TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Die Inflation in der Eurozone sinkt, doch die EZB ziert sich, die Zinsen zu senken.
08.04.2024 | 07:15 Uhr
Osterzeit ist Konsumzeit ist Teuerungszeit. Für den Einzelhandel, die Gastronomie und die Tourismusbranche liegen die Ostereier reich gefüllt mit Gewinnen im Körbchen. Denn zu keiner anderen Zeit lassen sich die Preise auf so breiter Basis erhöhen wir vor Ostern. Nicht einmal zu Weihnachten. Auch die Petrolindustrie lacht sich zu dieser Zeit ins Fäustchen. Die Leute wollen nach Hause und am gemeinsamen Familientisch schlemmen. Da kostet der Liter Sprit an der Tanke schon mal ein paar Cent mehr. Erschwerend kommt hinzu, dass der Ölpreis aufgrund der angespannten Situation im Nahen Osten angestiegen ist und mit einem geopolitischen Risikoaufschlag gehandelt wird. Ein Barrel Brent kostet aktuell fast 90 US-Dollar. Dies alles zusammen ließ die Ökonomen mit bösen Vorahnungen auf die neuesten Inflationszahlen für die Eurozone blicken. Doch was ist passiert? Die Inflation in der Euro-Zone hat weiter abgenommen, und das sogar stärker als erwartet. Im März sind die Verbraucherpreise laut einer Schnellschätzung der EU-Behörde Eurostat nur noch um 2,4 Prozent gestiegen. Im Februar betrug die Inflation noch 2,6 Prozent. Damit nähert sich die Rate zügiger als erwartet dem EZB-Ziel von zwei Prozent. Auch die Kerninflationsrate, bei der Lebensmittel- und Energiepreise herausgefiltert werden, ist im März gesunken – von 3,1 auf 2,9 Prozent. Gleichzeitig tritt die Wirtschaft in der Eurozone auf der Stelle (siehe Grafik). Was nicht zuletzt auch den Gewerkschaften zu verdanken ist, die bei den Tarifverhandlungen in den vergangenen Monaten nicht gerade zimperlich waren. Mehr Geld für weniger Arbeit ist nicht unbedingt ein Konjunktur-Booster. Gleichzeitig haben die Lohnsprünge jedoch auch nicht für mehr Inflation gesorgt.
Die Situation sieht deshalb so aus: Die Sondereffekte wie Ostern und der Risikozuschlag bei Öl fallen in den kommenden Monaten weg. Weihnachten ist erst in acht Monaten, und die größten Tarifschlachten sind bereits geschlagen. Die Europäische Zentralbank müsste spätestens jetzt das Glöckchen klingeln lassen, um die Phase der Zinssenkungen anzukündigen. Doch Christine Lagarde und ihre Kollegen zieren sich. Man beobachte die Entwicklung genau und müsse vorsichtig abwägen, lässt man verlautbaren. Manch einer vergleicht das Zögern der EZB und die Hoffnung auf Zinssenkungen schon mit dem Warten auf Godot. Man redet die ganze Zeit darüber, und es passiert – nichts. Dabei ist es wohl ein offenes Geheimnis, dass die Währungshüter im Frankfurter EZB-Turm eigentlich nur mit großen Augen über den großen Teich schauen. Die Fed gibt den Takt an. Erst danach wird die EZB handeln. Das war schon immer so. Und es wird auch diesmal so sein. Das Problem dabei ist, dass sich die Zinskurve in den USA in diesem Jahr als wildes Pony gerieren könnte.
Erstens, weil Wahljahr ist. Die US-Notenbank will unpolitisch sein. Doch jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass ein Donald Trump im Weißen Haus die Zinsen völlig losgelöst von ökonomischer Vernunft so weit wie es geht nach unten prügeln würde. Zur Not auch über ein Hineinregieren in die Fed, vermutlich über die Personalpolitik. Man stelle sich nur eine Wahnsinnige wie Marjorie Taylor Greene als Notenbank-Präsidentin vor. Trump wäre solch ein Schachzug zuzutrauen. Die Fed muss sich also die Frage stellen, wie sie dies verhindern und gleichzeitig vernünftig agieren kann, ohne politisch zu wirken. Das ist leider kaum möglich. Soll sie schon im Vorfeld der Wahlen die Zinsen senken und die Wirtschaft noch einmal anfeuern? Dann stünde sie zwischen den Fronten: Die Demokraten könnte der Fed vorwerfen, vor Trump in vorauseilendem Gehorsam niederzuknien. Die Republikaner wiederum könnten der Fed vorwerfen, mit einer Zinssenkung noch einmal für gute Stimmung bei Konsumenten und Wirtschaft zu sorgen – was erfahrungsgemäß der regierenden Partei zugutekäme.
Zweitens lesen sich die Inflationsprognosen für die USA nicht ganz so eindeutig wie für den Euroraum. Sollten die privaten Konsumausgaben bis zur Jahresmitte tatsächlich wie erwartet weiter sinken, könnte die Fed dies als Anlass nehmen, die Zinsen zum ersten Mal zu senken. Doch damit die Inflationsrate nachhaltig sinken kann, müsste die gesamtwirtschaftliche Nachfrage deutlich zurückgehen, was sehr wahrscheinlich eine moderate Rezession der US-Wirtschaft zum Jahresende zur Folge hätte. Die Fed würde darauf vielleicht sogar mit stärkeren Zinssenkungen reagieren, als es derzeit von den Märkten erwartet wird. Bleibt die Konjunktur jedoch so robust wie bisher, droht eine zweite Inflationswelle. In diesem Fall könnte die Fed womöglich gezwungen sein, vorgenommene Zinssenkungen wieder rückgängig zu machen.
Das Gesamtszenario ist eine Zwickmühle, aus der sich Jerome Powell derzeit sichtbar bemüht rhetorisch zu befreien sucht. Der Kampf gegen die Inflation „ist noch nicht beendet“, warnte er am vergangenen Donnerstag. Mit anderen Worten: Er spielt auf Zeit. Die Fed lässt ihr Pulver im Trockenen und wartet erst einmal ab. Die Daten der weltweit größten Terminbörse CME zeigen, dass sich die Börse bereits darauf eingestellt hat. Die Investoren rechnen nicht mehr damit, dass die US-Notenbank Fed den Leitzins zeitnah und stark senken wird. Für die bang nach Washington blickenden Währungshüter in Frankfurt ist das keine gute Nachricht.
Ein „Warten auf Godot“ ist das Szenario dennoch nicht. Denn Godot kommt in Becketts Stück gar nicht. Die Zinssenkungen dagegen werden kommen. Vielleicht nicht so früh wie erwartet, aber sie werden kommen. Irgendwann. Ganz sicher.
Am Dienstag lädt die Bundestagsfraktion der Grünen zu einem sogenannten hybriden Fachgespräch ein. Das Thema: „Nachhaltig investieren - von Greenwashing zu echtem Impact“. Man kann an der Veranstaltung via Videokonferenz teilnehmen – und sollte es wohl auch tun. Denn die Grünen-Politiker*innen diskutieren nicht nur mit den geladenen Expert*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Aufsicht, sondern auch mit denen, die sich in die Konferenz zuschalten. Und da sollte durchaus auch Tacheles geredet werden. Denn die Bundestagsfraktion will die Regulierung von nachhaltigen Finanzprodukten weiter verschärfen.
Am Mittwoch veröffentlicht das US-Statistikbüro die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex. In Frankfurt wartet man gespannt darauf, wie die Fed die Zahlen interpretieren wird.
Am Donnerstag findet der Wohnungsbau-Tag 2024 statt. Das Motto: „Konjunktur-Motor Wohnungsbau: Worauf wartet Deutschland?“ Geladene Gäste wie etwa Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dürfen sich auf die Vorstellung von zwei Studien zur Wohnungsbau-Krise und zackige Reden der Vertreter des Verbändebündnisses Wohnungsbau freuen. Man möchte nicht in ihrer Haut stecken. Das Leben von Politikern kann manchmal sehr, sehr anstrengend sein.
Am Freitag beginnt im Baden-Württembergischen Offenburg die Messe „Forst Live“. Es handelt sich laut Veranstalter um die führende Messe für Forsttechnik, Erneuerbare Energien und Jagd in Deutschland. Klingt spannend. Vor allem, wenn man versucht, sich vorzustellen, wie diese Themen unter einen Hut zu bringen sind. Eine elektrisch betriebene Kettensäge mit Zielfernrohr zum Beispiel könnte ein Highlight sein. Man darf sich überraschen lassen.
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