Die Europäische Zentralbank EZB befindet sich vor der Sitzung des EZB-Rates in dieser Woche in einer schwierigen Gemengelage. Einerseits ist ein weniger expansiver geldpolitischer Kurs dringend geboten angesichts weiter steigender Inflationsraten und der fehlenden Aussicht auf zeitnah sinkende Energie- und Rohstoffkosten und einer Entspannung bei Lieferengpässen.
12.04.2022 | 10:21 Uhr
Die konkrete Perspektive von Leitzinsanhebungen im Laufe des zweiten Halbjahres 2022 würde wenigstens den Eurokurs stabilisieren, dessen Schwäche aktuell den Einkauf von vielfach in US-Dollar gehandelten Rohstoffen und sonstigen Gütern zusätzlich verteuert. Ein Teil der Inflation wird somit derzeit importiert. Andererseits bestehen angesichts des unberechenbaren Fortgangs der Ukrainekrise und drohender weiterer Sanktionen und Gegensanktionen erhebliche wirtschaftliche Unsicherheiten.
Auch darf natürlich
kein Zweifel daran aufkommen, dass sich alle Eurostaaten in einem Umfeld
steigender Zinsen weiter refinanzieren können. Risikoprämien für europäische
Staatsanleihen im Vergleich zu Bundesanleihen müssen also niedrig gehalten
werden. Dabei ist die EZB bei der letzten Ratssitzung im März bereits tätig
geworden, indem das Auslaufen der Nettowertpapierkäufe im Rahmen des
APP-Programms (Asset Purchase Programme) eingeläutet und damit die Basis für
eine komplette Beendigung im dritten Quartal geschaffen wurde. Einer
Zinserhöhung im dritten oder vierten Quartal stünde somit grundsätzlich nichts
mehr im Wege, wäre da nicht der drohende erneute stagflationär wirkende
Angebotsschock im Falle eines kompletten Stopps von Rohstofflieferungen aus
Russland.
Trotzdem dürfte EZB-Präsidentin Lagarde ihre Entschlossenheit bei der Bekämpfung der Inflation untermauern und gleichzeitig betonen, dass man auf Veränderungen der konjunkturellen Perspektiven flexibel reagieren werde. Um trotz Beginn der Zinswende im Laufe des Jahres keine erneute Staatsschuldenkrise in der Eurozone zu riskieren, ist seit einiger Zeit die Einführung ein Mechanismus für eine Krisenintervention im Gespräch, mit dessen Hilfe man einzelnen Staaten im Falle zu stark steigender Zinsen beiseite stehen könnte. Zwar gibt es dazu noch keine konkreten Verlautbarungen vonseiten der Notenbank, idealerweise reicht aber auch eine vage Ankündigung und es kommt gar nicht erst zu einer Spekulation des Marktes auf stark steigende Risikoprämien. So oder so bleibt das Umfeld anspruchsvoll, nicht zuletzt auch für Anleger, für die sich das tief negative Realzinsniveau kurzfristig kaum ändern dürfte.
Ihr Carsten Mumm
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