
Mögliche Änderungen der US-Politik könnten sich negativ auf Regierungen und Konjunktur in Europa auswirken, aber größtenteils positiv auf Anleihen.
09.12.2024 | 08:27 Uhr
Die Botschaft des designierten US-Präsidenten Trump ist klar: Die europäischen Partner müssen sich auf neue Handelszölle und höhere Verteidigungskosten einstellen. Wie sich diese Politik auswirken wird, wird sich erst im Laufe des Jahres 2025 zeigen. Wir sehen jedoch eine Reihe potenzieller Szenarien, die Risiken und Chancen für die europäischen Volkswirtschaften und Anleger mit sich bringen.
Europäische Exporte in die USA könnten mit universellen Zöllen in
Höhe von 10 bis 20 % belegt werden. Die Auswirkungen der Zölle auf das
BIP des Euroraums werden sich wahrscheinlich je nach Sektor und Land
stark unterscheiden. Einige der größten Exportsektoren Europas –
darunter Autos, Maschinen, Chemikalien, Pharmazeutika und Lebensmittel –
wären stark betroffen.
Die am stärksten gefährdeten europäischen Länder exportieren große
Mengen dieser Güter und weisen eine deutlich positive Handelsbilanz mit
den USA auf (siehe Abbildung).

Mehrere Quellen schätzen, dass der Schaden für das BIP des Euroraums zwischen etwa -0,5 % und -1,0 % liegen könnte (siehe Abbildung), je nachdem, ob Trumps Maßnahmen vollständig umgesetzt werden. Deutschland scheint am anfälligsten zu sein, da der Großteil der Exporte in die USA auf Waren entfällt (4,1 % des BIP 2023), während das eher dienstleistungsorientierte Großbritannien weniger betroffen sein könnte.

Sekundäreffekte der drohenden 60-prozentigen Zölle auf China
könnten auch Europa schaden. Europäische Unternehmen könnten sowohl mit
einer weiteren Verringerung der Nachfrage durch eine geschwächte
chinesische Wirtschaft als auch mit zusätzlicher Konkurrenz durch
chinesische Waren, die vom US-Markt umgeleitet werden, konfrontiert
werden.
Die Unsicherheit über die Auswirkungen beeinträchtigt bereits die Geschäftstätigkeit und Investitionen in Europa: Der Trade Policy Uncertainty Index
zeigt, dass die handelspolitische Unsicherheit jetzt genauso hoch ist
wie in Trumps erster Präsidentschaft und das Wirtschaftswachstum
ernsthaft beeinträchtigen könnte. Seit Ende September sind die
Gewinnschätzungen und Aktienkurse einiger führender europäischer
Automobilhersteller bereits deutlich gesunken, und ihre Anleihespreads
haben sich ausgeweitet.
Trump hat immer wieder betont, dass die NATO-Mitglieder ihrer Verpflichtung nachkommen müssen, mindestens 2 % des BIP für Verteidigung auszugeben. Zeitweise hat er vorgeschlagen, diese Verpflichtung zu erhöhen, möglicherweise auf 4 %. Die zusätzlichen Kosten würden die Länder mit den niedrigsten Ausgaben am stärksten treffen (Abbildung) und sich langfristig negativ auf ihre Verschuldung und Haushaltsdefizite auswirken.

Hinzu kommt, dass die USA den größten Teil der militärischen Ausgaben im Zusammenhang mit der Ukraine tragen: Wenn die USA diese Unterstützung zurückziehen würden, könnte die Militärhilfe für die Ukraine laut dem Institut für Weltwirtschaft Kiel erheblich sinken. Es ist unwahrscheinlich, dass die europäischen Länder diese Lücke schließen könnten, da sie bereits andere bedeutende finanzielle und humanitäre Hilfszusagen an die Ukraine gemacht haben (siehe Abbildung), hohe Haushaltsdefizite aufweisen und in einigen Fällen instabile Regierungen haben.

Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt alles möglich ist, könnte die Chance
bestehen, das Schlimmste abzuwenden. Zollvorhaben werden möglicherweise
nicht vollständig umgesetzt, da die betroffenen Länder die Auswirkungen
durch bilaterale Verhandlungen und Zugeständnisse bei nicht
handelsbezogenen Fragen abmildern könnten. Außerdem haben Unternehmen
gelernt, das Zollrisiko (seit der ersten Präsidentschaft von Trump) und
die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten (während der COVID-Pandemie)
besser zu handhaben.
Dennoch haben die europäischen Volkswirtschaften bereits jetzt
Schwierigkeiten, nach der Pandemie wieder nennenswertes Wachstum zu
erreichen, und ein externer Schock könnte die Region in eine Rezession
stürzen. Der Markt geht davon aus, dass sich der Leitzins der
Europäischen Zentralbank (EZB) in den nächsten Jahren bei 2,0 % bis 2,25
% einpendeln wird.
Wir halten dieses Niveau für zu hoch und gehen davon aus, dass die
Zinsen weiter fallen werden, da Europa mit den gleichen strukturellen
Problemen wie vor der Pandemie konfrontiert ist. Neue Herausforderungen
durch Trumps Politik könnten sogar noch mehr Zinssenkungen durch die EZB
bedeuten. Zudem könnte Trumps Politik zu einem höheren nominalen
Wachstum und einer höheren Inflation in den USA führen und zu weniger
Zinssenkungen durch die US-Notenbank.
Die Aussicht auf deutlich niedrigere Zinsen in Europa und ein
stärkeres Wachstum in den USA wird sich in den nächsten zwei Jahren
wahrscheinlich sehr positiv auf die Märkte für Euro-Anleihen auswirken.
Wir erwarten niedrigere Renditen am vorderen Ende der Zinskurve und nur
geringfügig höhere Renditen am sehr langen Ende (30 Jahre) aufgrund der
Verschlechterung der Haushaltslage.
Emittenten mit Investment-Grade-Rating und den stärksten
Finanzkennzahlen werden dem Druck durch Zölle am besten standhalten
können, und ihre Anleihen dürften unserer Meinung nach am meisten von
sinkenden Zinsen profitieren. Hochzinsemittenten reagieren empfindlicher
auf Veränderungen der Wirtschaftsaussichten und könnten stärker von
einer Wachstumsverlangsamung betroffen sein. Dennoch starten die
europäischen Hochzinsmärkte aus einer Position der Stärke, mit
überwiegend robusten Fundamentaldaten und einer starken Nachfrage im
Verhältnis zum Angebot. Insbesondere sind rund 65 % des Hochzinsmarktes
mit BB bewertet, und Emittenten in dieser Gruppe benötigen nicht
zwingend ein starkes Wachstum, um ihre Schulden zu bedienen. Wir sind
jedoch der Meinung, dass die Emittenten mit geringerer Bonität und
höherer Verschuldung, die mit CCC und niedriger bewertet werden,
wahrscheinlich Wachstum benötigen, um ihre Kapitalstrukturen
aufrechtzuerhalten, und anfällig für eine Verlangsamung sind.
Falls die Zinsen weiter sinken, könnten europäische Anleger, die
Anleihen meiden und in Bargeld bleiben, erhebliche Opportunitätskosten
erleiden.
Obwohl die Auswirkungen der neuen US-Politik auf die europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen insgesamt negativ sein könnten, rechnen wir mit einer breiten Streuung der Ergebnisse über Emittenten, Sektoren und Länder hinweg. Viele Emittenten von auf Euro lautenden Schuldtiteln sind beispielsweise multinationale Unternehmen, die weniger vom europäischen Wachstumszyklus abhängig sind. Auf Euro lautende Schuldtitel, die von US-Unternehmen ausgegeben werden, können sowohl von fallenden Zinsen in Euro als auch von einem stärkeren Wirtschaftswachstum in den USA profitieren. Und die Risiken der Emittenten werden sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich ändern, wenn sich die Politik weiterentwickelt. Daher können erfahrene aktive Manager Chancen finden – insbesondere diejenigen, die dynamische risikobewusste Strategien verfolgen.
Trump leugnet den vom Menschen verursachten Klimawandel ab und setzt
vor allem auf fossile Energieträger, um das Wirtschaftswachstum in den
USA anzukurbeln. Er hat sein Team mit einer umfassenden Deregulierungs-
und Kostensenkunginitiative beauftragt und beabsichtigt, die 2025
auslaufenden Steuersenkungen zu verlängern. Kurzfristig glauben wir,
dass seine Politik den Wettbewerbsvorteil von US-Unternehmen stärken und
die Kluft zwischen den Wirtschaftswachstumsraten in den USA und Europa
vergrößern könnte.
Da die europäischen Regierungen bereits mit einem Gegenwind der Wähler
aufgrund hoher Energiepreise konfrontiert sind, wird der Druck auf die
Europäische Union (EU) wahrscheinlich zunehmen, das Tempo ihres
ökologischen Wandels neu zu bewerten. Politische Veränderungen in den
USA könnten auch die Forderungen in der EU nach einem ehrgeizigeren
Programm für den Euroraum zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und
des Zusammenhalts, einschließlich weiterer EU-Kreditbefugnisse,
verstärken.
Anleger müssen diese Ereignisse und die Entwicklung der Wertpapierkurse,
die die tatsächlichen Auswirkungen von Veränderungen über- oder
unterbewerten könnten, im Auge behalten. Instrumente, die finanziell
relevante ESG-Kennzahlen objektiv analysieren und beständig bewerten und
quantitative und fundamentale Researchergebnisse über eine große Anzahl
von Anleiheemissionen hinweg systematisch nutzen,
werden von entscheidender Bedeutung sein. Nur durch die Entwicklung
dieser Fähigkeiten können Anleger die Auswirkungen potenziell
weitreichender Veränderungen vollständig einschätzen und so Risiken
mindern und Chancen während der Amtszeit von Trump und darüber hinaus
nutzen.
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.
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