Schroders: Was der Brexit für Gold bedeutet

Gold war fast völlig aus dem Blickfeld verschwunden. In einer zutiefst unsicheren Welt ist das Edelmetall auf dem besten Weg, wieder zu einer Kernanlage zu werden. Allerdings verschlimmern sich durch den Brexit bereits eingefahrene Trends.

11.07.2016 | 11:10 Uhr

Gold ist noch immer eine nicht ausreichend berücksichtigte Absicherung gegen die mangelnde Glaubwürdigkeit von Zentralbanken und die unterschätzten globalen Risiken, insbesondere aus China. Die potenzielle Inflation oder Entwicklungen an den Währungs- und Finanzmärkten weltweit: Beides stellt derzeit zweifelsohne extremere Risiken dar als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Ganz aktuell hat sich das Referendum über den Brexit unmittelbar auf den Goldpreis ausgewirkt, der am Freitag nach dem Votum um über 6,5 % auf ein Tageshoch von 1.340 US-Dollar je Unze nach oben schnellte. In britischen Pfund gemessen stieg der Goldpreis innerhalb von 48 Stunden sogar um fast 20 %.Bei Markteffekten ist zwischen kurzfristigem schnellen Geldflüssen und der längerfristigen Perspektive zu unterscheiden. Fluchtbewegungen in sichere Anlagen sind oft nur vorübergehend und gehen mit einer gewissen kurzsichtigen Panik einher. Um die längerfristigen Folgen des Brexit für den Goldmarkt zu verstehen, müssen wir dieses Ereignis im Zusammenhang mit zwei wichtigen Trends sehen. Erstens mit den realen Zinsen und zweitens mit dem weltweiten politischen Populismus.

1. Die Erwartungen gegenüber Realzinsen sind unseres Erachtens heutzutage ein Hauptfaktor für die Entwicklung an den Goldmärkten

Viele Marktteilnehmer hoffen, dass ein systematisches Programm der US-Notenbank Fed für Zinserhöhungen die Realzinsen letztlich steigen lässt und den Dollar stärker macht. Genau dies war einer der wesentlichen Faktoren für die Goldpreisschwäche der letzten Jahre. Die meisten Anleger, mit denen wir in den vergangenen 18 Monaten sprachen, kamen zu dieser oder ähnlichen Fragen: „Warum in aller Welt in diesem Umfeld in Gold investieren?“

Doch dieses Jahr hat besagter Konsens Risse bekommen. In den USA beläuft sich das Ausmaß der „Normalisierung“ auf lediglich eine Zinserhöhung in Höhe von 0,25 %. Andere wichtige Notenbanken behalten ihre extrem – um nich zu sagen absurd – lockere Geldpolitik bei. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich begonnen, Unternehmensanleihen mit hoher Bonität aufzukaufen. Der Brexit wird diesen Trend befeuern und verlängern. Eine noch lockerere Geldpolitik scheint sogar wahrscheinlich, und ganz offensichtlich trifft dies vor allem auf die EZB und die Bank of England zu.

Wie sieht es aber in den USA aus? Auf der letzten Pressekonferenz des Offenmarktausschusses1 bezog sich Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), direkt auf den Brexit als Risikofaktor. Die Realität der Abstimmung für den Brexit wird die „Dot-Plots“ der Fed, das heißt die Einschätzungen der Ausschussmitglieder zu künftigen Zinsspannen, voraussichtlich noch stärker hinausschieben. „Noch niedriger auf noch längere Zeit“ scheint die vernünftige Schlussfolgerung über die Zukunft der Nominalzinsen zu sein.

Und wie steht es um die Inflation? So sehr der Brexit bei den Entscheidungsträgern auch die Alarmglocken schrillen lässt: Die Auswirkungen auf die nominale Inflation sind weniger eindeutig. Einerseits scheinen sich die Preise für Energie- und Agrarprodukte auf breiter Basis zu erholen; andererseits bleibt offensichtlich der Arbeitsmarkt in den USA selbst nach den schlechten Daten für Mai fest. Der Brexit hat sich also zu einem Zeitpunkt ereignet, bei dem die Zentralbanken generell entgegenkommend eingestellt sind, die Inflation jedoch anzieht. Vor diesem Hintergrund werden negative Realzinsen auf längere Zeit wahrscheinlicher – und die Allokationen in Gold dürften weiter zunehmen.

2. Der weltweite politische Populismus nimmt zu

Der Brexit scheint erstmals zu zeigen, wie sich populistische Strömungen (die beispielsweise auch Trump, Sanders, Corbyn oder Le Pen verkörpern) innerhalb eines Industrielandes sich in einem ganz realen Ergebnis niederschlagen können, das die etablierte politische Klasse so nicht erwartet hätte. Insgesamt wächst mit dieser Erschütterung die Furcht vor künftigen politischen Unruhen, besonders vor einem Dominoeffekt innerhalb der EU.

Wachsender Populismus und die Angst der geldpolitischen Entscheider vor dieser Entwicklung machen eine deutlich populistischere wirtschaftspolitische Reaktion wahrscheinlicher. So sind auch Diskussionen um direkte fiskalische Anreize zuletzt wieder stärker in das Zentrum der politischen Debatte gerückt. Dies erhöht die Unsicherheit in Richtung geopolitischer Entwicklungen und Inflation  –  was in der Folge Portfoliomanager verstärkt Absicherungspositionen in Gold eingehen lassen dürfte.

"Aus der Distanz betrachtet verstärkt der Brexit unseres Erachtens solche Trends, die bereits fest etabliert waren." Mark Lacey

Selbst ohne den Brexit befand sich Gold bereits wieder auf dem Wege, von einer fast vergessenen Anlageklasse wieder zu einer wichtigen Allokation zu werden. Denn letztlich ist und bleibt das Umfeld äußerst unsicher, worfür zwei Punkte besonders verantwortlich sind: die negativen Realzinsen und das zunehmende Bewusstsein, dass wir von einer globalen Normalisierung noch weit entfernt sind. Damit ist Gold noch immer eine nicht ausreichend berücksichtigte Absicherung gegen die mangelnde Glaubwürdigkeit der Zentralbanken und die unterschätzten globalen Risiken, die insbesonder von China ausgehen.

Überzeugendes Umfeld für Goldaktien

Wir glauben, dass die Allokationen in Gold weiter zunehmen werden. Innerhalb dieses Anlageuniversums sind vor allem Goldaktien überzeugend: Wir meinen dass sie sich in den kommenden Jahren gegenüber dem Goldpreis insgesamt besser entwickeln werden. Wir erwarten also ein grundlegend unterschiedliches Szenario gegenüber der Spanne von 2003 bis 2011, als nicht nur die Kurse für Gold anhaltend gestiegen waren. Damals waren die Kosten völlig aus dem Ruder gelaufen und Goldproduzenten wurden undiszipliniert geführt, was die Wertentwicklung der Unternehmen deutlich hinter dem Goldpreis zurückbleiben ließ. Mittlerweile sind Goldminen dank ihrer wesentlich stärkeren Bilanzen in der Lage, Gold in einem Umfeld mit steigenden Preisen und einer kontrollierten Kostenbasis zu fördern.

Im Gegensatz zum Konsens sind wir nicht der Meinung, der Sektor schnell zu Wachstum um jeden Preis zurückkehren wird (selbst wenn einige schlecht gemanagte Unternehmen dem unter Umständen nicht widerstehen können). Und trotz einer Rallye seit Jahresanfang liegen Goldaktien noch immer rund 60 % unter ihren vorherigen Hochs. Wir sehen großes Potenzial für Neubewertungen: Darauf deuten auf die auf Geldflüssen aufbauenden Bewertungskennzahlen hin.

Können Unternehmen ihre Produktion organisch steigern und legen sie zugleich auch noch Kosten- und Bilanzdisziplin an den Tag zu legen, dürften sie eben auch langfristig Renditen erwirtschaften  – und in einem Umfeld steigender Goldpreise stark abschneiden.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Mark Lacey, Fondsmanager Aktien, und James Luke, Fondsmanager Rohstoffe, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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