Metzler: Wie wird die US-Notenbank auf Inflationsüberraschungen reagieren?

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Inflation

Ein leicht überhitzter US-Arbeitsmarkt und der fiskalische Stimulus der Fed könnten zu höheren Inflationswerten in den USA führen. Die Fed steht vor dem Dilemma, entweder mit aggressiven Leitzinserhöhungen eine Rezession zu riskieren oder mit vorsichtigen Erhöhungen längerfristig das Inflationsziel zu verfehlen.

07.09.2018 | 15:57 Uhr

Die US-Wirtschaftsdaten sind derzeit robust und signalisieren ein Wirtschaftswachstum von über 3 % im dritten Quartal. Verantwortlich dafür ist der fiskalische Stimulus, der jedoch schon im Jahresverlauf 2019 einen immer geringeren Wachstumsbeitrag liefern wird. Die zuletzt schwachen Daten vom frühzyklischen Wohnimmobilienmarkt zeigen zudem, dass ohne den fiskalischen Stimulus die Wachstumsdynamik wahrscheinlich deutlich geringer wäre. Nichtsdestotrotz gehen vom fiskalischen Stimulus in Kombination mit einem leicht überhitzten Arbeitsmarkt zunehmend Inflationsrisiken aus. So besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation (Donnerstag) mit leicht höheren Werten überrascht. 

Wie soll nun die US-Notenbank darauf reagieren? Die Finanzmarktakteure rechnen noch mit insgesamt drei Leitzinserhöhungen der Fed bis Ende nächsten Jahres: Die effektive Federal Funds Rate dürfte von derzeit 1,9 % auf 2,65 % steigen. Ein Leitzins von etwa 2,65 % würde in etwa dem geschätzten neutralen Niveau entsprechen, bei dem die US-Notenbank die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Auch würde damit die Renditestrukturkurve in den USA noch leicht steil bleiben, solange die Rendite 10-jähriger US-Treasuries zwischen 2,8 % bis 3,0 % schwankt. Studien zeigen, dass nur eine inverse Renditestrukturkurve erhöhte Rezessionsrisiken signalisiert. Interessanterweise scheint auch eine immer größere Anzahl an Mitgliedern des Offenmarktausschusses die Steilheit der Renditestrukturkurve als Zielgröße der Geldpolitik im Blick zu haben.

Finanzmarktakteure erwarten noch drei Zinsschritte in den USA 
USD-Overnight-Indexed-Swaps-Forwards in %

Finanzmarktakteure erwarten noch drei Zinsschritte in den USA

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 7.9.2018

Die US-Notenbank steht somit vor einem Dilemma: Reagiert sie einerseits mit aggressiven Leitzinserhöhungen auf die Inflationsüberraschungen, würde die Renditestrukturkurve invers – mit nachlassendem Fiskalstimulus würde spätestens 2020 eine Rezession drohen, bei der die Inflation schnell wieder in Richtung der 0 %-Marke fallen könnte. Bleibt sie andererseits bei ihrer Politik der vorsichtigen Leitzinserhöhungen im Einklang mit den Erwartungen der Finanzmarktakteure, würde sich die Inflation über einen längeren Zeitraum über ihrem Inflationsziel etablieren und könnte somit Glaubwürdigkeit der Fed unterminieren. Der Vorteil wäre jedoch, dass die US-Notenbank den Aufschwung nicht in Gefahr bringen würde, wenn die fiskalischen Impulse 2019 sukzessive nachlassen. Auch lag die Inflation in den vergangenen Jahren regelmäßig unterhalb des Inflationsziels der US-Notenbank, sodass sich auch eine Phase von ein bis zwei Jahren mit höheren Inflationsraten rechtfertigen ließe. Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank eher den vorsichtigen Weg wählen wird, da auch Fed-Präsident Powell in seiner Rede in Jackson Hole davon sprach, dass in Zeiten hoher Unsicherheit eine abwartende Haltung die beste Option sei.

Die anderen Datenveröffentlichungen wie das Geschäftsklima der kleineren und mittleren Unternehmen (Dienstag), die Zahl der offenen Stellen (Dienstag), die Erzeugerpreise (Mittwoch), die Einzelhandelsumsätze (Freitag) sowie die Industrieproduktion (Freitag) treten gegenüber den Inflationsdaten in den Hintergrund.  

EZB: abwartende Haltung

Die EZB (Donnerstag) scheint das Primat einer „abwartenden Haltung“ von US-Notenbankpräsident Powell schon nahezu perfektioniert zu haben. Der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber kritisierte die EZB in diesem Zusammenhang auch dafür, dass eine robuste wirtschaftliche Entwicklung eigentlich nicht mit negativen Zinsen vereinbar sei. Trotzdem dürfte sich die EZB nicht aus ihrer Ruhe bringen lassen.

Die sentix- und ZEW-Konjunkturerwartungen (Montag und Dienstag) könnten erste Anzeichen einer Stabilisierung zeigen, während die Industrieproduktion (Mittwoch) noch im Juli schwach gewesen sein dürfte. Der Blick wird sich auch auf die Entwicklung der Arbeitskosten (Freitag) richten, da immer mehr Unternehmen in Europa gegenüber ihren Aktieninvestoren über steigende Lohnkosten klagen. Steigende Löhne werden sich langsam aber sicher in höhere Preise widerspiegeln.    

China: schwierige Übergangsphase

Die chinesische Wirtschaft wächst schon seit einigen Quartalen stabil über 6,5 %, obwohl die chinesische Regierung schon seit Ende 2015 die Neukreditvergabe stark eindämmt, um die Verschuldung zu reduzieren. Dabei ist die Kreditvergabe des regulierten Bankensektors sogar leicht gestiegen, während die Kreditvergabe im sogenannten „Schattenbankensystem“ deutlich gefallen ist.

Die chinesische Regierung vollzieht bisher eine Gratwanderung zwischen Entschuldung und Konjunkturstabilisierung

Die chinesische Regierung vollzieht bisher eine Gratwanderung zwischen Entschuldung und Konjunkturstabilisierung

* Gleitender 12-Monats-Durchschnitt
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: Juli 2018 (Nettoneufinanzierung), 


Laut Expertenmeinung schränkte die chinesische Regierung jedoch zuletzt die Kreditvergabe zu stark ein – mit negativen Auswirkungen auf die Konjunktur, die noch durch den Handelskrieg verstärkt wurden. Die Mehrheit der Experten rechnet unter anderem damit, dass die USA bald neue Strafzölle in Höhe von 10 % oder 25 % auf Importe aus China in Höhe von 200 Mrd. USD erheben werden. Danach stehen jedoch laut Expertenansicht die Chancen gut, dass die USA auf weitere Maßnahmen verzichten und es eine Annäherung zwischen beiden Ländern geben könnte. Zwar beschloss die chinesische Regierung in den vergangenen Wochen neue Stimulusmaßnahmen und erleichterte wieder die Kreditvergabe; die positiven Effekte auf die Wirtschaft dürften jedoch erst gegen Jahresende sichtbar werden. Vor diesem Hintergrund dürften die Einzelhandelsumsätze (Freitag) und die Industrieproduktion (Freitag) nach der Schwäche in den vergangenen Monaten kaum Anzeichen einer Belebung im August aufgewiesen haben.

Die chinesische Regierung schaffte den Schuldenabbau bei stabilem Wachstum bisher durch die erfolgreiche Forcierung des Strukturwandels. Die alten Branchen wie die Schwerindustrie verlieren zunehmend an Bedeutung und neue Unternehmen entstehen zunehmend im Konsum- und Technologiesektor. Dementsprechend sind auch die Gewichte der Unternehmen aus dem Konsum- und Technologiesektor in den vergangenen Jahren an der Börse für Inlandsaktien merklich gestiegen.

MSCI China A Shares: Aktienmarkt reflektiert erfolgreichen Strukturwandel Marktkapitalisierung in %

MSCI China A Shares: Aktienmarkt reflektiert erfolgreichen Strukturwandel Marktkapitalisierung in %

Wachstumsbranchen: Basiskonsumgüter; Nicht-Basiskonsumgüter; IT
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler

Insbesondere gehört China dank umfassender staatlicher Hilfen zu den großen Gewinnern der Digitalisierung. Unter den 20 größten Internetunternehmen der Welt sind schon acht Unternehmen aus China. Auch stehen derzeit in China die meisten Supercomputer der Welt.

China und USA im Kampf um die digitale Vorherrschaft
Top 10 der schnellsten Supercomputer der Welt auf Basis des Messprogramms LINPACK

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Quelle: TOP500.org  

Die chinesische Wirtschaft verfügt vor diesem Hintergrund über ein anhaltend hohes Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren.

Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management


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