über die Technik, produziert „The Orb“, scannt die Augen lokal vor Ort und verwaltet die Daten. Nur dieses Unternehmen bestimmt, ob und welches Grundeinkommen an Worldcoins jeder, der eine Wallet hat, bekommt. Und wieviel man für die Wallet und mögliche Aktivitäten wie Zahlvorgänge und Handel zahlt. Ob das überhaupt irgendwann einmal relevant wird, steht in den Sternen. Denn der Iris-Scan vor Ort muss schließlich massenhaft in allen Teilen der Welt stattfinden. Nicht nur in Berlin Mitte, sondern auch irgendwo in der asiatischen Steppe, auf den philippinischen Inseln, in Indien oder Afrika – wenn schon Worldcoin, dann bitte schön richtig. Gerade in Afrika dürfte es die neue Kryptowährung schwer haben. Und zwar nicht etwa deshalb, weil die Afrikaner rückständig seien, sondern im Gegenteil: Dort findet Banking in großer Dimension schon längt ohne Banken statt. Dezentral über Smartphones und modernste Apps. Den Worldcoin, für den der Besuch von zentralen Iris-Scan-Zentren zur Registrierung nötig ist, braucht man dort nicht mehr wirklich.
Und da sind schon beim nächsten Punkt, dem Businessplan. Wenn ein bisher nicht näher beschriebenes Geschäftsmodell für den Worldcoin dann doch irgendwann weltweit funktionieren sollte, werden die Investoren Gewinne machen wollen. In Echtgeld natürlich. Spätestens hier stößt das öffentlich zur Schau gestellte Altruismus von Sam Altman und Alex Blania an seine Grenzen. Das System muss Echtgeld-Gewinne liefern. Davon werden nur Wenige profitieren. Unter anderem die beiden Gründer selbst.
Dann ist da noch die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Wenn ein Währungssystem massenhaft Geld produziert, ohne Gegenleistung und ohne die Möglichkeit einer Geldmengenreduzierung, bläht sich dieses System immer weiter auf bis zur Wertlosigkeit. Das ist das Grundproblem des UBI. Was nichts kostet, ist nichts wert. So einfach ist das. Und eigentlich leicht zu verstehen – außer von denjenigen, die immer wieder mit denselben Argumenten für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädieren und dabei jede mathematische Regel und jede volkswirtschaftliche Grundannahme ignorieren.
Der vierte Punkt ist das verquere Heilsversprechen der beiden Gründer: Mit ihrem System verfolgen Altman und Blania die Vision, ein Identitäts- und ein Finanznetzwerk zu erschaffen, „das allen gehört“. Sie erklären, allen Menschen Zugang zum globalen Wirtschaftssystem ermöglichen zu wollen. Sie versprechen, dass die World-ID die Privatsphäre schützt und Menschen Worldcoin einfach dafür erhalten, dass sie Menschen sind. Klingt löblich. Doch es gilt immer noch der grundlegende Satz der neuen digitalen Ökonomie, die unsere Welt seit Jahren beherrscht: Wenn Du etwas nutzt und scheinbar nichts dafür bezahlst, dann solltest Du Dich fragen, ob Du nicht selbst das Produkt bist. ChatGPT etwa speist sein Wissen aus frei zugänglichen und auch zum Teil eigentlich geschützten Daten, die Menschen geschaffen haben. Es ist Allgemeinwissen. Es gehört uns allen. Eigentlich. Altman und seine Kollegen nutzen die Daten, sagen aber nicht, wie. Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein geschütztes Betriebsgeheimnis und nun für ein einziges Unternehmen, nämlich OpenAI, Milliarden an Dollar wert. Wir alle tragen dazu bei, dass OpenAI besser und mächtiger wird – und wertvoller für seine Investoren. So ähnlich wird es auch mit Worldcoin sein, falls es funktionieren sollte. Das UBI-Versprechen sollte nicht darüber hinwegtäuschen. Es ist wertlos. Wer eine eigene Währung selbst produzieren kann, um sie dann freigiebig zu verschenken, schafft keine Werte, sondern hat im wahrsten Sinne des Wortes einfach nichts zu verlieren. Und noch einmal: Halleluja.
Am Dienstag wird NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in Weeze als erster den Spaten in den Boden stechen. Der symbolische Spatenstich markiert den Baubeginn einer Rheinmetall-Fabrik für F-35-Kampfjet-Bauteile. Gut 400 Beschäftigte sollen in Weeze künftig eine Montagelinie betreiben, auf der Rumpfteile für mindestens 400 der modernen Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeuge der US-Firmen Northrop Grumman und Lockheed Martin gebaut werden. 35 davon wird die Bundeswehr übernehmen. Es mutet irgendwie befremdlich an, wenn Politiker wieder gerne die Eröffnung von Waffenschmieden feiern. Leider hat Russland mit seinem Krieg gegen die Ukraine die Sicht auf die Dinge verändert. Das ist bitter.
Am Mittwoch veröffentlicht die Zentralbank der Russischen Föderation aktuelle Zahlen zur Arbeitslosenquote. Seit dem Einmarsch in die Ukraine hat sich die Zahl der Erwerbslosen in Russland fast halbiert. Zuletzt waren nach offiziellen Angaben 3,2 Prozent der arbeitsfähigen Menschen in Russland ohne Job. Der Trend zeigt weiter abwärts. Die russische Propaganda wird dies vermutlich als Erfolg feiern. Fakt ist aber, dass Militär und Waffenproduktion dem zivilen Arbeitsmarkt zunehmend Arbeitskräfte entziehen. Gleichzeitig bremst der zunehmende Arbeitskräftemangel in Russland das Wachstum der Wirtschaft.
Am Donnerstag gibt die europäische Statistikbehörde Eurostat den aktuellen Wert des Erzeugerpreisindex (PPI) bekannt. Der PPI misst die durchschnittliche Preisveränderung von Rohstoffen, die von den Produzenten der Eurozone gekauft wurden. Änderungen des PPI gelten als Indikator für die Entwicklung der Rohstoffpreise. Die gute Nachricht für die Industrie lautet: Mittlerweile ist der PPI auf Jahressicht in den Minusbereich gerutscht. Das heißt, die Preise sinken.
Am Freitag veröffentlicht das US Department of Labor die aktuellen Zahlen zu den durchschnittlichen Wochenarbeitsstunden in den USA. Zuletzt sank der Wert auf unter 35 Stunden. Die Zahl ist ein wesentlicher Indikator für die Inflation der Arbeitskosten und der Dichte am US-Arbeitsmarkt. Wenn im Durchschnitt so wenig gearbeitet wird wie zurzeit, heißt dies, dass Arbeit derzeit teuer ist, Arbeitskräfte also im historischen Durchschnitt hoch bezahlt werden.
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